Paukenschlag
Nikon D3 mit Vollformat und LiveView, D300 mit 12 Megapixeln
2007-08-23 Nikon überlässt Canon das prestigeträchtige Highend-Kamerasegment offenbar nicht kampflos und präsentiert mit der D3 endlich eine Profikamera, deren Sensormaße denen eines Kleinbildnegativs entsprechen, im Nikon-Jargon jetzt als FX-Format bezeichnet. Zugunsten eines deutlich verringerten Bildrauschens beließ man die Zahl der Bildpunkte mit rund 12 Millionen gegenüber den Vorgängerinnen D2X/D2Xs nahezu gleich. Ob sich diese Entscheidung angesichts Canons neuem 21-Megapixel-Boliden 1Ds Mark III auszahlt, bleibt abzuwarten. (Matthias Herrmannstorfer)
Bezüglich des Funktionsumfangs indessen trumpft das neue Nikon-Flaggschiff auf und wartet beispielsweise mit einem neuen Autofokus-Modul auf, dessen 51 Messfelder 15 hochempfindliche Kreuzsensoren umfassen. Mit einer Geschwindigkeit von 9 Bildern pro Sekunde in voller Auflösung übernimmt die D3 die Nachfolge sowohl der Sport- und Reportagekamera D2H als auch der hoch auflösenden D2X/D2Xs und beendet damit die jahrelange Aufteilung der Profiklasse in zwei Modelle. Der D3 stellt Nikon mit der D300 eine nur um wenige Profi-Features abgespeckte Alternative zur Seite. Darin verbaut Nikon ebenfalls einen CMOS-Sensor mit rund 12 Millionen Fotozellen, der aber weiterhin im kleineren DX-Format gehalten ist.
Zweifellos wichtigstes Merkmal der D3 ist das volle Kleinbildformat des Bildsensors in CMOS-Bauweise, über dessen Fotozellen erstmals gleich zwei Lagen aus Mikrolinsen für eine optimale Nutzung des einfallenden Lichts selbst in den kritischen Randbereichen sorgen sollen. Zusammen mit der spaltenweisen Verstärkung der Signale verspricht sich Nikon davon ein sensationell gutes Rauschverhalten. Ausgehend von einer Grundempfindlichkeit entsprechend ISO 200 bietet die Kamera Einstellungen bis ISO 6.400, zusätzlich stehen zwei Verstärkungs-Modi bis zu schwindelerregenden ISO 25.600 zur Verfügung. Dem neuen EXPEED-Bildprozessor stehen parallel 12 Kanäle zum schnellen Auslesen der Sensordaten zur Verfügung, die er anschließend mit maximal 14 Bit pro Farbe in RAW-Dateien umwandelt. Eine weitere EXPEED-Funktion ist das integrierte D-Lighting, das den Bildkontrast ortsabhängig untersucht und durch entsprechende Abmilderung kontrastreiche Motive besser darstellen soll. Ähnlich wie Canon mit den PictureStyles bietet jetzt auch Nikon mit dem Picture Control System eine Zusammenfassung von Bildparametern und Tonwertkurven. Verschwunden ist der für die D2-Serie charakteristische weiße Punkt auf der Vorderkante des Prismengehäuses. Darunter befand sich der Sensor für den Weißabgleich, dessen Funktion von nun an der Bildsensor zusammen mit dem Belichtungsmesser übernimmt. Wie aus einem Flugzeug-Cockpit entlehnt erscheint der einblendbare künstliche Horizont, mit dessen Hilfe sich die Kamera waagrecht ausrichten lässt.
Mächtig zugelegt hat auch das Autofokus-Modul Multi-CAM 3500FX, von dessen 51 Fokusfeldern die 15 mittig angeordneten als Kreuzsensoren ausgelegt sind. Das Vollformat beschränkt jedoch den Bereich der Messfelder nach außen, sodass die 51 AF-Punkte im Verhältnis weniger Fläche abdecken als die 11 Messpunkte der D2X/D2Xs. Ergänzt wird der Autofokus durch eine Motiverkennung, die es der Kamera erlaubt, den Schärfepunkt während Schwenks auf dem anfangs angepeilten Objekt zu halten. Waren bei der D2X/H die Umrandungen aller Fokusfelder ständig sichtbar, zeigt das 0,7-fach vergrößerte und 100 Prozent abdeckende Sucherbild der D3 nur noch die während des Fokussiervorgangs per LED eingespiegelten roten Ränder der jeweils aktiven Fokusfelder.
Ein weiteres Highlight der Kamera ist das 3"-LCD, das Bilder mit sensationellen 920.000 Bildpunkten äußerst detailreich darstellt. Auf diesem Monitor lässt sich auch die Echtzeitvorschau bewundern, die nun bei Nikon Einzug hält und wie bei Kompaktkameras das Sensorbild durch das Objektiv kontinuierlich auf dem Display wiedergibt. Dazu klappt der Spiegel auf Knopfdruck nach oben und gibt dem Sensor die Sicht frei, versperrt diese aber gleichzeitig dem Autofokus. In der Version des Live-View in Olympus aktuellen E-410/E-510 und Canons 40D muss die Kamera zur erneuten Scharfstellung daher kurzzeitig den Spiegel wieder herunterklappen. Ohne störende Unterbrechung arbeitet die alternative Scharfstellung in Nikons D3 durch eine Kontrastmessung auf dem Sensor, was allerdings mehrere Sekunden und damit vergleichsweise lange dauern kann.
Bis zu 9 Aufnahmen pro Sekunde bei voller Auflösung im JPEG- oder RAW-Format soll die Kamera schaffen und JPEGs mit dieser Geschwindigkeit sogar auf UDMA-fähige Compact-Flash-Karten wie beispielsweise Sandisks Extreme IV schreiben können. Dabei beträgt die Auslöseverzögerung wie bei der D2 rund 37 ms. Bei reduzierter Auflösung und Beschränkung auf einen Sensorausschnitt im DX-Format mit 5,1 Megapixeln sind sogar 11 Bilder pro Sekunde möglich. Zur Bewältigung solcher Datenmengen bietet die D3 Platz für gleich zwei CF-Karten, deren Befüllung sich unterschiedlich regeln lässt: Von der Trennung nach Dateiformat über das Spiegeln zu Backupzwecken bis hin zum simplen Überlauf. Des Weiteren steht ein HDMI-Ausgang bereit, über den sich Bilder unter anderem in den Videoformaten 720p oder 1080i auf entsprechende Bildschirme ausgeben lassen.
Im Wesentlichen gleich geblieben ist die grundlegende Bedienung der Kamera mit jeweils einem Wahlrad vorne und hinten, der Kreuzwippe, dem AF-Moduswahlschalter und fast allen übrigen Elementen. Einzig die Belichtungsmesswertspeichertaste hat ihre Position verändert und findet sich nun, abgesetzt von der AF-Aktivierungstaste, weiter innen. Auch die 3D-Color-Matrixmessung II mit 1.005-Pixel-Chip übernimmt die D3 von der D2-Serie. Ein gewichtiger Nachteil gegenüber dem Vorgängermodell sei allerdings nicht verschwiegen: Bedingt durch den Umstieg auf Vollformat legt das Prisma deutlich an Größe und Gewicht zu und beschert dem gegen Staub und Spritzwasser gedichteten Magnesium-Gehäuse der D3 ein um rund 200 Gramm gestiegenes Kampfgewicht.