Kampf gegen Fake-Angebote?

Amazon beschränkt den Marketplace für Privat-Kunden und kleine Händler

2017-02-10 Vielleicht haben Sie sich auch schon über unrealistisch günstige Angebote bei Amazon gewundert. Hinter diesen standen betrügerische Anbieter. Dem Phänomen stand Amazon erstaunlich lange scheinbar machtlos gegenüber. Jetzt reagiert der Online-Riese – überreagiert, könnte man auch sagen – mit dem Defakto-Ausschluss aller kleinen Händler und auch Privat-Anbieter. Einfach mal eine gebrauchte Kamera oder ein Objektiv auf Amazon verkaufen – das ist vorbei. Selbst eine CD oder DVD, die man selbst auf Amazon gekauft hat, kann man dort nun nicht mehr verkaufen.  (Jan-Markus Rupprecht)

Amazon ist das größte Shopping-Portal der Welt. Dies nicht zuletzt dadurch, dass dort so ziemlich alles erhältlich ist – nicht notwendigerweise durch Amazon direkt, sondern auch durch andere Händler. Dieses System – Amazon Marketplace genannt – ist ein Grund, warum Amazon so groß geworden ist. Ich habe keine genauen Zahlen davon, aber wenn man sich die Angebote auf Amazon anschaut, dann sieht man, dass weitaus mehr Produkte von anderen Händlern dort verkauf werden als von Amazon selbst. Auch für die Sachen, die Amazon selbst anbietet, gibt es oft noch dutzende weitere Händler, die denselben Artikel anbieten. Oft teurer als Amazon, was natürlich überhaupt keinen Sinn macht, mitunter aber auch günstiger. Und nicht nur neu, sondern auch gebraucht. Und auch durch Privatpersonen.

So war es bislang kein Problem, beispielsweise ein Buch, wenn man es ausgelesen hat, oder eine CD, wenn man sich an der übergehört hat (oder in MP3 konvertiert auf seiner Festplatte gespeichert hat) wieder bei Amazon zu verkaufen. Dasselbe galt für eine Digitalkamera, für ein Objektiv oder ein Blitzgerät oder anderes Foto-Zubehör, um bei den Produkten zu bleiben, mit denen wir uns auf digitalkamera.de beschäften. Das Praktische am Verkaufen auf Amazon war immer, dass man sich um eine Produktbeschreibung ebenso wenig kümmern musste wie darum, wie das Geld zu einem kommt. Das Anbieten eines Produkts zum Verkauf dauerte im Grunde nur eine Minute und war äußert bequem. Das ist nun allerdings vielfach vorbei!

  • Bild Die "Bei Amazon verkaufen" suggeriert zunächst, das alles in Ordnung ist. Dabei sind viele Marken für den Verkauf im Amazon-Marketplace gesperrt. [Foto: MediaNord]

    Die "Bei Amazon verkaufen" suggeriert zunächst, das alles in Ordnung ist. Dabei sind viele Marken für den Verkauf im Amazon-Marketplace gesperrt. [Foto: MediaNord]

  • Bild Auf der Folgeseite erwährt man, dass man eine Freischaltung benötigt, um Produkte der Marke anzubieten. Für eine Freischaltung müsste man drei Rechnungen über mindestens 30 Einheiten oder ein Erlaubnisschreiben des Herstellers einreichen. [Foto: MediaNord]

    Auf der Folgeseite erwährt man, dass man eine Freischaltung benötigt, um Produkte der Marke anzubieten. Für eine Freischaltung müsste man drei Rechnungen über mindestens 30 Einheiten oder ein Erlaubnisschreiben des Herstellers einreichen. [Foto: MediaNord]

Wer heute versucht, auf Amazon beispielsweise ein gebrauchtes Objektiv von Panasonic, eine Kamera von Canon oder eine Actioncam von Yi Technology anzubieten, bekommt den mit einem Warnsymbol gekennzeichneten Hinweis "Sie benötigen eine Freischaltung, um diese Marke anzubieten." Dasselbe gilt für die meisten anderen großen Marken. Wer auf die Schaltfläche "Antrag stellen" klickt, gelangt zur Seite "Freischaltungsantrag für Marke". Dort müssen erforderliche Unterlagen hochgeladen werden:

Entweder drei verschiedene Rechnungen für den Kauf von Produkten der Marke über insgesamt mindestens 30 Einheiten und mindestens 5 verschiedene Produkte der Marke. Die Rechnungen dürfen nicht älter als 180 Tage sein. Die Preise dürfen geschwärzt sein, die Lieferantenadressen nicht. Ein Händler beispielsweise, der regelmäßig Produkte des Herstellers, für den er die Freischaltung beantragt, wird die 30 Einheiten sicherlich leicht belegen können, ein Privatkunde, der sein gebrauchtes Objektiv verkaufen will, aber natürlich nicht. Auch kleinere Händler, der nicht so viele Produkte eines Herstellers beziehen (oder in den vergangenen 180 Tagen bezogen haben), gucken in die Röhre. Alternativ zu den Rechnungen kann ein Autorisierungsschreiben (ebenfalls nicht älter als 180 Tage) des Markeninhabers eingereicht werden, das den Verkauf der Produkte gestattet. Ein solches dürfte nur in Ausnahmefällen zu bekommen sein.

Die neue Registrierungspflicht gilt für die meisten bekannten Marken, wie z. B. Canon, Panasonic, Pentax oder Sony und auch für hierzulande weniger bekannte Marken, wie z. B. den chinesischen Hersteller Yi Technology, der kürzlich eine Systemkamera vorgestellt hat. Für andere durchaus etablierte, aber wohl nicht hinreichend bekannte Foto-Marken, wie z. B. Kaiser Fototechnik, gilt die Freischaltungspflicht bislang nicht (auf dieses Beispiel kommen wir unten noch zurück) und auch die Produkte von Nikon erfordern bislang noch keine Freischaltung.

Und die Sache wurde aktuell offenbar noch drastisch ausgeweitet. Wer beispielsweise innerhalb der letzten 365 Tage auf Amazon.de keine CD, DVD oder BluRay-Disk verkauft hat, kann dies künftig (zumindest vorläufig) nicht mehr tun. Zwar gibt es auch hier weiter einen Schaltfläche "Bei Amazon verkaufen", klickt man dort kommt jedoch der Hinweis "Sie sind nicht berechtigt, Angebote für Produkte dieser Kategorie einzustellen, und eine Freischaltung ist derzeit nicht möglich." Der Link "Weitere Informationen" bringt einen auf eine allgemeine Info-Seite, die zwar unter anderem die erstaunliche Information enthält, dass man vor Weihnachten keine Spielsachen verkaufen darf, warum aber der Verkauf in der CD/DVD/BluRay-Kategorie eingeschränkt ist, erfährt man nicht. So muss sich der Amazon-Support mit solchen Anfragen herumschlagen, weiß aber auch keinen Rat, sondern bestätigt lediglich, dass Verkäufer, die in der Rubrik in den letzten 365 Tagen nicht erfolgreich waren, derzeit dort nichts einstellen dürfen. Wie lange der Zustand so bleiben soll oder warum diese Maßnahme ergriffen wurde, ist auch dem Support nicht bekannt.

  • Bild Selbst CDs, DVDs oder Blurays, die man selber bei Amazon gekauft hat, kann man dort nun nicht wieder verkaufen. [Foto: MediaNord]

    Selbst CDs, DVDs oder Blurays, die man selber bei Amazon gekauft hat, kann man dort nun nicht wieder verkaufen. [Foto: MediaNord]

  • Bild Wenn man in den letzten 365 Tagen keine CD, DVD oder Bluray verkauft hat, heißt es stattdessen: "Sie sind nicht berechtigt, Angebote für Produkte dieser Kategorie einzustellen, und eine Freischaltung ist derzeit nicht möglich.". [Foto: MediaNord]

    Wenn man in den letzten 365 Tagen keine CD, DVD oder Bluray verkauft hat, heißt es stattdessen: "Sie sind nicht berechtigt, Angebote für Produkte dieser Kategorie einzustellen, und eine Freischaltung ist derzeit nicht möglich.". [Foto: MediaNord]

Bei den Einschränkungen der Technik-Marken dürfte die Sache hingegen klar sein. Amazon kämpft – seit Jahren, muss man sagen, aber nach unserer Beobachtung in den zurückliegenden Monaten verstärkt – mit so genannten Fake-Angeboten. Dabei wird der Amazon-Marketplace mit Angeboten offensichtlicher Betrüger überflutet, die Produkte zu unrealistisch günstigen Preisen einstellen, immer verbunden mit dem Hinweistext, sich vor dem Verkauf über eine E-Mail-Adresse mit dem Händler in Verbindung zu setzen. Die Accounts sind oftmals neu, haben keine oder nur sehr wenige Bewertungen. Es wurden aber auch offenbar schon öfter Amazon-Accounts gekapert (vermutlich durch Fishing-Mails) und die Fake-Angeboten dann unter bestehenden Accounts mit echten Bewertungen veröffentlicht. Man mag es kaum glauben, aber es soll Menschen geben, die statt (wie eigentlich üblich und normal) bei Amazon auf den Kaufen-Knopf zu drücken, tatsächlich per E-Mail Kontakt mit dem vermeintlichen Verkäufer aufnehmen und auf dessen Wunsch dann ihr Geld per Banküberweisung oder auf anderen Wegen in die Welt transferieren (womöglich durch Übermittlung der vollständigen Kreditkartendaten). Die Angebote werden teilweise als Gebrauchtware, teilweise aber auch Neuware eingestellt und sind natürlich ein großes Ärgernis für Amazon selbst, aber auch für dessen Partner.

Fortsetzung auf Seite 2

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Jan-Markus Rupprecht

Jan-Markus Rupprecht, 59, fotografiert mit Digitalkameras seit 1995, zunächst beruflich für die Technische Dokumentation. Aus Begeisterung für die damals neue Technik gründete er 1997 digitalkamera.de, das Online-Portal zur Digitalfotografie, von dem er bis heute Chefredakteur und Herausgeber ist. 2013 startete er digitalEyes.de als weiteres Online-Magazin, das den Bogen der digitalen Bildaufzeichnung noch weiter spannt.