Auf dem Prüfstand

Olympus-Modelle mit spezieller Kantenaufbereitung

2002-03-08 Bei der Untersuchung aktueller 4-Megapixel-Digitalkameras stieß Diplominformatiker Anders Uschold auf ein interessantes Phänomen bei den aktuellen Olympus-Modellen. Der Hersteller verwendet in der Camedia C-4040 Zoom und C-40 Zoom ein sehr weit entwickeltes Verfahren zur sogenannten Kantenaufbereitung. Damit wird verhindert, dass die Kamera dem Bild Strukturen "hinzudichtet", die im Motiv gar nicht enthalten sind.  (Anders Uschold, Jan-Markus Rupprecht)

In der Fachsprache ist das Verfahren eine "weiterentwickelte Strategie bei der Ansteilung bzw. Scharfzeichnung, Verbesserung und Fortführung von Kanten". Das hört sich sehr technisch an und ist in der Tat alles andere als simpel. Deshalb sei hier schon mal vorgewarnt: Die folgenden Zeilen sind nichts für Leser, die mit der Technik gar nichts zu tun haben wollen! Sie geben aber interessante Einblicke, wie zumindest Teile der Aufbereitung der Bilder in einer Digitalkamera funktionieren und erklären vielleicht manch merkwürdigen Effekt, den der eine oder andere schon einmal in seinen Digitalfotos entdeckt haben wird.

  Bild 1: Signalverlauf an einem Hell-Dunkel-Übergang [Grafik: Anders Uschold]   
Mit seinem weiterentwickelten Verfahren zur Bildoptimierung geht Olympus ein grundlegendes Problem der Darstellung digitaler Bilder neu an. Um den subjektiven Schärfeeindruck eines Bildes anzuheben, werden häufig Hell-Dunkel-Kanten in ihrem Verlauf manipuliert. Durch ein künstliches Anheben der hellen Grenze einer Kante (die sog. Schulter) und Absenken der dunklen Grenze einer Kante (der sog. Durchhang) erscheint das Bild schärfer und brillanter. Auf Deutsch: Nahe eines kontrastreichen Überganges von dunkel nach hell werden dunkle Bereiche dunkler und helle Bereiche heller gemacht als sie eigentlich sind. Diese Technik wird u. a. bei Fernsehern, Monitoren, Druckern, Scannern, Videokameras und sogar Video-Codecs eingesetzt. Wichtig ist zu verstehen, dass die Scharfzeichnung als kosmetische Funktion keine Steigerung der echten Bildinformation bewirkt. Werden Bilder nach der Scharfzeichnung einem verlustbehafteten frequenzbasierten Komprimierungsverfahren unterzogen, z. B. der JPEG- und MPEG-Familie, so bewirkt sie sogar einen überproportional hohen Anstieg der Komprimierungsartefakte, sprich Störungen wie feine Schlieren, Doppelkanten und Geisterfragmente und verringert die Wirksamkeit der Komprimierung bzw. verschlechtert die Bildqualität. Gerade solche feinen zusätzlichen Bildelemente brauchen viel Speicher, der dann zum Beispiel bei der differenzierten Wiedergabe von Farben oder Bildstrukturen fehlt. In diesem Fall wäre es sinnvoller, erst zu komprimieren und später nach der Dekomprimierung scharf zu zeichnen.

Zu starke Scharfzeichnung schafft folgende Probleme:

      

    Bild 2: Kern einer Testtafel mit zu starker Scharfzeichnung [Foto: Anders Uschold]
    Bild 2
     

    Bild 3: Kern einer Testtafel ohne Scharfzeichnung in feinen Strukturen [Foto: Anders Uschold]
    Bild 3
     

  • Die Bilder werden durch das Auftreten von übertriebenen künstlichen Kanten "überplastisch".
  • Feine Strukturen im Motiv werden zerstört, überplastisch oder durch Artefakte und Moiré-Bildung stark in Mitleidenschaft gezogen.
  • Das Rauschen kann deutlich ansteigen.
  • Stark scharfgezeichnete Bilder sind in der anspruchsvollen Bildverarbeitung (z. B. mit Photoshop) sehr schwer zu bearbeiten.
  • Nachfolgende Komprimierung mit JPEG und MPEG wird verschlechtert.

Das Problem der Hersteller bei der Scharfzeichnung und Konfiguration von Kameras ist folgendes: Ist die Scharfzeichnung zu schwach, wird ein Konkurrenzmodell mit stärkerer Scharfzeichnung subjektiv oft besser beurteilt. Ist sie zu stark, werden die Bilder qualitativ schlechter. Dass diese visuelle Verbesserung "Verbesserung" im Endeffekt gar nicht so viel mehr an verwertbarer Bildinformation bringt, zeigen die Bilder 2 und 3 in denen der nicht mehr zuverlässig auflösende Kernbereich rot umrandet ist.

Bild 2: Kern einer Testtafel mit zu starker Scharfzeichnung in feinen Strukturen. Das Bild wirkt auf den ersten Blick brillant. Es treten jedoch massive Moiré-Effekte auf.

Bild 3: Kern einer Testtafel ohne Scharfzeichnung in feinen Strukturen. Die Auflösung wirkt subjektiv deutlich niedriger. Der Unschärfebereich ist aber nur geringfügig schlechter.

Visuelle Effekte zu starker Signalaufbereitung

Bild 4: Aufnahme einer Testtafel mit zu starker Signalaufbereitung [Foto: Anders Uschold]
Bild 4
 



   

Zu starke Signalaufbereitung führt zu unterschiedlichen Artefakten und Veränderungen des Originalbildes. Bild 4 zeigt die Störungen deutlicher:

Grüner Bereich  Bei groben Motivstrukturen besonders bei schräger Lage entstehen unregelmäßige Kanten, die abwechselnd hart und weich erscheinen. In dickeren dunklen Linien zeigen sich parallel versetzte helle Streifenstücke, in hellen Linien entstehen dunkle Streifen.

Blauer Bereich  Werden diagonale Linien feiner, so wechseln sich harte und weiche Darstellungen so ab, dass die Linien abwechselnd dick und dünn werden oder sogar abreißen und wieder entstehen. Manchmal wird die treppenartige Struktur noch verstärkt.

Gelbe Bereiche  Ist die Signalaufbereitung nicht richtungsneutral, so werden wie hier senkrechte Strukturen kontrastreicher dargestellt als waagrechte.

Roter Bereich  Scharfzeichnung, Linienfortführung und Kanteninterpretation erzeugen Strukturen, die ein Sensor an sich nicht mehr auflösen kann. Diese nicht mehr vom Motiv kommenden Strukturen entstehen in feinsten Motivdetails und bringen Moiré-Effekte und Farbstörungen.

Lösungsansatz von Olympus

Die Olympus Camedia C-4040 Zoom verwendet mit der sogenannte ortsfrequenzsensitiven Scharfzeichnung eine intelligente Methode, bei der vor der Scharfzeichnung zunächst die Bildstrukturen untersucht werden. Grobe Kanten und Linien werden daraufhin sinnvoll, aber nicht übertrieben, scharfgezeichnet. Feine und feinste Strukturen werden nicht scharfgezeichnet und so natürlich belassen. Damit bieten sie auch eine ausgezeichnete Basis für eine weitere Bildverarbeitung oder Komprimierung. Bild 5 zeigt diese Details:

Bild 4: Aufnahme einer Testtafel mit ortsfrequenzsensitiver Scharfzeichnung [Foto: Anders Uschold]
Bild 5
 

  

 

Grüner Bereich  Normale Scharfzeichnung mit leichter Übersteilung bei groben Motivstrukturen. Das Ergebnis sind gerade Kantenverläufe, kaum helle und dunkle Streifenstücke.

Blauer Bereich  Bei mittleren bis feinen Motivstrukturen kontraststeigernde Scharfzeichnung ohne Übersteilung, Die Linien bleiben konstant und gerade.

Roter Bereich  Bei feinsten Motivstrukturen wird auf Scharfzeichnung komplett verzichtet. So bleibt eine artefaktfreie Darstellung bis zur Auflösungsgrenze erhalten.

Ein Problem des neuen Verfahrens zeigt sich bei der Beurteilung der Olympus C-40 Zoom und C-4040 Zoom in Tests: Die neuen Olympus-Kameras schneiden mitunter ungerechtfertigt schlechter ab als die Modelle der Mitbewerber. Dies gilt gleichermaßen bei visuell basierten Tests von Fachzeitschriften als auch bei der Beurteilung von Testbildern durch potentielle Käufer (z. B. anhand der uns veröffentlichten ComputerFoto-Testbilder). Testtafeln zur Auflösung und Testmotive mit feinen Strukturen können besonders bei visueller Beurteilung subjektiv stark verfälschte Eindrücke liefern. Die Natürlichkeit der feinen Strukturen fällt hinter dem höheren Kontrast und der damit vermeintlich interpretierten höheren Auflösung zurück. Resultat: Konventionell bearbeitete Bilder erscheinen "schön knackig", während die intelligente Olympus-Methode zu einer schlechteren Bewertung führen kann.

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Jan-Markus Rupprecht

Jan-Markus Rupprecht, 59, fotografiert mit Digitalkameras seit 1995, zunächst beruflich für die Technische Dokumentation. Aus Begeisterung für die damals neue Technik gründete er 1997 digitalkamera.de, das Online-Portal zur Digitalfotografie, von dem er bis heute Chefredakteur und Herausgeber ist. 2013 startete er digitalEyes.de als weiteres Online-Magazin, das den Bogen der digitalen Bildaufzeichnung noch weiter spannt.