Vollformat-Systemkamera für Einsteiger

Testbericht: Canon EOS RP

Seite 2 von 2, vom 2019-04-03, aktualisiert 2023-12-08 (Autor: Harm-Diercks Gronewold)Zur Seite 1 wechseln

Beim Autofokus setzt Canon auf ein Dual-Pixel-System, was deutlich schneller ist, als herkömmliche reine Kontrast-Autofokussysteme. Dank der 4.779 Messpunkte ist das überwiegende Bildfeld ausmessbar. Der Fokuspunkt kann, dank der Touchscreen-Integration, leicht auf dem Bildfeld verschoben werden. Zudem lassen sich verschiedene Charakteristiken von Messfeld-Kombinationen wählen. Hinzu kommen weitere Funktionen wie Gesichtswiedererkennung, Augenerkennung und eine Zielverfolgung mit manueller Zielwahl. Bei der Autofokus- und Auslösegeschwindigkeit liegt die EOS RP fast auf dem gleichen Niveau wie ihre größere Schwester EOS R. Mit Einer Autofokus-Auslösegeschwindigkeit im Weitwinkel von etwa 0,26 Sekunden und im Telebereich von 0,35 Sekunden und einer Auslöseverzögerung von etwa 0,07 Sekunden gehört die Kamera zu den flotteren Vollformat-Zeitgenossen.

Im Gegensatz zum großen Bruder EOS R besitzt die EOS RP eine sehr komfortable Fokusreihenfunktion (Fokusstacking). Dabei nimmt die Kamera Bilder in Folge auf und verschiebt den Fokus jedes mal ein Stückchen. Am Ende der Aufnahmereihe rechnet die Kamera die Bilder intern zusammen und präsentiert ein Bild mit einem erhöhten Schärfenbereich. Zudem werden alle Einzelaufnahmen gespeichert, falls der Fotograf ein eigenes Fokusstacking durchführen möchte. Der Fotograf kann bei der Aktivierung der Funktion den Fokusabstand und die Anzahl der Aufnahmen auf maximal 999 festsetzen. Auch die Intervall-Funktion ist ähnlich leicht erreichbar und komfortabel einzustellen. Sie bietet ein bis unbegrenzte Aufnahmen im Intervall von einer Sekunde bis 99 Stunden 59 Minuten und 59 Sekunden.

Die Video-Funktion bietet dem Fotografen ausreichende Möglichkeiten, um Videoaufzeichnungen durchzuführen. Die maximale Videoauflösung beträgt 4K (3.840 x 2.160) mit 25 Bildern pro Sekunde. Eine höhere Bildwechselfrequenz von etwa 60 Bildern pro Sekunde erreicht die Kamera nur bei FullHD-Aufnahmen (1.920 x 1.080). Die Aufnahmezeit ist bei jeder Videogröße auf etwa 30 Minuten beschränkt. Zusätzlich zu einem vorhandenen optischen Bildstabilisator im Objektiv kann ein digitaler Bildstabilisator hinzugeschaltet werden. Ansonsten stehen dem Fotografen Picturestyles, verschiedene Autofokusmessmethoden wie die Gesichtsverfolgung zur Verfügung.

Zu beachten ist jedoch der stark eingeschränkte 4K-Videomodus. Die Kamera cropt dann etwa 1,6-fach (was beim Adaptieren von APS-C-Objektiven aber ganz praktisch sein kann) und auch der Autofokus muss auf den Dual-Pixel-Modus und viele damit zusammenhängende Modi verzichten, es kommt bei 4K-Aufnahmen ein reiner und nicht so zuverlässiger und schneller Kontrastautofokus zum Einsatz.

Des Weiteren kann bei Videoaufnahmen die Kopfhörerlautstärke angepasst werden. Um die Aussteuerung zu ändern, muss der Fotograf hingegen wieder das Kameramenü öffnen und zur entsprechenden Einstellung navigieren. Eine direkte Aussteuerung über das Quick-Menü (Q) ist nicht vorgesehen. Neben der vollautomatischen Aufnahme steht noch ein manueller Modus zur Verfügung, in dem die Blende und Zeit für die Videoaufzeichnung eingestellt werden kann. Der ebenfalls verfügbare HDR-Videomodus ist im Funktionsumfang eingeschränkt und bietet nahezu keine Eingriffsmöglichkeiten für den Fotografen. Auch die Auflösung ist im HDR-Video-Modus auf 1.080p30 beschränkt.

Für Videos und auch Serienbilder sind die Speichergeschwindigkeit der Kamera und auch der Speicherkarte ausschlaggebend. Wir haben eine maximale Speichergeschwindigkeit von etwa 153 Megabyte pro Sekunde gemessen. Die Serienbildgeschwindigkeit beträgt etwa 4,7 Bilder pro Sekunde und dabei ist es unerheblich, ob Raw- oder JPEG-Aufnahmen gemacht werden, da die EOS RP wie ein Uhrwerk eine Aufnahme nach der anderen macht und auf die Speicherkarte "schaufelt”. Lediglich die Kombination Raw und JPEG lässt die Kamera im Dauerlauf manchmal kurz innehalten, um dann sofort wieder die Arbeit aufzunehmen. Eine Speicherkarte mit rund 160 Megabyte Schreibgeschwindigkeit sollte schnell genug arbeiten, um Videos und auch Serienbilder in höchster Qualität speichern zu können.

Während der Wiedergabe von Bildern bieten einige Kameras von den einfachen Funktionen des Beschnitts bis zu Beautyretuschen und Spezialeffekte viele Möglichkeiten an. Die EOS RP bietet sowas hingegen nicht, zumindest keine Spezialeffekte und eine Bildbearbeitung ist nur für Rohdatenaufnahmen vorhanden. Diese gestaltet sich als nicht allzu kompliziert und besitzt einige Voreinstellungen. Allerdings sind die Änderungen nicht in Echtzeit zu sehen, sondern müssen vom Fotografen bestätigt werden. Das so editierte Bild wird dann als neue Datei im JPEG-Format gespeichert. Eine Änderung der Bildgröße und eine Beschnittfunktion stehen hingegen bei jeder Bilddatei zur Verfügung.

Wie jede moderne Kamera mit gehobener Ausstattung ist auch die Canon EOS RP mit Drahtlosfunktionen ausgestattet. Dazu stehen vier Optionen zur Verfügung. Eine besteht darin, Bilder per WLAN zu einem Drucker zu senden, um sie dort ausdrucken zu lassen. Eine weitere Option lädt die Bilder direkt in die Canon Irista Cloud hoch (siehe weiterführende Links). Dabei ist zu beachten, dass zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Testberichts 15 Gigabyte Speicher kostenlos sind und zusätzlicher Speicher hinzugekauft werden muss.

Eine weitere Option erlaubt es, die Kamera mit einem Computer über ein vorhandenes Netzwerk zu verbinden. Voraussetzung dafür ist, dass das die Software EOS Utility auf dem Rechner installiert ist. Damit können dann Bilder und Videos übertragen werden. Auch das Fernauslösen der Kamera ist möglich. Natürlich lässt sich die Kamera auch problemlos über die kostenlose Canon Remote App mit einem Smartgerät (Tablet oder Smartphone mit Android oder iOS) verbinden. Dabei nutzt die Kamera entweder die Bluetooth-Funktion wenn wenige Daten übertragen werden sollen, wie zum Beispiel bei der Übertragung der Positionsdaten. Wenn es um mehr Daten geht, wie zum Beispiel dem Einsatz der Live-View-Fernbedienung, dann kommt die weniger energiesparende WLAN-Funktion zum Einsatz. Die Kopplung der Kamera mit der kostenlosen App gestaltet sich sehr einfach und selbsterklärend. Die App ist übersichtlich und logisch aufgebaut, und damit recht einfach zu handhaben.

Bildqualität

Neben dem ausführlichen redaktionellen Praxistest haben wir die EOS RP natürlich auch in unserem Labor getestet. Als Objektiv wurde, wie bereits erwähnt, das Set-Objektiv 24-105 mm F4 L IS USM getestet. Den gesamten Test finden unsere Leser in unserer Labortest-Rubrik gegen eine kleine Gebühr, die auch dazu eingesetzt wird diese kostenlose Kameratest-Rubrik zu finanzieren.

Der Sensor, der in der EOS RP seinen Dienst versieht, ist ein 36 x 24 mm großer CMOS-Sensor mit einer effektiven Auflösung von 26,2 Megapixel. In der Werkseinstellung hat Canon die Objektivfehlerkorrektur nicht aktiviert, das Ergebnis zeigt das auch deutlich. Mit einer deutlich tonnenförmigen Verzeichnung präsentiert sich der Weitwinkelbereich und eine ebenfalls deutliche Kissenform wird im Telebereich dargeboten. Die Stärke beider Verzeichnungen ist im Randbereich ist auch vom ungeübten Auge erkennbar. Dafür ist die Vignettierung ist in fast allen Brennweitenbereichen sehr gering. Lediglich bei offener Blende im Weitwinkel ist die Vignettierung in den Ecken möglicherweise sichtbar. Chromatische Aberrationen sind in keiner Brennweite ein Problem.

Die Bildaufbereitung in Sachen Bildschärfe ist sehr gut. Die Schärfenartefakte sind gering und die Auflösung liegt bei maximal 64 Linienpaaren pro Millimeter im oberen Bereich. In Kombination lässt sich also sagen, dass die Kamera nur wenig nachschärfen muss, um gute Auflösungswerte zu erreichen. Das wird auch von der Texturschärfe bestätigt, die in niedrigen ISO-Empfindlichkeiten bei dem optimalen Wert von 1 liegt. Mit höheren ISO-Werten nimmt die Texturschärfe erwartungsgemäß ab und ab etwa ISO 3.200 fangen Bilder an, feine Details zu verlieren und eine sichtbare Unschärfe zu zeigen.

Der für das Bildrauschen aussagekräftige Signal-Rauschabstand ist dank des großen Sensors gut. Bis ISO 12.800 wird die kritische Grenze von 35 dB nicht unterschritten. Dies markiert zugleich auch den Punkt, wo das Helligkeitsrauschen sichtbar wird und stetig zunimmt. Farbrauschen ist wie üblich bei modernen Kameras mit entsprechenden Rauschunterdrückungsalgorithmen kein großes Problem über die verschiedenen ISO-Einstellungen.

Die Tonwertübertragung zeigt eine sehr bauchige Ausprägung in den Mitteltönen. Dass ist das übliche Verhalten für Kameras, deren Bilder gleich für die Präsentation eingesetzt werden sollen. Bildbearbeiter werden sowieso Rohdaten als Basis für die Bilbearbeitung einsetzen. Die Eingangsdynamik ist bis ISO 12.800 hoch und beim korrespondierenden Ausgangs-Tonwertumfang schlägt der Bildprozessor zu und liefert bis etwa ISO 800 sehr gute Ergebnisse. Bei der Farbabweichung schlägt sich die EOS RP nicht ganz so gut. Im Durchschnitt ist die Farbabweichung zwar gering, aber die maximalen Abweichungswerte sind deutlich. Besonders Farben im Magenta-Bereich werden sehr in den Orange-Roten-Farbbereich verschoben. Das Gleiche gilt auch für den Gelbgrünen Bereich.

Fazit

Mit der EOS RP zeigt Canon deutlich, dass sie nicht nur Profi können, sondern auch ambitionierter Amateur. Mit nahezu der Performanz eines Vollformat-Profis bietet die RP dem Fotografen ein leicht zu bedienende, umfangreich ausgestattete und qualitativ über (fast) jeden Zweifel erhabene spiegellose Systemkamera. Leider hindern kleinste Details ein wenig den Aufstieg in höchste Sphären. Darunter fallen auf jeden Fall die sehr versteckte Belichtungsreihen-Funktion sowie der unglaublich große und damit sehr nervige Sensorbereich des Augensensors zur automatischen Umschaltung zwischen Sucher und Monitor. Auch die von Haus aus geringe Gehäusehöhe ist nicht jedermanns Sache und so empfiehlt sich gegebenenfalls der kleine Handgriff, wenn man etwas größere Hände besitzt. Für 4K-Videoaufnahmen ist die kleine Canon ebenfalls eher suboptimal geeignet.

Nichts zu bemängeln gibt es an der Benutzerführung, das Bedienkonzept ist leicht erlernbar und logisch strukturiert. Auch die Integration der Touchscreen-Funktion ist gelungen. Das einfache Handling setzt sich dann bei der Konnektivität der Kamera fort. Wirklich verwunderlich ist es nur, dass die RP zwar eine USB-C-Schnittstelle benutzt, aber keine USB-3.0 Geschwindigkeit bietet. Alles in allem ist die Canon EOS RP eine klare Kaufempfehlung für Einsteiger mit Ambitionen, sehr ambitionierte Amateure und sogar als Zweitbody für Profis.

Kurzbewertung

  • Sehr gutes Handling
  • Gehobene Ausstattung
  • Schneller Autofokus
  • Flexibel beweglicher Bildschirm mit guter Touchscreen-Integration
  • Einfache Wireless-Konnektivität
  • Eingeschränkte 4K-Videofunktion
  • "Versteckte" Funktionsdetails
  • Wählerische USB-Ladefunktion

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Steckbrief

Hersteller Canon
Modell EOS RP
Sensor CMOS Kleinbild 36,0 x 24,0 mm (Cropfaktor 1,0)
27,1 Megapixel (physikalisch)
26,2 Megapixel (effektiv)
Pixelpitch 5,7 µm
Auflösung (max.) 6.240 x 4.160 (3:2)
Video (max.) 3.840 x 2.160 25p
Objektiv Canon RF 24-105 mm 4 L IS USM (Zoom-Objektiv)
Videosucher EVF, 100 % Bildfeldabdeckung, 2.360.000 Bildpunkte Auflösung, 0,70-fache Vergrößerung (Sensor-bezogen), Dioptrienausgleich (-4,0 bis 1,0 dpt)
Monitor 3,0" (7,5 cm)
  Auflösung 1.040.000 Bildpunkte
  kippbar
  drehbar ja
  schwenkbar ja
  Touchscreen ja
AV-Anschluss HDMI-Ausgang Micro (Typ D)
Vollautomatik ja
Motivautomatik ja
Motivprogramme 12
Programmautomatik ja
Programmshift ja
Blendenautomatik ja
Zeitautomatik ja
Manuell ja
Bulb-Langzeitbelichtung ja
HDR-Funktion ja
Panoramafunktion nein
Belichtungsmessung Matrix/Mehrfeld-Messung (384 Felder), Mittenbetonte Integralmessung, Spotmessung
kürzeste Verschlusszeit 1/4.000 s
Blitz
  Synchronzeit 1/180 s
  Blitzanschluss Blitzschuh: Canon, Standard-Mittenkontakt
WLAN ja
NFC
GPS extern, kabelgebunden oder Aufsteck-Empfänger, Smartphone Verbindung
Fernauslöser ja, Kabelauslöser, Bluetooth-Auslöser, Fernsteuerung über Smartphone/Tablet
Intervallaufnahme ja
Speichermedium
SD (SDHC, SDXC, UHS I, UHS II)
  automatisch ISO 100-40.000
  manuell ISO 50-102.400
  automatisch ja
  manuelle Messung ja
  Kelvin-Eingabe ja
  Feinkorrektur ja
Autofokus ja
  Anzahl Messfelder 4.779
  Geschwindigkeit 0,26 s bis 0,35 s
  AF-Hilfslicht LED
Abmessungen 132 x 85 x 70 mm
Gewicht (betriebsbereit) 485 g (nur Gehäuse)
1.246 g (mit Objektiv)
Stativgewinde in optischer Achse
  Zoomverstellung manuell am Objektiv
Akkulaufzeit 250 Aufnahmen (gem. CIPA-Standard)

DXOMARK Logo

Die Bildqualität in unseren Tests ermitteln wir seit 2011 mit DXOMARK Analyzer.

Autor

Harm-Diercks Gronewold

Harm-Diercks Gronewold, 52, ist gelernter Fotokaufmann und hat etliche Jahre im Fotofachhandel gearbeitet, bevor er 2005 in die digitalkamera.de-Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Produktdatenbanken, Bildbearbeitung, Fototipps sowie die Berichterstattung über Software und Zubehör. Er ist es auch, der meistens vor der Kamera in unseren Videos zu sehen ist und die Produkte vorführt.