Technologie-Hintergrund

Spekulationen über "DxO Digital Optics DAF EDoF Priority"

2007-03-06 "DxO und STMicroelectronics wollen den AF-Markt aufmischen" lautete die Überschrift unserer Meldung vom 2. März 2007. In der Nachricht (auf Basis einer Presse-Erklärung der französischen DxO Labs) war – zunächst noch ohne technische Details – recht unpräzis von einer "revolutionären" neuen Technologie berichtet worden, mit deren Hilfe künftig Autofokus-Konstruktionen ohne bewegte Aktuatoren und mit weiteren Vorteilen möglich sein sollen. digitalkamera.de-Fernostkorrespondent (und Kamerakonstrukteur) Wilfried Bittner ist den technischen Hintergründen für diese unter Fachleuten Aufsehen erregende "DxO Digital Optics DAF EDoF Priority" einmal nachgegangen.  (Wilfried Bittner)

Zumindest im Bereich von Bildsensoren mit Auflösungen von 3 bis 5 Megapixeln zeichnet sich damit eine (auch auf der kommenden PMA 07 vom 8. bis 11. März 2007 in Las Vegas von den DxO Labs zusammen mit der Genfer STMicro und der südkoreanischen MagnaChip präsentierte) Entwicklung ab, die nicht nur für Handycams, sondern möglichder Weise auch im digitalen Kamerabereich Anwendung finden könnte. "Die 'DxO Digital Optics DAF EDoF Priority' genannte Technologie basiert auf einer neuartigen Zusammenarbeit von Optik und Bildsignalprozessor," so hieß es in der digitalkamera.de-Meldung, "Im Gegensatz zum traditionellen, durch mechanische Aktuatoren bewegten Autofokus soll die neue AF-Technologie verzögerungsfrei, mit wesentlich kleineren Modulen, bei deutlich geringerem Energieverbrauch, zudem mit geringeren Herstellungskosten zu besseren Bildergebnissen führen, und dies selbst bei schlechten Lichtbedingungen."  Und Philippe Quinio, Marketing Direktor bei STMicro, war mit seiner begeisterten Einschätzung der neuen Technologie zitiert worden: "Es ist der Traum unserer Industrie, die Schärfentiefe von hoch auflösenden Fixfokus-Modulen bei gleich bleibender Bildqualität zu vergrößern und die Kosten dafür gering zu halten.“ 

Soviel zur vorangegangenen Meldung. Nun die Spekulation zu den möglichen technischen Hintergründen. Was ist also genau bekannt?

  1. Es handelt sich um einen 3.2 Megapixel 1/3.2“ CMOS Sensor – das lässt auf eine Pixelgröße von 2,2 µm schließen.
  2. Keine beweglichen Teile, also ein Fix-Fokus. 
  3. Erweiterte Schärfentiefe – das ist sehr vage. Erweitert um wie viel und im Vergleich zu was? Auf der Homepage von DxO Labs liest man von einer "revolutionär" erweiterten Schärfentiefe.  
  4. Die Homepage von DxO Labs erwähnt auch, dass das Kameramodul sogar noch bei sehr wenig Licht (1 Lux) arbeitet. 
  5. Über die Optik selbst wurde gar nichts veröffentlicht.

   Brennweite   umgerechnet 
 auf Kleinbild
 Blendenzahl   Fixfokus-
 Nahgrenze 
 Bildfeld 
 horizontal 
 normal  5 mm  38 mm  2,8 2 m  1,9 m   
 5,6 1 m  0,95 m
 11 0,5 m  0,47 m
 Weitwinkel   3,7 mm  28 mm  2,8  1,1 m  1,42 m
 5,6  0,55 m  0,71 m
 11  0,28 m  0,35 m
 Super-
 Weitwinkel
 2,75 mm  21 mm  2,8  0,62 m  1 m
 5,6  0,31 m  0,5 m
 11  0,16 m  0,25 m
Ein erster Versuch einer technischen Definition der "revolutionären" Neuerung: Wie sähe es aus, wenn man so einem 3 Megapixel CMOS einfach ein traditionelles Fixfokusobjektiv "verpasste"? Bei diesen winzigen Sensorabmessungen sind die Voraussetzungen dafür schon recht günstig. Die nebenstehende Tabelle basiert nur auf einer simplen Kalkulation nach den Regeln der geometrischen Optik, also ohne Abbildungsfehler und ohne Beugungsgrenze. Weiterhin wurde angenommen, dass für entfernte Objekte ein Streukreis von 1,5 Pixeln zulässig ist und für die Nahgrenze ein Streukreis von 2 Pixeln. Wie man daraus erkennt, könnte man theoretisch ein Kameramodul bauen, das von Unendlich bis 16 cm brauchbar scharfe Bilder liefert. Natürlich ist ein 21mm-Weitwinkel nicht gerade sehr alltagstauglich, und Blende 11 macht Innenaufnahmen ohne Blitz praktisch unmöglich. Was jedoch noch viel schwerwiegender ist, ist die wellenoptisch bedingte Leistungsgrenze eines Objektivs. Wegen der winzigen Pixelgröße von nur 2,2 µm (0,0022 mm) werden von dem Objektiv enorme Leistungen verlangt. Als absolutes Minimum sollte bei der Nyquist-Frequenz des Sensors – das wären hier 225 Linienpaare pro Millimeter – die Modulationsfunktion (MTF) noch etwa 10 % betragen.
 
Objektivsimulation [Foto: Wilfried Bittner]Die rechte, durch Anklicken vergrößerbare Grafik ist eine Simulation eines hoch korrigierten (beugungsbegrenzten) Objektivs mit verschiedenen Blendenwerten (gerechnet mit der Optik-Software OSLO). Wie man erkennt, geht es rasant bergab mit der Leistung, wenn man das Objektiv abblendet – und zwar alleine wegen der Beugung des Lichtes. Beim Kleinbildformat kommt man mit Blende 11 noch nicht in Schwierigkeiten, aber bei dem winzigen Sensor geht bei Blende 6 schon langsam der "Ofen aus".

Ixus Aperature [Foto: Wilfried Bittner]
Ein gutes Beispiel dafür, wie sehr die Beugung des Lichtes (die so genannte Diffraktion) den Kameraherstellern zu schaffen macht, zeigt der Blendenmechanismus einer typischen Canon Ixus-Kamera. Beim guten alten Film oder bei frühen Sensoren mit großen Pixeln schwenkte man bei starker Sonne einfach eine Blendenscheibe mit einem kleineren Loch ein. Ein Loch mit halbem Durchmesser ergibt minus 2 Blendenstufen. Das ist einfach, wirksam und billig. Bei den heutigen winzigen Pixeln und bei den Zoomobjektiven mit einer Anfangsöffnung von nur f/5,8 im Telebereich hingegen wird das normale Abblenden schon kritisch. Um den Beugungseffekt in Grenzen zu halten, verwenden einige Kameras – wie eben die Ixus-Modelle von Canon – eine Kombination aus moderatem Abblenden plus einem leichten Graufilter (ND-Filter = neutral density filter). Zusammen ergeben sie eine Abdunklung von 2 Stufen. Das kostet zwar mehr, liefert aber eine bessere optische Leistung. Die Abbildung oben zeigt so eine Hybridblende (zur besseren Sichtbarkeit nur halb in den Strahlengang eingeschwenkt). 

Wenn man die Zusammenhänge der obigen Tabelle noch einmal zugrunde legt und dort erstens eine realistische, vermarktbare Brennweite einsetzt und zweitens die Beugungsgrenze mit einbezieht, dann bekommt man ein 3,7mm- f/6-Fixfokus-Objektiv (umgerechnet 28 mm für Kleinbild) mit einer Nahgrenze von 70 cm und einem Bildfeld von 90 cm x 68 cm. Das reicht also nicht aus, um es als die behauptete "revolutionäre" Erweiterung der Schärfentiefe verkaufen zu können.

Also der zweite Versuch einer Erklärung des technischen Hintergrunds: Keine beweglichen Teile – da gäbe es noch die Option mit der so genannten "Liquid Lens" von der ebenfalls (wie DxO) in Frankreich ansässigen Varioptic SA (Slogan: "A drop of genius – the smart way to build variable-focus optical systems"). Deren Erfindung "Liquid Lens" funktioniert so ähnlich wie das menschliche Auge, aber statt einer elastischen Linse handelt es sich dabei um eine Flüssigkeit unter einer Membrane, und statt des ringförmigen Fokussiermuskels wird eine Spannung angelegt, um den Krümmungsradius zu verändern.
 
Varioptic arbeitet schon seit geraumer Zeit mit Samsung zusammen, und die ersten Kamera-Handys mit einer solchen AF-Technologie hätten schon vor einem Jahr auf den Markt kommen sollen. Anscheinend gibt es da noch ein paar Probleme. Also ebenfalls ein vermutlich falscher Erklärungsversuch für die neue DxO-/STMicro-Autofokustechnik.

Deshalb nunmehr der dritte Versuch einer Annäherung an den technischen Hintergrund von "DxO Digital Optics DAF EDoF Priority" – nunmehr über "Wavefront Coding", eine Technologie, die schon seit Jahren in der Industrie angewendet wird, entwickelt von der Firma CDM Optics im US-Bundesstaat Colorado (siehe weiterführende Links). Diese Technologie stimmt genau mit der Beschreibung in der zitierten DxO-Pressemitteilung überein; es ist eine Kombination aus einer optischen Kodierung und einer Signalverarbeitung, um das optomechanische Scharfstellen überflüssig zu machen.

Die Sache funktioniert so: Im Strahlengang vor, im oder hinter dem Objektiv wird eine optische Wellenplatte eingebaut, die dafür sorgt, dass in der Bildebene (also auf dem Sensor) die Lichtstrahlen nicht auf einem scharfen Punkt fokussiert werden, sondern in einer speziell kodierten Weise einen unscharfen Fleck erzeugen. Dabei durchqueren die Strahlen die Bildebene in einem etwas gestreckten Tunnel, und der unscharfe Fleck hat z. B. die Form einer "8" oder eines Winkels (siehe untenstehende Grafik).

Dieses absichtlich unscharfe (verschlüsselte) Bild lässt sich mit einer geeigneten Rechenformel in der Signalverarbeitung wieder schärfen (entschlüsseln). Das klingt umständlich, aber genialer Weise wird ganz nebenbei auch zu einem gewissen Grad die Fokussier-Unschärfe mit herausgerechnet. Es wird also effektiv die Schärfentiefe erweitert. Der Rechenaufwand dafür ist mit einem gängigen DSP (Digital Signal Processor) "locker" zu bewältigen. Wie schon erwähnt, wird "Wavefront Coding" bereits in der Industrie eingesetzt. In der Mikroskopie lässt sich die Schärfentiefe bei gewissen Anwendungen damit auf das 10-fache erweitern! Interessante Effekte, die mit dieser Technik erzielbar sind, findet man auch auf der Homepage von CDM Optics (siehe weiterführende Links).

Lichtkegel mit Tunneleffekt [Foto: Wilfried Bittner]Soviel an dieser Stelle zur (also keineswegs mehr neuen) Technologie des Wavefront Codings. Denkwürdiger Weise passt sie haargenau zur Beschreibung in der Pressemitteilung von DxO. Doch ihr Erfinder, die Firma CDM Optics, wurde unlängst von der kalifornischen OmniVision Technologies, Inc., einem konkurrierenden CMOS-Hersteller, aufgekauft. Außerdem ist das "Wavefront Coding" bereits mit zwei US-Patenten abgesichert, und noch weitere 19 Patente sind angemeldet. Daher ist nicht mit letzter Sicherheit zu sagen, welchen Weg DxO zusammen mit STMicroelectronics und MagnaChip beschreiten wird, um den angekündigten Durchbruch beim Fixfokus mit seiner "DxO Digital Optics DAF EDoF Priority" zu erreichen. Eine Suche bei den US-Patenten – sowohl bei den Erteilten als auch den erst Angemeldeten – erbrachte keinerlei andere, hier zutreffende Anmeldung. Es muss sich aber wohl um eine konkurrierende Idee zum "Wavefront Coding" handeln. Auf der PMA-Show in einigen Tagen in Las Vegas wird der Schleier vermutlich gelüftet; dort sind die Experten des "Embedded-Imaging-Konsortiums" von DxO, STMicro und MagnaChip jedenfalls anwesend (auf den Ständen DxO Labs Booth J271 sowie DxO Analyzer Tech Suite X155) und werden sich den Fragen der Experten stellen.  

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