Spiegellose Systemkamera, Systemkamera

Testbericht: Nikon 1 J5

2016-02-08 Beim jüngsten Modell im spiegellosen Kamerasystem 1 bricht der Hersteller Nikon nicht nur mit dem Design der Vorgängermodelle, sondern stellt auch das Bedienkonzept um. Endlich sind die klassischen Kreativprogramme P, A, S und M einfach erreichbar und die Parameter lassen sich mit Hilfe von gleich zwei Daumenrädern schnell anpassen. Zudem kommt erstmals ein rückwärtig belichteter, 20 Megapixel auflösender CMOS-Sensor zum Einsatz, der eine bessere Bildqualität verspricht.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Mit lediglich zehn mal sechs mal drei Zentimetern fällt die Nikon 1 J5 für eine spiegellose Systemkamera äußerst kompakt aus und misst sich eher mit Kompaktkameras, denen sie eine Konkurrenz beziehungsweise zu denen sie ein Aufsteigermodell sein soll. Mit dem Setobjektiv 10-30 mm PowerZoom wird die Kamera indes doppelt so dick, nun wollen zehn mal sechs mal sechs Zentimeter verstaut werden. Doch mit betriebsbereiten 340 Gramm bleibt diese Kombination angenehm leicht. Das liegt nicht zuletzt am großzügigen Einsatz von Kunststoff als Gehäusematerial sowohl bei der Kamera als auch beim Objektiv. Lediglich die Bajonette sowie das in der optischen Achse angeordnete Stativgewinde bestehen aus Metall.

Die großzügige Belederung der Frontseite inklusive des Handgriffs und der Daumenauflage sorgt für einen Hauch mehr Hochwertigkeit, insgesamt wirkt die Kamera aber auch keineswegs billig. Die Gehäuseteile sind passgenau zusammenmontiert, nichts knarzt oder gibt nach. So eine kompakte Systemkamera füllt freilich keine große Männerpranke aus, der kleine Griff sorgt aber dennoch zusammen mit der Belederung dafür, dass man die J5 ganz gut halten kann. Auf der Unterseite ist über eine Klappe der Lithium-Ionen-Akku zugänglich, der extern geladen wird und für 250 Aufnahmen nach CIPA-Standard reicht. Das Speicherkartenfach befindet sich ebenfalls hinter dieser Klappe und nimmt nur die etwas fummeligen Micro-SD-Karten auf. Die gibt es immerhin mit bis zu 200 GByte Speicherkapazität. Überträgt man die Bilder per USB oder WLAN, so entfällt das fummelige Hantieren mit der Speicherkarte.

Das Ein- und Ausschalten erfolgt mittels des kleinen Hebels am Auslöser. Das obere Daumenrad ist gut erreichbar, in seiner Mitte befindet sich der Videoaufnahmeknopf. Auf der Rückseite gibt es neun weitere Tasten, fünf davon bilden eine Vierwegewippe mit zentralem Bestätigungsknopf. Außen herum ist das zweite Rad angeordnet, das sich leidlich gut bedienen lässt. Bei zu wenig Druck rutscht der Daumen über das Rad, bei zu viel Druck drückt man die Taste unter dem Rad. Nicht übersehen sollte man den kleinen Fn-Knopf auf der Vorderseite neben dem Bajonett. Dieser lässt sich sehr gut mit dem Ringfinger erreichen.

Auf einen Sucher muss man bei der Nikon 1 J5 verzichten, dafür gibt es ein 7,5 Zentimeter großes Display mit feinen 1,04 Millionen Bildpunkten Auflösung. Es handelt sich um einen Touchscreen, der die punktgenaue Fokussierung auf ein Motivdetail mittels Fingertipper erlaubt. Zudem sind zahlreiche andere Funktionen auf Wunsch direkt mit dem Finger auf dem Bildschirm alternativ zur Tastenbedienung steuerbar. Trotz des schlanken Gehäuses ist der Bildschirm in einem enormen Winkelbereich klappbar. Einerseits lässt er sich für Über-Kopf-Aufnahmen um über 80 Grad nach unten klappen, zum anderen erlaubt der Mechanismus aber auch ein Hochklappen um 180 Grad. Das ermöglicht (bei 90 Grad) bodennahe Aufnahmen mit bequemem Blick auf den Bildschirm, bei 180 Grad gelingen Selfies problemlos.

Das kompakte 10-30mm-Zoom deckt aufgrund des 13,2 mal 8,8 Millimeter kleinen CMOS-Sensors (1 Zoll Typ) eine kleinbildäquivalente Brennweite von 27 bis 81 Millimeter ab. Gezoomt wird rein elektronisch mit Hilfe des Rings am Objektiv. Das Zoom reagiert äußerst schnell und durchfährt innerhalb einer halben Sekunde den gesamten dreifachen Zoombereich. Bei langsamen Bewegungen hingegen kann die Brennweite stufenlos in kleinsten Schritten eingestellt werden. Leider wird jedoch die Brennweite nicht auf dem Bildschirm eingeblendet, lediglich eine Balkengrafik lässt die Vergrößerung erahnen. Der Autofokus arbeitet dank seiner 171 Messpunkte, darunter auf dem Sensor integrierte Phasen-AF-Sensoren, mit gut 0,2 Sekunden rasant, manuell jedoch lässt sich weniger gut scharf stellen. Als Schärfering dient nämlich besagtes, schlecht griffiges Daumenrad, während der Objektivring weiterhin das Zoom verstellt und das obere Daumenrad die Vergrößerung der Lupe. Fokus-Peaking als Fokussierhilfe fehlt leider.

Die Menüs gestalten sich relativ übersichtlich, vor allem auch, weil sie nicht allzu viele Einstellungen erlauben. Der Fn-Taste lässt sich eine individuelle Funktion zuweisen, wobei hier wahrscheinlich die ISO-Empfindlichkeit schon eine ganz sinnvolle Vorbelegung darstellt. Die F-Taste auf der Rückseite ruft ein kleines Schnellmenü auf den Bildschirm für die wichtigsten Aufnahmeeinstellungen wie etwa den Weißabgleich, den Fokusmodus oder die Belichtungsmessung. Schmerzlich vermisst haben wir hingegen eine Taste zur Einstellung der Displayeinblendungen. Leider lassen sich weder die Anzeige für einen klaren Blick auf das Motiv ausblenden, noch gibt es ein Livehistogramm oder eine Wasserwaage. Immerhin lassen sich Gitterlinien per Menübefehl dauerhaft ein- oder ausblenden. Allerdings erscheint die 4x4-Einteilung nicht besonders hilfreich. Linien für den goldenen Schnitt wären besser gewesen. Die Kreativprogramme sind dank des neu gestalteten Programmwählrads deutlich einfacher zu erreichen. Hinter den Kreativmodi verstecken sich übrigens nicht nur reine Filtereffekte, sondern beispielsweise auch der Schwenkpanoramamodus und die HDR-Funktion.

Ausstattung

Dass die Kreativprogramme zur halbautomatischen oder manuellen Steuerung der Belichtung nun auf das Programmwählrad gewandert sind, heißt nicht, dass die Kamera nur noch für Profis gedacht ist. Die innovativen Automatiken und insbesondere Sportaufnahmeprogramme sind weiterhin in der 1 J5 verbaut. In der Vollautomatik braucht sich der Fotograf sogar um gar keine weiteren Einstellungen kümmern, nur noch der Zoomring sowie der Auslöser sind zu bedienen. Der Sportmodus erlaubt 10, 20, 30 oder 60 Serienbilder pro Sekunde bei voller Auflösung, gespeichert werden allerdings nur die ersten 20 Aufnahmen. Diese Serienbildraten stehen übrigens auch in den Kreativprogrammen zur Verfügung. Der Bewegte Schnappschuss hingegen erscheint eher als eine Art Spielerei. Neben einem Foto wird auch eine kurze Videosequenz aufgenommen, die den Moment der Fotoaufnahme bewegt festhalten soll. In der Wiedergabe wird das Video mit einer Melodie anstelle des Originaltons unterlegt.

Hinter der Funktion Best Moment Capture hingegen verbergen sich nützliche Funktionen, die es dem Fotografen erleichtern, bei der Aufnahme den richtigen Moment zu erwischen. So werden Serienbilder anstelle eines Einzelbilds aufgenommen, und zwar schon bevor der Fotograf den Auslöser drückt. Sollte man diesen also zu spät betätigt haben, lässt sich in der Wiedergabe ein anderes Bild als Hauptbild der Sequenz aussuchen. Hinter der Kreativfiltereinstellung verbergen sich, wie bereits erwähnt, nicht nur verschiedene Filtereffekte wie Miniatur, Spielzeugkamera, Retro, Fisheye, Sterneneffekt etc., sondern auch echte, nützliche Aufnahmeprogramme. HDR etwa nimmt mehrere unterschiedlich belichtete Bilder auf und vereint sie zu einem Foto mit Zeichnung in normalerweise ausgebrannten Lichtern und schwarzen Tiefen. Das funktioniert erstaunlich gut. Eine echte Belichtungsreihenfunktion fehlt der 1 J5 hingegen leider. Etwas anspruchsvoller ist hingegen die Schwenkpanoramafunktion. Man sollte weder zu schnell, noch zu langsam schwenken und dabei möglichst auch nicht nach oben und unten wackeln, denn letzteres verursacht Fehler beim Zusammensetzen.

Dank des elektronischen Verschlusses löst die Nikon 1 J5 absolut lautlos aus und belichtet zudem noch mit bis zu 1/16.000 Sekunde kurzer Verschlusszeit. Schnell bewegte Motive können dabei allerdings durch den Rolling-Shutter-Effekt etwas verzerrt wiedergegeben werden. Mangels Global Shutter ist auch die Blitzsynchronzeit mit 1/60 Sekunde ziemlich schlecht. Vor allem in hellen Umgebungen bekommt man Probleme, den kleinen eingebauten Blitz als Aufheller zu verwenden, zumal er mit einer Leitzahl von 5 recht leistungsschwach daher kommt. Eine externe Blitzanschlussmöglichkeit bietet die 1 J5 leider nicht. Immerhin kann am Anfang oder am Ende der Belichtung geblitzt werden, mit längeren Belichtungszeiten synchronisiert der Blitz ohnehin. Wer möchte, kann die Blitzleistung sogar in sechs Leistungsstufen (1/32 bis 1) manuell regeln. Bei Bulb-Langzeitbelichtungen ergibt sich übrigens ein weiterer Nachteil des elektronischen Verschlusses: Die maximale Belichtungszeit liegt bei lediglich zwei Minuten.

Videos nimmt die Nikon 1 J5 maximal in 4K-Auflösung auf. Das klingt im ersten Moment toll, allerdings sind bei der Auflösung maximal 15 Bilder pro Sekunde möglich, wodurch die Videos unansehnlich ruckelig werden. Deutlich flüssiger gelingen Full-HD-Videoaufnahmen mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde. Den Fokus führt die J5 dabei genauso wie die Belichtung sehr schnell und quasi unhörbar nach. Der Stereoton wird über das integrierte Mikrofon aufgenommen, das links und rechts vom Blitz sitzt. Die Nikon beherrscht aber auch Spezialitäten wie Zeitlupen- und Zeitrafferfilme. Bei Zeitlupen beträgt die Auflösung allerdings nur noch 800x533 oder 400x144 Pixel mit einem 8:3-Breitbildformat. Die Aufnahmen erfolgen dabei mit 400 oder sogar 1.200 Bildern pro Sekunde. Erreicht werden diese erweiterten Videomodi über das Videoprogramm auf dem Wahlrad. Dank der Videoaufnahmetaste sind jedoch auch jederzeit Videoaufnahmen möglich, kleine Markierungen auf dem Bildschirm zeigen sogar schon vor dem Drücken der Videoaufnahmetaste den späteren Bildausschnitt an.

Wer übrigens gerne Bilder nach der Aufnahme noch bearbeiten möchte, ich bei Nikon an der falschen Adresse. Nur ein Verkleinern sowie ein Beschnitt sind möglich und Nikons eigene Active-D-Lighting-Funktion zur Schattenaufhellung lässt sich noch nachträglich auf ein Bild anwenden. Immerhin lassen sich Filme kürzen, Rohdatenbilder hingegen können nicht bearbeitet beziehungsweise in ein JPEG gewandelt werden. Dank eingebauten WLANs lassen sich Bilder drahtlos an Smartphones und Tablets übertragen. Sofern diese über einen NFC-Chip verfügen, gelingt sogar die Verbindungseinstellung sehr einfach. Mit Hilfe der entsprechenden App für Android und iOS lässt sich zudem die Kamera samt Livebildübertragung fernauslösen. Von einer Fernsteuerung kann mangels weiterer Einstelloptionen aber nicht die Rede sein. Hier hinkt Nikon den anderen Herstellern weit hinterher.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.