Randnotizen

Wenn der Pressefotograf zum Bilderlieferanten wird – Ein paar Gedanken zur Videofunktion neuer DSLRs

2008-10-15 Da haben wir sie nun! Mit der D90 sowie EOS 5D Mark II haben uns Nikon und Canon die ersten digitalen Spiegelreflexkameras mit Videoaufzeichnungs-Funktion beschert. Stellt dies für den Foto-Amateur zweifelsohne eine Bereicherung dar (schließlich braucht man je nach Motiv nicht mehr unbedingt Fotoapparat und Camcorder gleichzeitig zu besitzen und überall hin mitzuschleppen), sehen die Pressefotografen dieser Entwicklung mit einem etwas argwöhnischerem Auge entgegen – etwas worauf mich ein ehemaliger Arbeitskollege und guter Freund bei meinem letzten Luxemburg-Besuch aufmerksam gemacht hat.  (Yvan Boeres)

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Tatsächlich steht der Beruf des Pressefotografen erneut vor einem Umbruch. In den 70er-Jahren durch solche Filme wie "The Killing Fields" und durch den Boom der Bild-/Nachrichtenagenturen (man denke an Magnum, SIPA, AP, AFP, DPA, UPI usw.) fast schon wie Stars gefeiert, verloren die Pressefotografen den ihnen gebührenden Respekt spätestens an dem Tag, als eine Meute knipswütiger Paparazzi Prinzessin Diana regelrecht in den Tod trieb. Mit dem Siegeszug der digitalen Fotografie kam die nächste Herausforderung für die Pressefotografen. Zwar erleichterten Film-Scanner und später digitale Kameras ihnen die Arbeit ungemein, aber man musste sich zuerst an die neue Technik gewöhnen. Als es dann endlich so weit war, war die digitale Fotografie so weit fortgeschritten, dass Amateure dank immer performanterer Automatiken auch ohne größeren fotografischen Kenntnisse immer bessere Bilder machten. Viele Redaktionen begannen, die Arbeit des Hausfotografen an mit Digitalkameras ausgestattete Redakteure oder an Freizeit-Korrespondenten zu delegieren; die wenig übrig gebliebenen fest angestellten Fotografen bekamen die Aufträge übertragen, für die sich die Redakteure zu schade waren oder die diese sich nicht zutrauten.

Mit dem Erscheinen erster DSLRs mit Videofunktion sehen einige Pressefotografen die nächste große existenzbedrohende Veränderung auf sie zukommen. Seit Jahren steckt die Tagespresse (einer der traditionell größten Abnehmer von Pressefotos) in der Krise und natürlich wird auch in der News-Branche rationalisiert was das Zeug hält. Vor allem die junge Leserschaft holt sich seine News lieber aus dem Internet als aus der Zeitung; die zu den Nachrichten passenden Bilder findet man als Videoclips auf YouTube & Co.. Die wenigen Verlage, die aus dem Dornröschenschlaf aufgewacht sind bzw. einen Realitäts-Check gemacht haben, möchten zwar das klassische Printmedium nicht aufgeben, wollen aber dem Leserschwund mit eigenen Videoportalen entgegenwirken. Das Bildmaterial dafür sollen die Leser selbst kostenlos liefern (das prominenteste Beispiel ist der BILD-Leserreporter des größten deutschen Boulevardmagazins) – und jetzt wo die DSLRs auch filmen können, denkt man in den Verlagen auch daran, den Hausfotografen in diese Arbeit mit einzuspannen.

Bisher beschränkte sich der "Nebenjob" des Tageszeitungs-Fotografen auf das Mitbringen der Pressemappe (wenn der Redakteur mal keine Zeit und/oder Lust hatte, selbst vor Ort anzutreten) und das Abholen der Chefredakteurs-Sprößlinge aus dem Kindergarten. Doch bald könnte er auch noch eine weitere Doppelrolle spielen müssen. Denn warum einen Fotografen und einen Kameramann oder Hobby-Filmer gleichzeitig zu einem Ereignis schicken, wenn Ersterer mit seiner Kamera gleich Fotos für die Zeitung und Filmchen für das Videoportal liefern kann!?! Und das in (Full-)HD-Qualität – besser als mit jedem Fotohandy gefilmt. Der Versuchung einer solchen Ersparnis wird wohl kaum ein Verlag widerstehen können. Und so fürchten nicht wenige Pressefotografen, dass sie sehr bald auch die Arbeit eines Kameramanns tun dürfen.

In diesem Beitrag geht es nicht darum, ein "Horrorszenario" zu entwickeln oder Mitleid für die armen Pressefotografen zu erregen. In allen Branchen befindet sich die Arbeitswelt im ständigen Umbruch und so wie die Sekretärin schon seit langem neben ihrem eigentlich Job noch die Rolle der Kaffeetrösterin und der Seelsorge für ihren Chef spielen muss, so wie der Gesetzeshüter nach Dienstende seine Polizisten-Uniform gegen eine Wachmann-Uniform eintauscht, so wie der Buchautor zum Teil auch die Arbeiten eines Layouters übernehmen muss und so wie viele andere Bundesbürger/-innen heutzutage mehreren Nebenjobs nachgehen, um finanziell über die Runden zu kommen, bleibt auch der Beruf des Pressefotografen nicht von den Rationalisierungsmaßnahmen und Veränderungen der Arbeitsbedingungen verschont. Für uns alle sind die goldenen Zeiten vorbei, wo man nur einem Job nachzugehen brauchte; ob das gut ist oder nicht, ist eine andere Frage, aber die Moral dieser Geschichte hier ist, dass der technische Fortschritt dem Amateurfotografen Freude und dem Pressefotografen eher neue Sorgen gebracht hat.

Kommentare

Benjamin Kirchheim 2008-10-15

Einher geht das Ganze leider mit einem erschreckenden Qualitätsverfall. Beispiel die Internetseite der Lübecker Nachrichten (www.ln-online.de): Viele der Artikel sind mit technisch grausamen Bildern ausgestattet. Falsch belichtet, schiefer Horizont, Handyqualität mit ausgewaschenen Farben und fehlender Detailzeichnung. Es ist ein Trauerspiel, aber die meisten Konsumenten scheint das nicht zu stören.

Selbiges fürchte ich auch bei den Videos. Das Erstellen von kurzen Filmen in professioneller Qualität erfordert viel Aufwand. Was man alles filmt, welche Bilder also gesehen werden, die Geschichte, die Aussage, ein guter Schnitt und Kommentar sind nicht mal eben nebenher beim Fotografieren gemacht.

ehemalige dk-Benutzer 2008-10-18

Hallo,

leider ist es immer so, das mit der Geschwindigkeit die Qualität flöten geht. Das betrifft Produktion von Geräten, das betrifft das erstellen von Fotos, Beiträgen. Das erziehen von Kindern, Lehrinhalte vermitteln.

Also immer mehr in immer kürzerer Zeit. Dabei gehen auch so manche beachtenswerte zwischentöne verloren.

Der Wandel in unserer Zeit ist augenfällig, das betrifft vor allem die Branchen die mit Elektronic jeglicher Art zu tun hat.

Heute morgen NEU, bis zur Pause ALT.

Aber letztendlich ist es am Menschen selbst, diesen Zyklus zu durchbrechen und sich dieser Hektik zu verweigern.

Dann macht es ein anderer- und, wenn es dieser nun nicht macht, und alle anderen auch nicht?

Letztendlich ist es an den Leuten selbst, das ganze auch so zu verkaufen, mit dem Argument "Kann ich schon, kein Problem, aber die Zeit ist so eng, das es für die relevanten News keinen Platz mehr gibt. Unsere Kunden wollen da schon etwas mehr an Qualität, können Sie das selbst so machen?"

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