DCTau-Labortests

Kameratest - Objektivtest?

2008-11-08 Bei digitalkamera.de beschäftigen wir uns regelmäßig damit Tests möglichst praxisgerecht zu gestalten. Hier stellt sich wiederholt eine grundlegende Frage:  (Anders Uschold)

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Hallo in die Runde!

Kann man Kameras und Objektive isoliert testen?

Die Antwort im digitalen Zeitalter ist einfach: Nein!

Analog war es relativ einfach, denn die Kameras für sich hatten die Aufgabe Belichtung, Autofokus und Transport möglichst angenehm und flexibel zu steuern. Die Objektive waren für sich geschlossene Systeme, die auch so konzipiert und getestet werden konnten. Wechselwirkungen hielten sich in sehr engen Grenzen, z.B. eine mangelnde Planlage des Films oder Streuungen im Auflagemaß oder AF sorgten dafür, dass die theoretischen Grenzleistungen des Luftbildes der Optik nicht ausreichend auf den Film gebracht werden konnten. Oder hochempfindliche Filme leisteten nicht die Auflösung mancher hervorragender Optiken.

Digital ist nun alles anders. Allen voran die Unterschiede von Sensoren und Film:

  • Silbersalze sind sehr tolerant bei schräg einfallendem Licht, Silizium oder Mikrolinsen sind es gar nicht.
  • Silbersalzkristalle sind chaotisch in der Emulsion verteilt, Sensorzellen haben ein festes Raster und auch noch eine Filtermaske.
  • Für Film galt im Endeffekt ein Auflösungsstandard, bei Kleinbild waren es 50 LP/mm. Auf diesen Standard konnte man Objektive rechnen und auch vergleichen. Sensoren halten sich an gar kein Standardformat sondern haben unterschiedlichste Größen. Zusätzlich werden gleiche Formate sehr unterschiedlichen Rasterweiten der Zellen abgetastet. Damit existieren für digitale Kameras keine vergleichbaren Standards mehr, auf die man ein Objektiv optimieren oder auf deren Basis man Objektive sinnvoll vergleichen könnte.

Die Problematik des schrägen Lichts und der Mikrolinsen wird heute damit gelöst, dass man Kameras und Sensoren tendentiell eher auf lange Brennweiten optimiert oder auf kurze. Oder es werden komplett neue Objektivserien mit homogenisierter Pupillenlage gerechnet, was aber die rühmliche Ausnahme ist.

Damit nicht genug werden in digitalen Kameras eine Vielzahl von Bildbearbeitungen und Manpulationen vorgenommen. Diese basieren nicht nur auf dem Bildinhalt, z.B. einer Analyse der Szene und dem darauf gewählten Farbabgleich. Die Informationen des Objektivs fliessen in die Bildbearbeitung ein und werden unterschiedlich verwertet. Auch zeigen unterschiedliche Kameras verschiedene Strategien des Bildaufbereitung und sie besitzen unterschiedliche hohe Leistungsreserven.

Ein paar Beispiele hierzu und mögliche Probleme:

Die Canon EOS 1000D hat im APS-C Format 10 Megapixel, während die 50D 15 Megapixel hat. Manche Objektive sind bei beiden Kameras hoch auflösend, andere schaffen die 1000D knicken aber bei der 50D ein.

Die Nikon D700 liefert bei gleicher Sensorgröße und Auflösung eine deutlich niedrigere Randabdunkung als ihre professionellere Schwester D3. Hier wurde die interne Randabdunklungskorrektur höher gesetzt.

Die Canon 1Ds Mark II liefert bei gleichem Format mit 16 Megapixeln oft eine niedrigere Randabdunklung als die 1Ds Mark III mit 21 Megapixeln. Ob es sich hierbei nur um eine andere Abstimmung handelt oder ob die höhere Sensorintegration die Leistungsreserven der Signalverstärkung kritisch begrenzen ist beides möglich. So ist es auch plausibel, dass die Mark III eine schwächere Rauschunterdrückung besitzt um aus den Optiken das für die gesteigerte Pixelzahl nötige Mehr an Auflösung herauszuholen, was klar zu Lasten der Kompensationsreserven geht.

Bei Olympus liefert die E-420 eine etwas höhere Auflösung als die E-520, weil die Detailwiedergabe für den Einsteigerbereich aggressiver abgestimmt ist. Die Sensordaten sind gleich.

Die Artefaktwiedergabe, das heisst die Natürlichkeit bei der Wiedergabe feiner Strukturen variiert erheblich, je nachdem wie offensiv oder zurückhaltend die Kamera abgestimmt ist. Nikon z. B. bügelt einen Teil elegant aus, indem sie bei einigen Kameras ab einer gewissen Auflösung die Farbe aus dem Bildbereich eliminieren und so scheinbar keine Farbmoiré und weniger Farbsäume haben.

Aber hier finden noch weitere erhebliche Veränderungen statt, denn Canon hebt den Kontrast feinster Strukturen und damit die technische Auflösung durch eine haardünne aggressive Scharfzeichnung deutlich an, während Nikon und Sony bei weniger offensiver Nachbearbeitung eine neutralere Bildwiedergabe liefern, sich aber mit schlechteren Auflösungsnoten konfrontiert sehen. So leistet ein Fremdherstellerobjektiv an verschiedenen Systemen teils sehr Unterschiedliches.

Theoretisch kann man sich nur auf die Verzeichnung verlassen, aber praktisch ist das auch bald passé, denn kompakte Digitale rechnen schon seit geraumer Zeit die Verzeichnung aus dem Bild heraus.

 

Unsere DCTau-Tests sind immer Einzeltests einer Kamera-Objektiv-Kombination. Dabei spielt das Objektiv genauso eine Rolle wie die Kamera. Wenn Ihr Euch für eine neue Kamera interessiert, schaut Sie bitte auf verschiedenen Objektiven an und nicht nur mit dem Set-Objektiv.

Ebenso empfehle ich die Noten eines Objektivs an verschiedenen Kameras zu vergleichen. Es ergeben sich teils deutliche Unterschiede. Auch wenn jemand heute zufrieden eine EOS 400D oder 1000D hat und sich ein neues Objektiv zulegen möchte, dann zeigt der EOS 50D-Test mit seinen höheren Anforderungen der Kamera, ob das Objektiv auch Zukunftsperspektiven hat oder ob seine optische Auflösung mit 10 Megapixeln ausgereizt ist. Schliesslich haben Objektive im heutigen Entwicklungstempo der Kameras eine höhere Nutzungsdauer als diese und Voraussicht lohnt.

Um Euch die Suche zu erleichtern bietet digitalkamera.de bei den Labortests jetzt sowohl eine Selektion nach Kamera und nach Objektiv an. Die erklärenden Texte zum Schluss der Tests sind in den ersten Absatz der Kamerabeschreibung und in den zweiten der Objektivbeschreibung getrennt.

 

Nun viel Spass beim Schmökern,

Anders Uschold

 

 

 

 

Kommentare

Benjamin Kirchheim 2008-11-08

Hallo Anders,

sehr interessant! Ich meine mich zu erinnern, dass Du in dem Zusammenhang auch mal mir gegenüber erwähnt hattest, dass die Kameras je nach Brennweite unterschiedliche Farbkorrekturen zu den Rändern hin machen wegen der schräg (?) einfallenden Lichtstrahlen. Sicher auch ein interessanter Aspekt, den es vielleicht mal seperat zu erklären lohnt:

- Wie stellt die Kamera sich auf verschiedene Objektive und Brennweiten ein und was genau macht sie da eigentlich?

Weitere Themenideen:

- Warum wird in JPEG statt RAW getestet?

- Viele Kameras halten durch spezielle Rauschunterdrückung in den Schatten (?) die Eingangsdynamik auch bei hohen Empfindlichkeiten auf einem hohen Niveau. Wie genau funktioniert das und was für Nachteile hat das möglicherweise?

- Bei Pentax (jüngst der K-m) wird das Rauschen meist schlechter bewertet als bei der Konkurrenz. Im Gegenzug würde man vielleicht mehr Details/Auflösung erwarten, weil evtl. weniger glatt gebügelt ist. Zumindest im DCTau-Test kommt das aber nicht zum Tragen (fast eher das Gegenteil). Wo also bleibt der Vorteil der geringeren Rauschunterdrückung ab? Evtl. in einer höheren Detailauflösung bei niedrigkontrastigen, farbigen Strukturen wie Gras oder Laub, die so im Labor nicht erfasst wird?

Ich glaube das reicht erstmal an neuen Ideen, inspiriert durch diesen Deinen jüngsten Eintrag. Ein schönes Wochenende!

Benjamin

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