Top und Flop nah beieinander

Triple-Kamera des Huawei P20 Pro auf Bildqualität getestet

2018-05-15, aktualisiert 2018-06-08 Mit der Triple-Kamera des P20 Pro will Huawei die Smartphone-Fotografie revolutionieren. Neben einer F1,8 lichtstarken Weitwinkel-Kamera mit satten 40 Megapixeln Auflösung auf einem für Smartphones ungewöhnlich großen aber für Digitalkameraverhältnisse relativ kleinen 1/1,7" Bildsensor sind dafür auch eine F1,6 lichtstarke Schwarz-Weiß-Kamera mit 20 Megapixeln Auflösung auf einem kleinen 1/2,3"-Sensor sowie eine F2,4 lichtstarke Telekamera mit dreifacher Brennweite und acht Megapixeln Auflösung verbaut. Ob die drei Kameras im Verbund tatsächlich so gut sind, haben wir in unserem Testlabor untersucht.  (Benjamin Kirchheim)

Hinweis Leider hat sich herausgestellt, dass das P20 Pro in unserem Test nicht auf die Telekamera umgeschaltet hat. Auf ein neues Testgerät mussten wir etwas warten, um das genauer zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass das P20 Pro im Pro-Modus der Kamera die Telelinse nicht zum Zoomen verwendet, sondern immer das Digitalzoom. Nur bei Verwendung des Automatikmodus, in dem leider mangels festlegbarer ISO-Empfindlichkeit kein Labortest möglich ist, schaltet das P20 Pro ab Entfernungen von rund einem Meter auf die Telekamera um. Darum gelten die Aussagen im folgenden Test ausschließlich für die Weitwinkelkamera und das Digitalzoom. Mit Telelinse kann folglich nur "geknipst" werden, Foto-Interessierte haben, anders als bei einer normalen Zoom-Digitalkamera, keine Möglichkeit, kreativ in die Aufnahmefunktion der Telekamera einzugreifen. Siehe auch unsere Anmerkungen im Follow-Up zu diesem Test.

Die Kamera des sehr gut verarbeiteten Huawei P20 Pro steht deutlich aus der Rückseite des Gehäuses heraus, was regelrecht als Störfaktor wirkt. Nicht nur, dass die Kamera damit exponiert und kratzanfällig auf dem Tisch liegt, das Smartphone wackelt dadurch auch noch hin und her. Eine entsprechend dicke Hülle behebt das Problem, verdeckt aber die edle Verarbeitung. Auch im Labor galt es, einige Hürden der Kamera zu überwinden. So fehlt leider ein mechanischer Auslöser, den man weiterhin nur bei Sony bekommt. Ohne ihn sind aber keine zuverlässigen Messungen des Autofokus und der Auslöseverzögerung möglich. Zum Glück ist das verschmerzbar, denn das P20 Pro löst ohnehin schnell genug aus, sodass man hier nicht meckern kann und auch nicht zwingend Zahlen zum Belegen benötigt.

Interessant ist, wie weit die Bildqualität des P20 Pro vor der der Konkurrenz liegen soll – behaupten jedenfalls Huawei und auch DxO Mark Mobile. Doch schon beim ersten Ausprobieren, wie man die Kamera am besten für den Labortest einstellt, zeigt sich, dass es die optimale Bildqualität vermutlich nicht in allen Einstellungen gibt. Sobald man beispielsweise das Zoom verwenden möchte, muss die Auflösung von 40 auf zehn Megapixel heruntergeschraubt werden. Auch die ISO-Empfindlichkeit ist im manuellen Modus auf maximal 6.400 beschränkt, und zwar, anders als von uns gedacht, bei 40 und zehn Megapixeln gleichermaßen. Die versprochenen ISO 102.400 scheint es nur in der Automatik zu geben, die wir aber im Labor mit unseren Mitteln nicht testen können.

Interessanterweise gibt es zwischen ISO 50 und 100 sowie 1.600 und 3.200 im Gegensatz zum restlichen Empfindlichkeitsbereich keine Einstellungen in Drittelstufen. Wir können uns das nur so erklären, dass der Sensor der Hauptkamera eine Grundempfindlichkeit von ISO 100 besitzt und darunter daher keine Drittelstufen angeboten werden, das ist auch bei vielen normalen Digitalkameras üblich. Oberhalb von ISO 1.600 beziehungsweise ab ISO 3.200 hingegen scheint die Schwarz-Weiß-Kamera einen wesentlichen Anteil zur Bildqualität beizusteuern, sodass vielleicht dadurch im "Zwischenbereich" die Drittelstufen fehlen.

Das Zoom des P20 Pro arbeitet übrigens stufenlos und bietet sogar einen angeblich verlustfreien fünffachen Zoomfaktor. Die Zwischenstufen zwischen den beiden Festbrennweiten muss das P20 Pro aber irgendwie interpolieren, denn bereits bei einem zweifachen Zoomfaktor bleiben von 40 Megapixeln nur noch zehn Megapixel übrig. Anders als üblich, haben wir uns daher dazu entschlossen, vier statt drei Zoomstufen zu testen: 1x, 2x, 3x und 5x beziehungsweise in kleinbildäquivalenten Brennweiten ausgedrückt: 27, 54, 81 und 135 Millimeter. Dabei erfolgte die Messung bei 27 mm mit voller 40-Megapixel-Auflösung, die anderen Brennweiten hingegen mit zehn Megapixeln, anders bietet das P20 Pro es schließlich nicht an. Übrigens spielt die 40-Megapixel-Hauptkamera bei allen Zoomstufen eine Rolle, denn bei Teleaufnahmen blendet das P20 Pro nach der Aufnahme den Hinweis ein, man möge das Smartphone bitte ruhig halten, damit die Bildschärfe verbessert werden kann. Wir waren also durchaus gespannt auf unsere Laborergebnisse, die über die weiterführenden Links übrigens kostenlos eingesehen werden können.

Optische Fehler wie Randabdunklung, Verzeichnung oder Farbsäume spielen praktisch keine Rolle, sie bewegen sich auf minimalem Niveau. Bei der Auflösung hingegen gibt es himmelweite Unterschiede zwischen den Zoomstufen. Im Weitwinkel maßen wir im Bildzentrum bei 50 Prozent Kontrast eine kleinbildäquivalente Auflösung von knapp 108 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) – das ist ein absoluter Rekord und schlägt nicht nur die besten Vollformatkameras, die wir im Testlabor hatten, sondern auch eine Mittelformatkamera. Dass es dabei nicht ganz mit rechten Dingen zugehen kann, lag auf der Hand. Am Bildrand beträgt die Auflösung im Weitwinkel übrigens nur 49 lp/mm, also weniger als die Hälfte. Die Bildaufbereitung des P20 Pro scheint Schwarz-Weiß-Kontrastkanten, wie sie bei unserer Messung zum Einsatz kommen, extrem kräftig aufzubereiten, wodurch fälschlicherweise dieser hohe Messwert zustande kam. Ein Blick auf das ebenfalls im Labor aufgenommene Testbild zeigt nämlich deutlich weniger Details als die Vollformatboliden, die das Huawei P20 Pro angeblich schlägt. Dennoch kann sich die Bildqualität definitiv sehen lassen und braucht sich – bei ISO 50 – nicht hinter 24-Megapixel-Kameras mit deutlich größeren Bildsensoren verstecken.

Bereits beim Zweifachzoom jedoch kommt die Auflösung auf den Boden der Tatsachen zurück. Hier arbeitet offensichtlich ein reines Digitalzoom. Es verbleiben beachtliche 41 lp/mm im Bildzentrum und 35 lp/mm am Bildrand. Bei dreifachem Zoom jedoch bricht die Bildqualität regelrecht ein. Nur noch 21 lp/mm im Bildzentrum und 15 lp/mm am Bildrand bleiben übrig. Sollte da nicht eine Telekamera die Bildqualität hochhalten? Die Auflösung reicht bei Weitem nicht für scharfe 20 mal 30 Zentimeter große Fotoprints. Dass es beim fünffachen Hybridzoom nicht besser aussehen kann, liegt auf der Hand. Hier bleiben nur noch lächerliche 13 lp/mm im Zentrum und 11 lp/mm am Bildrand übrig. Selbst für Postkartengröße ist das schon arg wenig.

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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.