First Look

Fujifilm GFX100 – weitere Details und erster Eindruck

2019-05-28, aktualisiert 2019-05-29 Mit der Fujifilm GFX100 hat der Hersteller sein neues Mittelformat-Top-Modell vorgestellt. Die Kamera setzt nicht nur hinsichtlich der Auflösung neue Maßstäbe sondern geht auch teilweise neue Wege bei der Bedienung. Wir hatten schon die Gelegenheit die Kamera einige Stunden lang auszuprobieren und schildern hier unsere Eindrücke.  (Jan-Markus Rupprecht)

Hinweis  Dieser Artikel ergänzt unsere ausführliche Vorstellung der Fujifilm GFX100, die wir Ihnen empfehlen möchten, zuerst zu lesen, weil wir auf viele dort beschriebene Aspekte hier nicht noch einmal eingehen.

Satte 102 Megapixel löst der Sensor der GFX100 auf. Das ist selbst angesichts seiner Fläche von 43,8 x 32,9 mm viel. würde man davon nur das 35-mm-Kleinbild-Format nutzen (Crop auf 36 x 24 mm), blieben mehr als 60,8 Megapixel übrig – mehr als jede derzeit erhältliche Kleinbild-Kamera liefert. Die Pixeldichte entspricht denen der APS-C-Kameras X-T3 und X-T30 von Fujifilm. Da ist es gut, dass es sich um einen Sensor in BSI-Technik handelt, der möglichst viel Licht auf Fotodioden durchlässt. Seine Leiterbahnen aus Kupfer (im Gegensatz zum sonst üblichen Aluminium) ermöglichen ein schnelles Auslesen der gewaltigen Datenmenge.

Bildstabilisator

So fein aufgelöste Bilder verwacklungsfrei aufzunehmen ist nicht einfach. Das weiß Fujifilm natürlich und hat bei der GFX100 (im Gegensatz zu den beiden 50-Megapixel-Modellen der GFX-Serie) einen Sensorshift-Bildstabilisator eingebaut. Dieser wird mit allen Objektiven genutzt, die keinen eingebauten Bildstabilisator haben. Bei den GFX-Objektiven mit längeren Brennweiten, die einen eingebauten Stabilisator mit beweglichen Linsen haben, wird nur der Stabilisator im Objektiv genutzt. Möglicherweise wird Fujifilm mit späteren Firmware-Updates einen kombinierten Betrieb nachliefern, das steht noch nicht fest. Bei den Objektiven ohne eingebauten Bildstabilisator leistet der gehäuseinterne Stabilisator sehr gute Dienste und soll laut Fujifilm bis zu 5,5 Blendenstufen längere Belichtungen aus der Hand ermöglichen. Man kann mit der Kamera also problemlos ohne Stativ fotografieren. Und auch bei Videos gleicht der Stabilisator feines Zittern oder kleine Wackler aus, sodass hochauflösende 4K-Videos auch aus der Hand gelingen können.

Überhaupt hat Fujifilm alles getan, um Erschütterungen und andere Einflüsse vom Sensor fernzuhalten. So ist die GFX100 sehr aufwändig mit einem Gehäuse im Gehäuse konstruiert. Das äußere Gehäuse besteht aus drei Magnesiumdruckguss-Teilen: Front und Rückseite sowie Oberteil. In diesem ist ein inneres, aus zwei Druckguss-Teilen bestehendes Gehäuse eingeschraubt. Deren Vorderteil nimmt das Bajonett auf, der hinteren Teil die Bildstabilisator-Einheit mit dem Sensor. Objektiv und Sensor können dadurch in perfekter Planlage zueinander montiert werden und sind diesbezüglich unabhängig vom äußeren Gehäuse. In dem vorderen Teil des inneren Gehäuses (direkt hinter das Bajonett) ist die Einheit für den Schlitzverschluss montiert. Diese ist in einem Aluminiumrahmen federnd gelagert, um den Verschluss vollständig von der Sensoreinheit zu entkoppeln. Um 102 Megapixel einzufangen, muss man ganz offensichtlich als Hersteller einiges tun. Der Benutzer bekommt von all dem Aufwand nichts mit, außer dass die Qualität der Fotos stimmt.

Ergonomie

Die gesamte Handhabung gestaltet sich für den Anwender nach kurzer Eingewöhnung völlig problemlos. Die GFX100 arbeitet schnell, leise und unauffällig – genau so, wie man es sonst von anderen aktuellen spiegellosen Systemkameras mit weitaus kleinerem Sensor und weniger Auflösung kennt. Die großen Datenmengen schaufelt die leistungsfähige Elektronik problemlos in kürzester Zeit auf die Speicherkarten und dem erhöhten Stromverbrauch begegnet Fujifilm mit gleich zwei sehr großen Akkus (10,8 V, 1.250 mAh). Diese sollten theoretisch für bis zu 800 Fotos nach CIPA-Standard sorgen. Während unserer Testphase hatten wir diesen Wert nicht annähernd erreicht, nach ca. 150 Aufnahmen war das erste Akku leer. Die Kamera war aber auch sehr viel eingeschaltet, ohne Fotos zu machen, beispielsweise um die Menüs zu studieren oder verschiedene Einstellungen auszuprobieren und Aufnahmen anzuschauen. Zudem waren einige 4K-Videos dabei. Die Akkus werden nacheinander geleert und die Kamera funktioniert auch mit nur einem Akku. Es kann also bei Bedarf einer der beiden extern geladen werden, während man mit dem anderen fotografiert. Ebenso kann die Kamera in Aufnahmepausen per USB-Zusatzakku nachgeladen werden, sofern dieser PD (Power-Delivery) unterstützt. Ein Betrieb der Kamera mit leeren Akkus nur über eine Powerbank ist nicht möglich. Für den Dauerbetrieb im Studio hat die GFX100 einen 15V-Netzteilanschluss.

Einzig das große Gehäuse und das hohe Gewicht erinnern einen natürlich jederzeit daran, dass man es hier mit einem großformatigen Foto-Boliden zu tun hat. Die Kamera allein wiegt schon 1,4 kg mit 2 Akkus und dem wechselbaren elektronischen Sucher. Dazu kommt das Objektiv, das bei dem großen Bildkreis von 55 Millimetern natürlich auch weder besonders klein noch leicht ausfällt. Das GF32-46mmF4-Objektiv, das ich beim Test drauf hatte, wiegt beispielsweise noch einmal 875 Gramm, zusammen also knapp  2,3 Kilogramm. Dennoch muss ich sagen, hat mir (eigentlich Liebhaber von kleinen bis sehr kleinen Kameras) der Tag mit der GFX100 viel Spaß gemacht hat und mir war das Gewicht überhaupt nicht lästig. Die Kamera liegt super in der Hand, was man allein von den Fotos her vielleicht gar nicht erwarten würde. Der Griff steht nicht allzu weit vor, ist aber sehr gut ausgeformt, sodass sich die Finger gut darin "festkrallen" können. Mit dem 32-64mm-Zoom ist die Balance so ausgeglichen, dass man die Kamera allein mit den vier Findern der Hand tragen kann, ohne mit dem Daumen gegenzuhalten. Nimmt man dann die Kamera ans Auge, sorgt ein "Hörnchen" dafür, dass der Daumen die Kamera stützt, ohne dass man überhaupt stark festpacken muss. Man mag es kaum glauben, aber die recht große und recht schwere Kamera ist dadurch einhandtauglich.

Zu der guten Griffigkeit trägt auch die Gehäuseoberfläche bei. Dabei hat sich Fujifilm für ganz moderne, scheinbar relativ glatte Oberflächen entschieden, jedenfalls sieht man keinerlei lederähnliche Narbung. Tatsächlich ist der Haupt-Griffbereich und alles, was auf den Fotos dunkel wirkt, mit einem gummiartigen, sehr griffigen Überzug versehen und fühlt sich sehr angenehm an. Die auf Fotos grauen Bereiche sind tatsächlich lackiertes Metall. Auch hier hat Fujifilm einen sehr griffigen matten Lack gewählt, sodass sich die Kamera auch im Hochformat super anfässt und handhaben lässt. Den Designern von Fujifilm ist es somit gelungen ein zeitgemäßes, nicht altbackenes, sondern eher zeitlos-modernes Design zu entwickeln, wozu auch das Zweifarben-Design beiträgt, das gleichzeitig super ergonomisch ist.

Bedienung

Einen mutigen Schritt sind die Entwickler auch bei der Bedienung gegangen. Fujifilm steht hier ja eigentlich für eine besonders "traditionelle" ("altmodisch" darf man in dem Zusammenhang ja nicht sagen, das gibt Ärger von allen Seiten) Bedienung mit Drehrädchen für ISO-Zahl und Belichtungszeit. Das mag für "alte Hasen" gut und praktisch sein, hat aber durchaus auch Nachteile. Beispielsweise kosten solche Bedienelemente viel Platz, der dann für anderes fehlt.

Fujifilm hat deshalb bei der GFX100 ganz darauf verzichtet und den Platz auf der linken Gehäuseseite stattdessen für einen großen Modus/Drive-Wahlschalter genutzt. Auf der rechten Schulter thront hingegen ein vergleichsweise riesiges Zweit-Display, das jede Menge Platz für alle möglichen Anzeigen bietet. Es kann drei verschiedene Zustände einnehmen:

  • Im ersten Fall finden alle wichtigen Status-Informationen darauf Platz, das ist der Modus, der mir an dieser Stelle am liebsten ist, und den ich vorrangig genutzt haben.
  • Möglichkeit zwei richtet sich an die Liebhaber der analogen Einstellräder: diese werden dann virtuell dargestellt, was ich ebenfalls durchaus gelungen finde. Das vordere, mit dem Zeigefinger bediente Drehrad stellt dann die Belichtungszeit ein (mit "S. S." für Shutter Speed" beschriftet). Das hintere, mit dem Daumen bediente Drehrad stellt die ISO-Zahl ein. Zusätzlich wird die Blende angezeigt und eine Skala für die Belichtungskorrektur. Also die wichtigsten Informationen grafisch sehr ansprechend auf einem Blick, was will man mehr?
  • Ein dritter Modus zeigt riesengroß ausschließlich ein Histogramm an. Kann man haben, muss man aber sicherlich nicht an dieser Stelle. Die anderen beiden Anzeige-Modi dürften in der Praxis die sinnvolleren sein.

Rechts neben dem Display ist ein nicht beschrifteter, größerer Taster, mit dem man den Belichtungs-Modus wechselt, also normalerweise zwischen Programmautomatik und Blendenautomatik umschaltet (die Blendenvorwahl wird dadurch aktiviert, dass man den Blendenring am Objektiv aus der A-Stellung wegbewegt). Ein kleinerer Knopf schaltet die drei beschriebenen Display-Modi durch, sie lassen sich also blitzschnell ohne Umweg übers Menü auswählen. Ein dritter Knopf schaltet die Display-Beleuchtung ein. Damit wechselt das Schulterdisplay gleichzeitig die Darstellung von Negativ auf Positiv. Wer also die Positiv-Darstellung schöner findet, lässt einfach die Beleuchtung an. Im Stromverbrauch dürfte sich das nicht gravierend auswirken. Das Status-Display behält seine letzte Anzeige (in Weiß-auf-Schwarz-Darstellung) übrigens auch, wenn die Kamera "ausgeschaltet" ist (eigentlich ist sie im Standby), viel Strom scheint es also nicht zu schlucken.

Unter dem Monitor hat die GFX100 ein weiteres breites Status-Display. Auch dieses ist konfigurierbar, es gibt vier verschiedene Modi, auf die ich hier nicht im Detail eingehen will. Sehr gefallen hat mir an dieser Stelle aber die Möglichkeit, die Belichtungskorrektur-Skala einzublenden. So sehe ich gleich, wenn ich die Kamera einschalte, ziemlich unübersehbar, wie die Belichtungskorrektur eingestellt ist.

Genug zur Bedienung. Jetzt zur Bildqualität. Die ist großartig. Nicht nur die schiere Pixelzahl ist spektakulär. Die 102 Megapixel gelingen auch noch richtig gut. Rauschen sind praktisch kein Thema, selbst in höheren ISO-Stufen sind die Aufnahmen noch erstaunlich gut. Das Rauschen hat Fujifilm wirklich gut im Griff. Die Detailaufbereitung ebenso. Der Autofokus ist ebenfalls auf der Höhe der Zeit. Dank Hybrid-Autofokus mit 3,76 Millionen Pixeln erfolgt die Scharfstellung schnell und sicher. Die Scharfstellung soll mit den bestehenden GFX-Objektiven 1,5 bis 2 Mal schneller sein im Vergleich zu den beiden bisherigen GFX-Kameras, die lediglich einen Konstrastautofokus hatten. Zudem ist ein zeitgemäßer Gesichts- und Augenautofokus vorhanden und individuell auf die Aufnahmesituation konfigurierbar.  Manuell kann der Autofokus über den Joystick (es sind tatsächlich ja zwei, aber je nach Querformat- oder Hochformat-Handhaltung ist nur der jeweils zugehörige aktiv) oder per Touchscreen gewählt werden (auch wenn man durch den Sucher schaut). Bei Gruppenaufnahmen mit mehreren erkannten Gesichtern kann man so zwischen den erkannten Gesichtern wechseln, damit wirklich auf die Hauptperson scharfgestellt wird. Die Schärfentiefe ist bei so einem großen Sensor natürlich brutal klein. Häufiger als sonst habe ich bei der GFX100 eine passende kleine Blende vorgewählt, um ausreichend Schärfentiefe zu bekommen. Der Dynamikumfang ist super. Dazu gibt es natürlich die Fujifilm-typischen Dynamic-Range-Einstellungen. Ich nutze sehr gerne DR200 und DR400, um hohe Kontraste abbilden zu können. Bei unseren Aufnahmen im gleißenden Sonnenlicht mit vielen Schatten gab es die Situation häufig. Auch die Filmsimulationen hat Fujifilm bei dieser Profi-Kamera eingebaut. Mein Favorit ist die Velvia-Film-Simulation, was in etwas Vivid-Color, also intensiveren Farben, entspricht; etliche Testaufnahmen sind in dieser Einstellung entstanden.

200-MByte-Raw-Dateien

Die 102-Megapixel-Fotos der Fujifilm GFX100 sind als Raw-Dateien ziemlich genau 200 MByte groß, ohne die evtl. parallel aufgenommenen JPEGs, die wiegen auch nochmal 50 MByte in Superfine-Qualität. Das stellt einige Anforderungen an die Weiterverarbeitung. Das ist zwar viel, aber heutzutage eigentlich gut handlebar. Video-Filmer schlagen sich mit ganz anderen Datenmengen herum. Aber die Bilder wollen auch gesichtet und bearbeitet werden.

Die aktuelle Version von Adobe Lightroom Classic öffnet die Raw-Dataien zwar. Eine offizielle Unterstützung gibt es aber derzeit noch nicht und die Qualität ist derzeit (Stand Ende Mai 2019) auch noch nicht gut. Zudem dauert es selbst auf recht aktueller und leistungsfähigen PC-Hardware sehr lange, bis die Bilder Raw-Dateien in voller Auflösung angezeigt werden.

Phase One hat für seinen Rohdatenkonverter Capture One ebenfalls eine Unterstützung für die GFX100 angekündigt. Auf der GFX100-Launch-Veranstaltung lief auch schon eine Version, die die GFX100 inklusive Tethering (Kamera-Fernsteuerung) unterstützte. Die Capture-One-Version, die man aktuell herunterladen kann, unterstützt die GFX100 jedoch noch nicht.

Fazit

An der Fujifilm GRX100 gibt es praktisch nichts zu kritisieren. Das Bedienkonzept der Fujifilm GFX100 ist, wenn man sich drauf einlässt, gut und zeitgemäß (schön, dass die GFX100 mal nicht "retro" ist). Autofokus und Geschwindigkeit setzen bei dieser Sensorgröße und Pixelzahl neue Maßstäbe. Die Kamera bedient sich, wenn man es will, wie eine Einsteiger- oder Mittelklasse-Kamera; denn alle nötigen Automatiken sind vorhanden. Aber auch der Profi findet alles, was er braucht, sogar für 4K-Videos mit 30 fps unter Nutzung der vollen Sensorbreite. Dabei ist die Kamera inklusive Objektiv durchaus noch tragbar und kann dank Bildstabilisator selbst bei der hohen 102-Megapixel-Auflösung noch ohne Stativ verwendet werden. Mit der GFX100 ist Fujifilm wirklich ein großer Wurf gelungen.


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Jan-Markus Rupprecht

Jan-Markus Rupprecht, 59, fotografiert mit Digitalkameras seit 1995, zunächst beruflich für die Technische Dokumentation. Aus Begeisterung für die damals neue Technik gründete er 1997 digitalkamera.de, das Online-Portal zur Digitalfotografie, von dem er bis heute Chefredakteur und Herausgeber ist. 2013 startete er digitalEyes.de als weiteres Online-Magazin, das den Bogen der digitalen Bildaufzeichnung noch weiter spannt.