Spiegelreflexkamera, Systemkamera

Testbericht: Nikon D750

2014-10-14 Bei Nikon klaffte bislang eine Lücke im Angebot der DLSRs mit Vollformat-Sensor (FX-Format): Der Einstieg in die Kleinbildklasse beginnt mit der etwas abgespeckten D610, das nächsthöhere Modell D810 war ein 36-Megapixel-Bolide der 3000-Euro-Klasse. Ab sofort sitzt zwischen diesen beiden Modellen die D750, die viele Funktionen und die meiste Technik von der D810 übernimmt, jedoch wie die D610 mit einem 24-Megapixel Sensor im Kleinbildformat auskommt. Das mag auf den ersten Blick wenig innovativ wirken, doch Nikon hat der D750 eine Reihe von interessanten Neuerungen spendiert. Ein neu gestaltetes Kameragehäuse etwa oder das verbesserte AF-Modul Multi-CAM 3500 II. Zudem ist die D750 die erste Vollformat-Kamera von Nikon, die ein Klappdisplay zu bieten hat. digitalkamera.de hatte bereits Gelegenheit, den Neuzugang in der FX-Familie gehörig auf den Zahn zu fühlen – in der Praxis und im Testlabor.  (Martin Vieten)

Ergonomie und Verarbeitung Auf den ersten Blick wirkt die D750 wie jede andere professionelle DSLR von Nikon auch: groß, wuchtig, robust. Doch nimmt man die neue Kleinbildkamera in die Hand, spürt man sogleich, dass Nikon hier etwas verändert hat. Der Handgriff ist nicht mehr so breit wie gewohnt, dafür jetzt noch weiter nach vorne gezogen. Und er ist so hoch, dass ihn auch der kleine Finger der Greifhand noch fest umschließen kann. Dadurch liegt die Kamera trotz ihres ordentlichen Gewichts von 1,5 Kilogramm mitsamt Objektiv AF-S 24-120 mm 4 G ED VR gut in der Hand. So gut sogar, dass sie sich für eine Weile auch einhändig halten lässt.

Ein Fliegengewicht ist die D750 indes nicht, obwohl Nikon für das Gehäuse leichte Materialen wie eine Aluminium-Magnesium-Legierung und Karbon verwendet. Anderseits wirkt die Kamera robust wie für die Ewigkeit gebaut und wird auch harte Einsätze klaglos überstehen. Dabei darf es ruhig auch feucht zugehen, die D750 ist gegen Spritzwasser geschützt. Und so verschwindet das Anschlussterminal auf der linken Seite mit Buchsen für eine Fernbedienung, Kopfhörer, USB, HDMI etc. unter drei fest schließenden Gummiklappen. An der rechten Seite verbergen sich unter einer stabilen Klappe gleich zwei Schächte für SD-/SDHC-/SDXC-Speicherkarten. Wahlweise erweitern sie die Speicherkapazität, eine zweite Karte lässt sich aber auch als Backup-Speicher verwenden. Robust geht es auch an der Unterseite der Kamera zu, wo ein Akku mit einer Reichweite von mehr als 1.200 Aufnahmen eingeschoben wird. Das Stativgewinde hat Nikon lehrbuchmäßig in der optischen Achse angeordnet, dennoch sitzt es derart weit vom Akkuschacht entfernt, dass dieses bei angesetzter Schnellwechselplatte zugänglich bleibt.

Bei der Anordnung der Bedienelemente macht Nikon keine Experimente. Auf der linken Schulter der D750 thront ein klassisches Programmwählrad, das mit einer Sperre gegen versehentliches Verstellen gesichert ist. Darunter sitzt ein Einstellring für den Bildfolgemodus, auch er ist mit einer Sperre versehen. Das Hauptmenü sowie weitere Einstellmöglichkeiten werden mit einer Tastenreihe links vom Display aufgerufen, die Kamera ist also durchaus auf beidhändige Bedienung ausgelegt. Die rechte Schulter wird von einem großzügig bemessenen Statusdisplay eingenommen. Auslöser und Hauptschalter sitzen auf der Oberseite der Griffwulst, wo sie für den Zeigefinger der rechten Hand leicht erreichbar sind. Gut erreichbar sind auch die rückwärtigen Bedienelemente wie die Vierwege-Wippe zu Navigation oder der Live-View-Umschalter.

Die Freude am Umgang mit der Kamera bleibt auch im Einsatz bestehen. Dazu trägt zum Beispiel der klassische Spiegelreflex-Sucher bei, der ein ausgesprochen klares und großes Sucherbild erzeugt. Die Informationsfülle mag bei einem elektronischen Sucher größer sein, doch auch der optische Sucher der Nikon D750 geizt nicht gerade mit Angaben; sogar eine einfache Wasserwaage oder Gitterlinien lassen sich auf Wunsch einblenden. Noch detailliertere Informationen kann die D750 anzeigen, wenn sie sich im Live-View-Modus befindet. Dann blendet sie auf Wunsch zum Sucherbild diverse Hilfsmittel auf dem Display ein, etwa einen künstlichen Horizont, mit dessen Hilfe sich die Kamera in zwei Achsen korrekt ausrichten lässt. Das Display besticht durch seine Größe von 3,2 Zoll (Diagonale) und einer sehr hohen Auflösung. Überdies ist es mit einer RGBW-Matrix versehen, zusätzliche weiße Subpixel lassen es in heller Umgebung besonders kräftig leuchten.

Viel wichtiger aber ist, dass die D750 mit einer Neuerung aufwartet, auf die viele Interessenten für eine Nikon-Kleinbildkamera schon lange gewartet haben: Das Display lässt sich um jeweils ca. 90 Grad nach oben und unten klappen. Im Live-View-Betrieb ist das eine äußerst praktische Sache – etwa bei bodennahen Fotos oder Über-Kopf-Aufnahmen. Nikon hat seinen professionellen Kameras ein Klappdisplay bislang mit dem Hinweis verweigert, dass die Scharniere eine potentielle Schwachstelle darstellen könnten. Das allerdings muss man bei der D750 keineswegs befürchten: Der Mechanismus ist wie die gesamte Kamera sehr solide konstruiert und wird sicherlich erst beim Einsatz brachialer Gewalt zu Bruch gehen.

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Dank der vielen dedizierten Bedienelemente wird bei der Konfiguration der Nikon D750 selten ein Besuch der Menüs nötig. Das ist auch gut so, denn insbesondere das Hauptmenü ist nicht zuletzt wegen der Fülle der Einträge nicht immer übersichtlich. Aber die Übersichtlichkeit leidet auch an langen Listen, die man bisweilen durchblättern muss. Zum Glück gibt es bei der D750 eine „Mein Menü“-Funktion, mit der man sich sein ganz persönliches Menü mit den besonders häufig benötigten Befehlen zusammenstellen kann. Überdies lassen sich viele der Knöpfe und Tasten mit individuellen Funktionen belegen. Schön ist zudem, dass die D750 mit einer brauchbaren Hilfe-Funktion aufwartet, die auf Knopfdruck Erläuterungen zu vielen Befehlen liefert. Dennoch könnte Nikon die Bedienung weiter vereinfachen, etwa mit einem frei konfigurierbaren Schnellmenü.

Ausstattung Bei der Ausstattung der D750 ist Nikon augenscheinlich der Devise „das Beste aus zwei Welten“ gefolgt. Sie übernimmt einerseits weitgehend die Technik der professionellen D810, bietet aber auch Funktionen, die Nikon den reinrassigen Profimodellen verwehrt. Dazu gehört etwa eine rundum-sorglos-Automatik. Sie gestattet allerdings nur wenige Eingriffsmöglichkeiten. Darunter etwa die Möglichkeit, den Bordblitz gezielt abzuschalten oder die Wahl der AF-Felder. Wer will, kann der D750 auch gezielt eines von 16 Motivprogrammen vorgeben – etwa „Portrait“, „Tiere“ oder „Landschaft“. Somit eignet sich Nikons jüngster Vollformat-Streich durchaus auch für weniger versierte Fotografen, die auf Knopfdruck ansprechende Bildergebnisse erwarten. Für spielerische Naturen hält die Nikon D750 sieben Effektoptionen bereit, bei denen es aber kaum Eingriffsmöglichkeiten gibt.

Ihr volles Potential bringt die D750 natürlich erst ins Spiel, wenn man die Vollautomatiken hinter sich lässt. Die Möglichkeiten, die die Kamera dann bietet, sind derart vielfältig, dass man kaum jemals etwas vermissen wird. Gut, die D810 erlaubt eine kürzeste Verschlusszeit von 1/8.000 Sekunde, bei der D750 ist es 1/4.000 Sekunde. Dafür wartet die D750 mit einer echten Intervallfunktion auf, die bis zu 9.999 Fotos in festlegbaren Abständen aufnimmt und sogar die Vorgabe einer Startzeit zulässt. Sehr detailliert sind überdies die Anpassungsmöglichkeiten für die ISO-Automatik. Sie erlaubt nicht nur die Vorgabe eines maximalen Empfindlichkeitswertes sondern auch die der längsten Verschlusszeit, die nicht überschritten werden darf. Die ISO-Automatik funktioniert übrigens auch im Modus M, dann steuert die D750 die korrekte Belichtung bei einer fix vorgegebenen Zeit-/Blendenkombination über den ISO-Wert. Von den Profi-Modellen D810 und D4S übernimmt die Nikon D750 einen RGB-Sensor mit 91.000 Pixel Auflösung zur Belichtungsmessung. Diese Auflösung reicht für die automatische Gesichtserkennung und erleichtert es dem Nachführ-AF, ein einmal erkanntes Action-Motiv im Fokus zu halten.

Laut Nikon schießt die D750 im Serienbildmodus 6,5 Fotos pro Sekunde (fps) und wäre damit abgesehen von der kostspieligen D4S das schnellste Pferd im FX-Format-Stall. Im Test von digitalkamera.de galoppierte die D750 sogar noch schneller als vom Hersteller versprochen. Bei JPEG-Aufnahmen waren es 6,6 fps, im Raw-Format sogar 7,1. Bei JPEG-Serien hält die Kamera das hohe Tempo für 44 Aufnahmen (rund 6,6 Sekunden) durch. Wird in Raw aufgezeichnet, ist allerdings schon nach zwölf Aufnahmen Schluss mit dem Galopp. Dann verfällt die D750 in eine sehr gemächliche Gangart mit nur noch 1,5 fps bei JPEG-Aufnahmen und 0,9 fps bei Raw-Aufzeichnung. Offensichtlich ist für diesen langsamen Dauerlauf ein nicht sonderlich schneller Speicherbus verantwortlich. Um zum Beispiel 78 Serien-JPEGs wegzuschreiben, brauchte die D750 fast eine halbe Minute. Insgesamt ist sie zwar flott, für Sport- und Actionfotografen aber keine Alternative zur Nikon D4S.

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