Erfolgsgeheimnisse

Lensbabys Expansionspläne für den deutschen Markt

2008-12-10 Die photokina 2008 war für die Firma Lensbaby besonders wichtig. Kaum ein Aussteller hatte sein Portfolio so gründlich überarbeitet wie der Objektivhersteller aus dem US-Bundesstaat Oregon. Mit dem Composer stellte Lensbaby die vierte Generation seiner biegsamen unorthodoxen Optiken vor, und wenn sein Erfolg an den des Vorgängers 3G anknüpft, sehen die Jungs aus Portland rosigen Zeiten entgegen. Ein Lensbaby ist kreativ, außergewöhnlich und bietet keines der üblichen Objektivfeatures wie Autofokus, Mehrschichtvergütung, asphärische Elemente etc. Warum also wollen alle dieses Ding haben? Wie sich der Erfinder des Lensbaby, Craig Strong, und sein Partner Sam Pardue den Erfolg erklären, hat digitalkamera.de-US-Korrespondentin Daniela Schmid im Interview herausgefunden.  (Daniela Schmid)

digitalkamera.de: Wenn man das erste Mal mit einem Lensbaby zu tun hat, erscheint einem diese Art Optik ziemlich verrückt – kein Autofokus, nichts, was an ein herkömmliches Objektiv erinnert. Wie haben Sie dieses außergewöhnliche Konzept zu einem so erfolgreichen Produkt gemacht, das sich auf der ganzen Welt verkauft?

Lensbaby CEO und Gründer Craig Strong [Foto: Lensbabies] Craig Strong: Alles, was wir wollten, war, den Leuten die Wahrheit zu sagen und ihnen die Fotos zu zeigen. Unser Ansatz war, ihnen das Produkt als solches nahe zu bringen. Wir haben keinen Hype daraus gemacht und keine übermäßigen Behauptungen aufgestellt. Das Schöne an dieser Optik ist, dass sie beeindruckende Bilder schafft, die sie ganz von alleine verkaufen. Wir waren eine winzige Firma, haben mit einem Startkapital von gerade einmal 5.000 Dollar angefangen. Zuerst haben wir unser Produkt ausschließlich über das Internet verkauft, weil wir erkannt haben, dass, wenn die Leute die Bilder sehen können – und sie waren wirklich wunderschön – würde das für sich selbst sprechen. Wir dachten, wir könnten das Produkt im Internet leichter verkaufen – weil wir dort wirklich zeigen konnten, was das Lensbaby kann –, als einen Vertrieb dranzusetzen und Verkaufspersonal in den Läden zu schulen. Also haben wir im Februar 2004 unsere Firma exklusiv über das Internet hochgezogen, und nach sechs Monaten hatten wir das Original Lensbaby bereits an Fotografen in 40 Ländern auf der ganzen Welt verkauft, über das Internet.

Danach lief alles wie von selbst. Natürlich handelt es sich beim Lensbaby um ein Nischenprodukt, aber es gewinnt an Popularität, weil es so wunderschöne Bilder schafft. Außerdem kann man den Lensbaby-Effekt in jedem Fotoforum erkennen. Wenn Fotografen tolle Bilder mit einem Canon-Objektiv oder einem Manfrotto-Stativ aufgenommen haben, kann man nicht sagen, mit welchem Stativ oder Objektiv der Fotograf gearbeitet hat. Lensbaby-Fotografen erkennt man sofort. Die Leute sagen nur "Wow! Was ist das, und wie hast du das gemacht?"

digitalkamera.de: Arbeiten deutsche Fotografen ähnlich wie amerikanische? Oder, in anderen Worten, wie sind für Lensbaby die Unterschiede zwischen dem amerikanischen und dem deutschen Markt?

Craig Strong: Der deutsche Markt scheint das Lensbaby mit enormem Enthusiasmus aufgenommen zu haben. Ich glaube, der Prozess wurde in Deutschland durch die Popularität von "Spielzeugobjektiven" à la Holga gefördert. Das Lensbaby hat auf einer digitalen Ebene von der Berühmtheit der Holga-Kameras profitiert. Unser Produkt ist in Deutschland berühmt, aber nicht ganz so wie in den Vereinigten Staaten.

digitalkamera.de: Wie kann das Rezept aussehen, Lensbaby in Deutschland populärer zu machen?

Sam Pardue: Nun, eine Sache, an der wir kontinuierlich arbeiten, ist der Einsatz des Internets, um Fotografen auf der ganzen Welt zu erreichen, und natürlich kreatives Marketing. In einigen internationalen Märkten ist Lensbaby ein Nischenprodukt. Das macht es für unsere Vertriebspartner schwer, viel Geld ins Marketing zu stecken, weil das Verkaufsvolumen nicht hoch genug ist. Aber vielleicht erlaubt uns das Internet, die Leute in Deutschland so kosteneffektiv wie mit unserer US-Website zu erreichen. Es gibt eine deutsche Seite (siehe weiterführende Links), und wir wollen dieses internationale Netzwerk an Webseiten weiter ausbauen, um den Markt besser erreichen zu können. Deutschland und Japan sind unsere größten Märkte außerhalb von Nordamerika.

digitalkamera.de: Der Schwerpunkt war also immer das Internet und wird es auch in der Zukunft sein?

Lensbaby CEO und Mitbegründer Sam Pardue [Foto: Lensbabies] Sam Pardue: Es gibt einige andere Maßnahmen, die in den Vereinigten Staaten sehr effektiv waren und die wir auch gerne in Deutschland ausprobieren möchten. Aber wir sind nicht sicher, ob das funktionieren wird. In den USA gibt es eine große Anzahl von Dozenten, die in Workshops begeisterte Fotoamateure oder andere Profis unterrichten. Lensbaby hat ein sehr gutes Verhältnis zu vielen dieser Lehrer entwickelt, weil es Spaß macht, ein Lensbaby in Fotoworkshops einzubauen. Anders als das Internet ermöglichen die Workshops es den Leuten, ein Lensbaby in die Hand zu nehmen und tatsächlich mit so einer ungewöhnlichen Optik zu arbeiten. Wir würden in Deutschland gerne ein ähnliches Netzwerk an Fotodozenten aufbauen, die das Lensbaby in ihren Unterricht einbauen. Außerdem arbeitet unser deutscher Vertrieb HapaTeam auf Hochtouren daran, die Verfügbarkeit in den Läden zu erhöhen, damit die Leute Lensbaby vor dem Kauf testen können.

digitalkamera.de: Im Internet ist Lensbaby bei Wikipedia und YouTube vertreten, hat ein eigenes Portal bei Flickr – es ist erstaunlich, was man findet, wenn man nach Lensbaby sucht. Helfen Sie dabei aktiv nach, machen andere das in Ihrem Auftrag für Lensbaby oder ist das ein Selbstläufer?

Sam Pardue: Wir haben uns von Anfang an dagegen entschieden, in anderer Leute Foren zu posten, weil es uns manipulativ erscheint. Also, alles, was da draußen passiert, außer ein paar "How to"-Videos auf YouTube, hat sich spontan ohne unser Zutun ergeben.

digitalkamera.de: Es gibt Internet Tutorials, um in Photoshop Lensbaby-Effekte zu erzielen. Was halten Sie davon?

Daniela Schmid, digitalkamera.de - Korrespondentin in den USA [Foto: Daniela Schmid]Craig Strong: Wir haben noch nie einen Photoshop-Effekt gesehen, der den tollen originalen Look eines Lensbabys reproduziert. Ein Lensbaby arbeitet im dreidimensionalen Raum und bietet dem Fotografen einen einzigartigen Weg, die Schärfentiefe zu kontrollieren. Aber wir wollen gar nicht darüber diskutieren, ob es möglich ist, diesen Effekt mit Software nachzubauen, weil das nicht die wichtigste Einschränkung bei Software ist. Wir glauben, dass die meisten Fotografen erkennen, wie dramatisch sich der künstlerische Prozess verändert, wenn man das Motiv durch ein Lensbaby ins Auge fasst. Als Fotograf verfolgt man in Echtzeit, wohin der Schärfepunkt wandert, um ihn dann letztendlich festzulegen. Es kann passieren, dass ein Fotograf ein Motiv zehn Mal aus leicht anderen Winkeln mit leicht anderem Schärfepunkt fotografiert, und so etwas kann man unmöglich in Software nachmachen. Aber das ist auch nicht so wichtig, denn man bekommt in Wirklichkeit nie diese starke Energie zu spüren, wenn man mit Software arbeitet, als wenn man das Motiv durch die Kamera sieht und es zu genau dem richtigen Zeitpunkt aus genau dem richtigen Winkel fotografiert.

digitalkamera.de: Wie macht sich denn das neueste Lensbaby, der Composer? Sind Sie mit den Ergebnissen der photokina zufrieden?

Sam Pardue: Wir haben den Composer und das neue Optic Swap System zur Photokina am 23. September 2008 vorgestellt, genau an dem Tag, an dem die Finanzkrise so richtig zugeschlagen hat. Seitdem häufen sich die Schlagzeilen über die bröckelnde Wirtschaft, aber das hat unseren Verkauf bisher nicht betroffen. Wir bieten den Composer und das Optic Swap System zu erschwinglichen Preisen an, und sie bieten für die Investition jede Menge Kreativität. Der Oktober war dann in der Tat unser bester Verkaufsmonat überhaupt. Wir glauben, dass sich der Composer besser verkauft als das Lensbaby 3G, weil er leichter zu verwenden ist und solch überzeugende Ergebnisse liefert. Und auch das Optic Swap System bietet jede Menge Spaß und künstlerische Freiheit. Vielleicht können sich die Leute im Moment keine neuen Autos leisten, aber sie scheinen mit preisgünstigen großartigen Optiken am anderen Ende der Skala kein Problem zu haben.

digitalkamera.de: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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Daniela Schmid

Daniela Schmid hat in Augsburg Sprachen studiert, bevor sie nach einem halben Jahr in einer PR-Agentur für IT-Firmen in die Verlagsbranche wechselte. Ab 2004 war sie als festangestellte Redakteurin für die Magazine Computerfoto und digifoto zuständig. Während eines dreijährigen Auslandsaufenthaltes in der Nähe von New York berichtete sie als freie Autorin für digitalkamera.de von der PMA, CES und der PhotoPlus Expo aus Las Vegas und New York und übernahm die Zuständigkeit für die Rubrik Zubehör. Seit 2009 testet sie auch regelmäßig Kameras.