Nano-Coating

Canon führt neue biomimetrische SWC-Vergütung bei Objektiven ein

2008-10-16 Mit dem für November 2008 angekündigten lichtstarken Weitwinkelobjektiv EF 24mm f/1.4L II USM (siehe weiterführenden Link) führt Canon eine neuartige Vergütungstechnologie mit der Bezeichnung SWC (für "Sub Wavelength Structure Coating") ein. Die per Nano-Technologie entwickelte, biomimetrische Frontlinsen-Beschichtung soll in der Lage sein, Sekundär-Reflexionen, Geisterbilder und Streulicht auf dem Weg des Lichts zwischen den Objektivsegmenten und der Bildsensor-Oberfläche (gegenüber der bisherigen, aufgedampften Super-Spectra-Beschichtung von Canon) drastisch zu minimieren. Canon wird die fortschrittliche Technologie daher künftig bei hochwertigen Objektiven mit stark gekrümmten Linsenoberflächen, d. h. vorwiegend bei Weitwinkelobjektiven, einsetzen.  (Jan-Gert Hagemeyer)

Canon SWC Beschichtung – Schematische Darstellung [Foto: Canon] Das Phänomen der teilweisen Reflexion tritt immer dann auf, wenn Licht auf eine Grenzfläche auftrifft, etwa Luft/Glas oder umgekehrt. Ein geringer Teil des auftreffenden Lichts wird dabei nach bestimmten optischen Gesetzmäßigkeiten reflektiert. Trifft ein Lichtstrahl etwa senkrecht auf eine ebene, unvergütete Glasscheibe, so werden von den beiden Grenzflächen, die er passiert (Luft/Glas und Glas/Luft), insgesamt 7,84 Prozent des Lichts reflektiert, dieser Teilreflexions-Verlust geht dem Bildsignal verloren. Trifft der Lichtstrahl hingegen in einem spitzen oder stumpfen Winkel auf dieselbe Glasfläche, so gehen schon 9,8 Prozent des Lichts verloren, und ein geringer Teil des Lichts (0,2 %) "vagabundiert" als Streulicht bzw. Geisterbild im optischen System. Bei konkaven oder konvexen Linsen- bzw. Linsengruppenflächen von Objektiven gilt diese so genannte Fresnelsche Reflexionsformel ebenso, jedoch vermehren sich dort die Lichteinbußen (und deren Folgeerscheinungen) auf dem Weg zum Bildsensor immer dann, wenn eine neue Grenzfläche passiert worden ist. Bei einem einfachen unvergüteten Triplet (einem Objektiv aus zwei Einzellinsen und einer Linsengruppe) etwa erreicht der Lichtverlust Klassische Vergütung, Prinzip – Minderung des reflektierten Lichtes [Foto: Canon] bereits 27 Prozent, wie man im "Handbuch der Fotografie" Band 1 von Jost J. Marchesi nachlesen kann (siehe weiterführenden Link). Weiterer Nachteil: Die teilreflektierten Lichtstrahlen sind nicht nur für die eigentliche Bildgebung verloren, sondern sie erzeugen obendrein Nebenbilder (Geisterbilder), die das Hauptbild überlagern und damit seine Brillanz beeinträchtigen.

Zur Vermeidung dieser Bild störenden Effekte haben die Zeiss-Werke schon in den Jahren 1934 bis 1936 reflexionsmindernde Beläge, meist aus Leichtmetallfluoriden mit anderen Brechungsindizes als Glas und Luft, entwickelt, die im Hochvakuum auf einzelne Linsen aufgedampft werden. Das Prinzip dahinter: Die Antireflexbeläge werden durch Wahl ihres Brechungsindex' auf eine bestimmte Lichtwellenlänge – etwa 500 Nanometer (nm) – eingestellt und außerdem bei der Aufdampfung in einer bestimmten Schichtdicke einer bestimmten Wellenlänge des sichtbaren Lichts (etwa ¼ der Lichtwellenlänge, hier also 125 nm) angepasst (siehe Bild rechts). Das Ergebnis: Durch Milderung der Teilreflexion einerseits reduziert sich der Canon SWC Beschichtung – Schematische Darstellung [Foto: Canon] Lichtverlust beim Durchtritt, und durch den Einfluss der Interferenz ("Licht wird durch Licht eliminiert") andererseits kann die Teilreflexion – jedenfalls für die definierte Wellenlänge – gänzlich aufgehoben werden. Durch Mehrfachbedampfung (Multicoating) mit unterschiedlich brechenden Belägen in obendrein unterschiedlicher Stärke ist es vielen Objektiv-Herstellern inzwischen gelungen, die Bild störenden Teilreflexionen für praktisch alle Wellenlängen des sichtbaren Lichts weitgehend zu unterbinden. Dabei werden nicht etwa sämtliche Einzellinsen im Objektiv entsprechend vergütet, sondern nur diejenigen, bei denen dies im Strahlengang besonders notwendig ist. Am farbigen Reflex der Objektiv-Frontlinsen kann man per Augenschein leicht feststellen, auf welche Wellenlänge ein Hersteller sein Objektiv vorwiegend abgestimmt hat: Erscheint die Oberfläche etwa purpurn, dann ist die Vergütung auf 550 nm (grün) abgestimmt, erscheint sie gelblich ("Goldvergütung"), dann erfolgte die Abstimmung auf eine Wellenlänge von 450 nm (blauviolett). Die Objektiv-Hersteller sind bemüht, ihre Wechselobjektiv-Paletten durch Wahl der entsprechenden Leichtmetallverbindungen jeweils einheitlich zu vergüten, so dass sie alle dieselbe Eigenfarbdichte besitzen.

Canon hat bisher gleichfalls dieses Multicoating-Verfahren (bei Canon "Super-Spectra Coating" genannt) angewandt, um objektivinterne Sekundärreflexe, Geisterbilder und Streulicht zu minimieren. Aber eben nur zu minimieren, denn die Feinabstimmung von Brechungsindizes der Beschichtungsstoffe auf der einen und der jeweiligen Schichtdicke auf der anderen Seite funktioniert nur für jeweils eine dezidierte Lichtwellenlänge. Das sichtbare Licht deckt aber nun mal den Bereich von ca. 400 bis 700 Nanometer (nm) ab – wenn man so will, also ganzzahlige 300 Wellenlängen. Außerdem ist das Verhalten der unterschiedlichen Lichtfarben, sprich Wellenlängen, im Objektiv auch noch vom Einfallswinkel abhängig, Weitwinkelobjektive sind daher anfälliger für die beschriebenen Bildstörungen als Teleobjektive. Die Erkenntnis dieser Unzulänglichkeiten hat nun erstmals bei Canon zur Entwicklung eines neuen Beschichtungsverfahrens mit der Bezeichnung Sub Wavelength Structure Coating (kurz SWC) geführt. Dabei wird die Canon EF 24mm f1.4 L II USM [Foto: Canon] Innenseite von Weitwinkel-Frontlinsen mit einer Art Minikegel-Armierung versehen (siehe Bild). Die Minikegel im Nano-Maßstab (Milliardstel Meter) bestehen aus unterschiedlich lichtbrechenden Materialien und sind unterschiedlich lang, besser gesagt kurz, nämlich wiederum (ähnlich wie beim Multicoating) kürzer als die Lichtwellenlängen, daher der Name "Sub Wavelength". Diese biomimetisch (Technik, der Natur nachgeahmt) genannte Vergütung soll nun wahre Wunder wirken, vor allem bei schräg einfallenden Lichtstrahlen jeglicher Wellenlänge, die bei WW-Objektiven in der Mehrzahl sind. Das bewirkt die SWC-Beschichtung im Nano-Maßstab dadurch, dass schräg eintretende Lichtstrahlen jeglicher Wellenlänge beim Durchtritt durch diese pelzartige Mini-Kegel-Anordnung so gebrochen werden, dass sie die Grenzfläche zwischen Beschichtung und Glaslinse nahezu senkrecht erreichen, in der oberen Zone A (siehe Bild links) ist die Dichte der Feinstruktur nur gering, so dass dort ein geringer Brechungsindex vorliegt; dieser erhöht sich stufenlos bis zur Zone D mit dem höchsten Brechungsindex. Dadurch sollen im Endeffekt sämtliche mit der Teilreflexion auftretenden Folgeerscheinungen "dramatisch", wie es Canon formuliert, reduziert werden.

Das Herstellungsverfahren hat Canon nicht preisgegeben, vermutlich liegen auch Patente darauf. Jedoch beabsichtigt der Objektiv-Hersteller, die neue Vergütungstechnologie künftig in allen "High-Performance-Linsen" einzusetzen, vornehmlich bei solchen mit stark gekrümmten Linsenoberflächen. Wir sind gespannt, wie sich dies bei unseren DCTau-Tests auswirken wird; die Auslieferung des ersten Objektivs mit SWC-Vergütung, des EF 24 mm F1.4L II USM (Bild rechts), beginnt erst im November 2008.

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