Aus dem digitalkamera.de-Testlabor
Kamera des Smartphones OnePlus 6 auf Bildqualität getestet
Seite 2 von 2, vom 2018-06-22 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln
Interpretation und Praxis
In der Praxis jedoch erreicht das OnePlus 6 nicht immer die erwarteten guten Bildergebnisse. Diese schwanken stark und hängen vom Motiv ab. Genau genommen vom Licht, denn hier kommen zwei Phänomene zusammen, die das Bildqualitätsergebnis gerade in dunkleren Umgebungen trüben. Einerseits belichtet das OnePlus 6 die Bilder sehr reichlich. Sie wirken dadurch sehr hell, ohne dass sie zu stark ausfressen, was an der in den helleren Bereichen sehr neutralen Tonwertkurve liegt. Die helle Belichtung erfordert jedoch eine längere Belichtungszeit beziehungsweise je nach Situation eine höhere ISO-Empfindlichkeit. Die Auswirkungen halten sich mit etwa einer drittel bis einer halben Blendenstufe jedoch noch im Rahmen.
Kritischer ist der zweite Effekt, den wir im Labor gleich doppelt nachvollziehen konnten: Der Bildsensor erreicht bei Weitem nicht die angegebene ISO-Empfindlichkeit, sondern liegt gut 1,5 Blendenstufen darunter, was eine krasse Abweichung ist. Bei eingestellten ISO 100 entspricht die gemessene Empfindlichkeit gerade einmal ISO 36, bei ISO 200 sind es ISO 73, bei ISO 400 ISO 143 und selbst bei ISO 3.200 nur ISO 1.142. Das erklärt, warum das OnePlus 6 bei ISO 400 noch so viel Details zeigt und das Rauschen so gering ist. Die Tendenz zeigte sich bereits im Labortest, denn bei einer der Aufnahmereihen nehmen wir bei fester Helligkeit eine Reihe von Fotos bei bestimmten ISO-Empfindlichkeiten und Belichtungszeiten auf. Hier mussten wir fast zwei Blendenstufen länger belichten als üblich, damit die Bilder hell genug waren.
Das 6,3 Zoll große OLED nimmt beim OnePlus 6 fast die gesamte Vorderseite ein. Mit 420 cd/m² leuchtet es ausreichend hell. [Foto: OnePlus]
Der Effekt führt nun dazu, dass das OnePlus 6 viel höhere Empfindlichkeiten und längere Belichtungszeiten wählt beziehungsweise wählen muss als andere Smartphones unter gleichen Aufnahmebedingungen und man sich über die starken Abweichungen wundert. Tatsächlich ist die Qualität nicht wirklich schlechter als bei vergleichbaren Kameras, die nur ein Objektiv und einen Bildsensor für die Fotos heranziehen (die zweite Kamera generiert ja nur den Bokeh-Effekt). Allenfalls die Tendenz zu etwas helleren Bildern produziert letztlich eine leicht schlechtere Bildqualität, die sich scheinbar durch die deutlich höhere, in den EXIF-Daten vermerkte ISO-Empfindlichkeit erklärt.
Fazit
Das OnePlus 6 beeindruckt vor allem mit seiner guten Verarbeitung und der performanten Soft- und Hardware. Hier und da gibt sich das Smartphone jedoch etwas spartanisch – wenn man so will, ist nichts Überflüssiges an Bord. Die Kamera beeindruckt im Labor mit teilweise überdurchschnittlichen Messwerten, Ausreißer nach unten gibt es nicht. Das relativiert sich jedoch in der Praxis, in der das OnePlus 6 reichlich belichtet und die eingestellten ISO-Empfindlichkeiten nicht erreicht werden. So kommt die Kamera trotz hoher Lichtstärke in dunkleren Situationen schnell an ihre ISO-3.200-Grenze und es drohen Verwackelungen oder Bewegungsunschärfen durch zu lange Belichtungszeiten, gegen letztere ist auch der optische Bildstabilisator machtlos. Das OnePlus 6 wählt dadurch unter gleichen Bedingungen viel höhere Empfindlichkeiten und leicht längere Belichtungszeiten als vergleichbare Smartphones. Die Bildqualitätsunterschiede sind jedoch gering, weil die Bildqualität den Möglichkeiten bei den tatsächlichen ISO-Empfindlichkeiten entsprechen: Bei ISO 400 beispielsweise ist das OnePlus 6 besser als viele vergleichbare Smartphones – da diese jedoch bei gleichem Licht mit ISO 200 auskommen, verliert das OnePlus 6 diesen "Labor"-Vorteil.