Spiegellose Profi-Systemkamera

Testbericht: Sony Alpha 9

Seite 2 von 2, vom 2017-09-05 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln

Die Belichtungsreihenfunktion kann sich ebenfalls sehen lassen. Sie nimmt bis zu fünf Bilder bei 3 EV Belichtungsunterschied auf, bis zu sieben Bilder bei 2 EV und neun Bilder bei 1 EV. Damit wird ein Belichtungsspektrum von 18 EV abgedeckt. Was der Alpha 9 also an automatischer HDR-Funktion fehlt, kann man problemlos selbst erledigen. Ein Druck auf den Auslöser und etwas Bildbearbeitung am PC genügen. Wer möchte, kann auch Weißabgleichsreihen oder DRO-Reihen aufnehmen. Die DRO-Funktion bei Sony dient der Dynamikbereichsoptimierung, hellt also die Schatten auf. Was der Kamera hingegen fehlt, ist eine Intervallaufnahmefunktion. Auch die PlayMemories-Apps sind nicht an Bord, um Funktionen nachzurüsten. Das merkt man umso schmerzlicher im Wiedergabemodus, wo es außer einer Bilddrehung keine Bearbeitungsfunktionen gibt – auch nicht für Rohdatenbilder. Immerhin sind NFC, Bluetooth und WLAN an Bord und man muss keine App nach einer Registrierung nachladen, um die Funktionen nutzen zu können. Dank NFC steht die Verbindung im Handumdrehen, dank Bluetooth sendet das gekoppelte Smartphone seine Positionsdaten energiesparend im Hintergrund, denn über ein eigenes GPS-Modul verfügt die Alpha 9 nicht. Die App erlaubt eine Kamerafernbedienung samt Livebildübertragung. Die Netzwerkbuchse wiederum ermöglicht eine Fernsteuerung der Kamera vom PC aus sowie eine Bildübertragung auf einen FTP-Server.

Die Sony Alpha 9 taugt aber nicht nur hervorragend für die Fotografie, sondern auch für die Videografie. Die Videofunktion nimmt 4K-Filme mit bis zu 30 Bildern pro Sekunde auf, Full-HD-Filme sogar mit bis zu 120 Bildern pro Sekunde. Die Speicherung mit einer hohen Datenrate von 100 Mbit/s sorgt für eine gute Videoqualität. Es gibt ein hochwertiges integriertes Stereomikrofon, aber auch ein externes lässt sich anschließen wie auch ein Kopfhörer zur Tonkontrolle. Eine Pegelanzeige ist genauso vorhanden wie ein Windgeräuschfilter. Der Autofokus verrichtet genauso lautlos seinen Dienst wie der Bildstabilisator. Dieser arbeitet mittels des beweglich gelagerten Bildsensors und funktioniert sehr effektiv bei Videos und Fotos. Dank des 6K-Oversamplings ist die Videoqualität sehr hoch, zudem wird die volle Bildbreite des Sensors genutzt. Man verliert also nur den Bildwinkel des Beschnitts vom 3:2-Sensorformat auf das 16:9-Videoformat. Profivideografen bietet die Alpha 9 zudem allerlei Funktionen, auf die wir nicht näher eingehen wollen, sie sind im Datenblatt zu finden. Aufnehmen kann man Videos auf Wunsch mit manueller Belichtung, wobei die Videotaste auch im Fotomodus Aufnahmen zulässt. Besser gelingt dies aber im Videomodus des Programmwählrads. Was bei den Fotofunktionen fehlt, ist im Videomodus vorhanden: Eine Zeitrafferfunktion. Auch Zeitlupen lassen sich aufnehmen.

Wer mit der Sony Alpha 9 blitzen möchte, muss sich ein entsprechendes Blitzgerät für den Multi-Interface-Schuh zulegen, denn einen integrierten Blitz gibt es nicht. Das ist schade, denn dadurch braucht es auch zur drahtlosen TTL-Steuerung externer Blitzgeräte ein Steuergerät auf der Kamera. Die Blitzsynchronzeit liegt jedoch lediglich bei 1/250 Sekunde. Sämtliche Funktionen der externen Blitzgeräte werden unterschützt wie etwa eine Langzeitsynchronisation, eine Highspeed-Synchronisation, das Blitzen am Ende der Belichtung oder eine Blitzbelichtungskorrektur.

Bildqualität

Die Sony Alpha 9 ist mit einem neu entwickelten Vollformatsensor ausgestattet, der mehrere moderne Technologien vereint. Zum einen ist der Sensor zur Maximierung der lichtempfindlichen Fläche rückwärtig belichtet. Zum anderen verfügt der CMOS-Sensor über eingebautes DRAM, also einen eigenen Zwischenspeicher, der ein besonders schnelles Auslesen ermöglicht. Sony behauptet, die beste Bildqualität im Vollformatbereich zu bieten, beispielsweise mit einem hohen Dynamikumfang. Tatsächlich überzeugen die Bildergebnisse in der Praxis mit einer großen Klarheit und definierten Details. Bis ISO 6.400 sind die Bildergebnisse piekfein und nahezu rauschfrei. Bei sehr viel höheren Empfindlichkeiten kann aber die Alpha 9 auch nicht zaubern. Immerhin verzichtet Sony auf aberwitzig hohe ISO-Empfindlichkeiten wie ein DSLR-Konkurrent. Bei ISO 204.800 ist Schluss – und man sieht auch, warum. Viel Qualität ist bei dieser Empfindlichkeit einfach nicht drin.

Um der Bildqualität im Detail auf den Grund zu gehen, haben wir die Alpha 9 mit dem 24-70 mm F2.8 G Master Objektiv im Labor getestet. Die ausführlichen Ergebnisse sind über die weiterführenden Links gegen eine geringe Gebühr abrufbar. Auch eine Prepaid-Flatrate bieten wir an, die den Zugriff auf das gesamte Labortestarchiv mit über 1.700 Tests von Kameras und Objektiven erlaubt. Mit einem Kauf wird übrigens auch die redaktionelle Arbeit an kostenlosen Tests wie diesem unterstützt. Wer sich also nicht primär für den Labortest interessiert, unsere Arbeit aber honorieren möchte, kann das gerne mit dem Kauf von Labortests tun.

Das Objektiv zeigt im Testlabor eine starke Verzeichnung. Sie beträgt bei allen drei gemessenen Brennweiten (24, 41 und 70 mm) gut zwei Prozent. Im Weitwinkel fällt sie aufgrund ihrer Tonnenform, die dem menschlichen Auge natürlicher erscheint, subjektiv nicht so ins Gewicht wie bei mittlerer und langer Brennweite, wo einem die Kissenform regelrecht ins Auge springt, sobald Linien im Bild parallel zum Bildrand verlaufen. Farbsäume treten hingegen im Labortest nicht auf. Eine Randabdunklung ist zwar vorhanden, fällt aber, vor allem für ein Vollformatobjektiv, mit maximal 0,8 Blendenstufen nicht sonderlich stark aus.

Die Auflösung ist mit bis zu 63 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) im Bildzentrum für einen 24 Megapixel auflösenden Bildsensor sehr hoch. Bei 24 und 41 mm ab Offenblende und bei 70 mm ab F4 zieht sich die Auflösungskurve fast wie eine Schnur an der Linie von 60 lp/mm entlang, fällt erst jenseits von F8 unter diese Linie und erst kurz vor F22 unter 50 lp/mm. Der Randabfall ist bei 24 und 41 mm gering, zwischen F5,6 und F16 werden sogar über 50 lp/mm erreicht. In Telestellung startet nicht nur die Auflösung im Bildzentrum bei Offenblende etwas zurückhaltender, sondern vor allem auch die Randauflösung. Sie hangelt sich von 30 lp/mm bei F2,8 nur langsam ansteigend bis 50 lp/mm bei F16 hoch. Wirklich weich ist das Objektiv im Bildzentrum in Telestellung aber nicht, höchstens nicht ganz so knackig wie bei kleinerer Brennweite.

Der Signal-Rauschabstand ist gut, aber nicht so bombastisch, wie man vielleicht erwarten würde. Selbst bei der gedämpften Empfindlichkeit von ISO 50 werden nur knapp 45 dB erreicht. Bis ISO 800 bewegt sich der Wert im guten Bereich von über 40 dB, bis ISO 6.400 bleibt er im akzeptablen Bereich von über 35 dB. ISO 6.400 ist auch die Grenze, über der sich langsam Helligkeitsrauschen bemerkbar macht. Ab ISO 51.200 wird es stark sichtbar. Farbrauschen spielt hingegen nur bei der allerhöchsten Empfindlichkeit von ISO 204.800 eine Rolle. Mit ungefähr zwei Pixeln bleibt das Rauschen feinkörnig. Die Rauschunterdrückung macht sich messtechnisch ab ISO 1.600 minimal bemerkbar. Sie reduziert die sichtbar erhöhte Detailrate aber erst oberhalb von ISO 6.400 merklich. Ab hier sinkt die Detailrate mit jeder weiteren Empfindlichkeit deutlich. Bei ISO 12.800 wirken feinste Texturen etwas verwaschener, oberhalb davon wird dies mehr als deutlich. Bis ISO 6.400 aber kann man die Kamera bedenkenlos einsetzen und erhält rauschfreie, detailreiche Bilder.

Der versprochen hohe Dynamikumfang erfüllt sich durchaus auch in der Labormessung. Bei ISO 100, und nur da, werden zwölf Blendenstufen erreicht. Bei ISO 50 und bis hinauf zu ISO 1.600 sind es über elf Blendenstufen, bis ISO 6.400 über zehn. Kritisch gering wird der Dynamikumfang nur bei den beiden höchsten ISO-Empfindlichkeiten. Die Tonwertkurve zeigt einen sehr steilen Verlauf, typisch für die sehr starke Bildaufbereitung in JPEG, die sich auch bei der hohen Schärfung und der überhöhten Detailrate widerspiegelt. In JPEG ist die Sony Alpha 9 auf sehr knackige Fotos abgestimmt, die keine Bildbearbeitung benötigen. Das ist auch nicht verkehrt, denn für alles andere taugt das Raw-Format ohnehin viel besser. Dennoch kann man sich die JPEG-Bildaufbereitung durchaus anpassen und die Kontraste und Schärfung sowie die Rauschunterdrückung etwas zurücknehmen.

Der Ausgangs-Tonwertumfang ist bis ISO 200 perfekt, fast alle der 256 möglichen Helligkeitsabstufungen werden ausgenutzt. Bis ISO 1.600 sind es sehr gute über 192 Stufen, bis ISO 3.200 gute über 160 Stufen. Ab ISO 12.800 werden weniger als 128 Stufen genutzt, also nur noch gut die Hälfte. Für die aggressive Bildaufbereitung ist die Farbtreue erstaunlich gut. Es gibt nur hier und da leichte Abweichungen, die größtenteils die etwas stärkere Sättigung betreffen, der Farbton bleibt also weitgehend unverfälscht. Auch die tatsächliche Farbtiefe ist sehr gut. Bis ISO 400 werden über acht Millionen Farbnuancen dargestellt, bis ISO 6.400 sind es über vier Millionen und selbst bei ISO 25.600 noch zwei Millionen.

Fazit

Die Sony Alpha 9 ist eine hervorragend verarbeitete und robuste spiegellose Vollformat-Systemkamera mit einer unglaublich hohen Performance. Das kompakte Gehäuse ist durchaus ergonomisch, während die Bedienung trotz vieler Tasten nicht immer ganz so übersichtlich ist, vor allem im Hauptmenü. Der Sucher wiederum ist, wie auch der helle Bildschirm, von hervorragender Qualität. Die hohe Serienbildgeschwindigkeit geht mit einem zackigen Autofokus einher, sodass die Alpha 9 tatsächlich Action-tauglich ist. Nur das Speicherkarteninterface stellt ein gewisses Nadelöhr dar, das durch den unglaublich großen Pufferspeicher kaschiert wird. Die Bildqualität der Sony Alpha 9 ist bis in hohe ISO-Regionen sehr sauber und super knackig. Wer das nicht mag, sollte auf das Raw-Format zurückgreifen. Auflösung, Farbwiedergabe und Dynamikumfang wissen jedenfalls zu überzeugen. ISO 6.400 kann man bedenkenlos ansteuern und auch bei ISO 12.800 sind die Abstriche gering.

Kurzbewertung

  • Robust verarbeitetes, kompaktes Gehäuse
  • Sehr schneller Autofokus gepaart mit rasanter Serienbildfunktion
  • Sehr gute Bildqualität bis ISO 6.400
  • Hervorragender elektronischer Sucher mit hoher Auflösung
  • 4K-Videofunktionen mit vielen Optionen
  • Immer noch keine konsequente Abdichtung aller Schnittstellen/Klappen
  • Etwas unübersichtliches Hauptmenü
  • Speicherkarteninterface wird zum Flaschenhals

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Steckbrief

Hersteller Sony
Modell Alpha 9
Sensor CMOS Kleinbild 36,0 x 24,0 mm (Cropfaktor 1,0)
28,3 Megapixel (physikalisch)
24,2 Megapixel (effektiv)
Pixelpitch 6,0 µm
Auflösung (max.) 6.000 x 4.000 (3:2)
Video (max.) 3.840 x 2.160 30p
Objektiv Sony FE 24-70 mm F2.8 GM (SEL2470GM) (Zoom-Objektiv)
Videosucher EVF, 100 % Bildfeldabdeckung, 3.686.400 Bildpunkte Auflösung, 0,78-fache Vergrößerung (Sensor-bezogen), 0,78-fache Vergrößerung (KB-Äquiv.), Dioptrienausgleich (-4,0 bis 3,0 dpt)
Monitor 3,0" (7,5 cm)
  Auflösung 1.440.000 Bildpunkte
  kippbar ja
  drehbar
  schwenkbar
  Touchscreen ja
AV-Anschluss HDMI-Ausgang Micro (Typ D)
Vollautomatik ja
Motivautomatik ja
Programmautomatik ja
Programmshift ja
Blendenautomatik ja
Zeitautomatik ja
Manuell ja
Bulb-Langzeitbelichtung ja
HDR-Funktion
Panoramafunktion nein
Belichtungsmessung Matrix/Mehrfeld-Messung (1.200 Felder), Mittenbetonte Integralmessung, Spotmessung
kürzeste Verschlusszeit 1/8.000 s
Blitz
  Synchronzeit 1/250 s
  Blitzanschluss Blitzschuh: Sony Multi Interface
WLAN ja
NFC ja
GPS extern, Smartphone Verbindung
Fernauslöser ja, Infrarotauslöser, Bluetooth-Auslöser, Fernsteuerung über Smartphone/Tablet
Intervallaufnahme
Speichermedium
SD (SDHC, SDXC, UHS I, UHS II)
  Slot 2
Memory Stick (Duo Pro)
SD (SDHC, SDXC, UHS I)
  automatisch ISO 100-51.200
  manuell ISO 50-204.800
  automatisch ja
  manuelle Messung ja
  Kelvin-Eingabe ja
  Feinkorrektur ja
Autofokus ja
  Anzahl Messfelder 693
  Geschwindigkeit 0,16 s bis 0,19 s
  AF-Hilfslicht LED
Abmessungen 127 x 96 x 63 mm
Gewicht (betriebsbereit) 674 g (nur Gehäuse)
1.556 g (mit Objektiv)
Stativgewinde in optischer Achse
  Zoomverstellung manuell am Objektiv
Akkulaufzeit 650 Aufnahmen (gem. CIPA-Standard)

DXOMARK Logo

Die Bildqualität in unseren Tests ermitteln wir seit 2011 mit DXOMARK Analyzer.

Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.