Rückblende

175 Jahre Photographie – Reisekameras im 19. Jahrhundert

2014-02-27 Wer eine Reise unternimmt, möchte seine Erlebnisse in Bildern festhalten. Heute mit der Digitalkamera oder dem Smartphone - früher mit der Holzkamera und dem Chemikalienkoffer. Was nun jederzeit und in unbegrenzter Anzahl möglich ist, war vor mehr als 100 Jahren nur wenigen Experten vorbehalten und erforderte eine umfangreiche Ausrüstung.  (Harald Schwarzer)

  • Bild  [Foto: Harald Schwarzer]

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Das bevorzugt verwendete Material für den Kamerabau war Holz - und das aus guten Grund: es war ausreichend verfügbar und ließ sich mit hoher Präzision verarbeiten. Für anspruchsvolle Apparate wurden hochwertige Hölzer verwendet, z.B. amerikanischer Nussbaum, Mahagoni oder Teak. Nach einer Lagerungszeit von mehreren Jahren (!) kamen die Hölzer dann einige Wochen vor der eigentlichen Verarbeitung in einen Trockenraum mit konstant +600C Temperatur. Nur so konnte der Kameratischler sicherstellen, dass sich die Einzelteile der Kamera nachträglich nicht mehr verziehen - die wesentlichen Baugruppen sind die Objektivstandarte und die rückwärtige Aufnahme für Mattscheibe oder Planfilmkassette. Neben Werkstätten in Frankreich und England war ab 1860 in Deutschland die Region um Görlitz ein Zentrum des professionellen Holzkamerabaus.

Reisekamera, Curt Bentzin, Görlitz, 1899

13 cm x 18 cm, Doppelanastigmat 7,7/180 mm, Serie III Nr. 2, Schlitzverschluß

(Foto: Deutsches Kameramuseum, Markkleeberg)

Der Begriff Reisekamera soll als Abgrenzung zu den noch größeren und schwereren Atelierkameras zu verstehen sein - zwar waren sie für den Transport zusammenklappbar, aber in Zeiten des nassen Kollodiumverfahrens mussten auch die Chemikalien für die Sensibilisierung der Glasplatten und eine Dunkelkammer mit auf die Reise genommen werden. Bekanntlich wird bei diesem Verfahren die Platte erst kurz vor der Belichtung präpariert und die Aufnahme erfolgt im noch feuchten Zustand. Unmittelbar danach muss das Bild entwickelt werden. Die Filmkassetten für Formate bis 30x40 cm bestanden aus demselben Holz wie die Kamera; es gab sie als Einzel- oder Doppelkassetten. Gemeinsames und unentbehrliches Bauelement einer Reisekamera ist die lichtdichte Verbindung zwischen Vorder- und Rückteil durch einen (Leder-)Balgen. Die Mattscheibe  solcher großformatigen Kameras ist an den Ecken etwas angeschrägt, um dem erheblichen Luftvolumen, das sich innerhalb des Balgens beim Zusammen- und Auseinanderschieben aufbaut, die Möglichkeit zu geben, zu entweichen.

Mit zunehmender Empfindlichkeit der Filmemulsionen waren auch Momentverschlüsse notwendig, denn die Belichtungszeiten konnten durchaus schon im Bereich von einer halben Sekunde oder weniger liegen. Und da war die übliche Methode des kurzzeitigen Öffnens des Objektivdeckels nicht präzise genug.

 

Eine frühe Form von Vorrichtungen für Momentbelichtungen war der „Guillotine"-Verschluss. Er besteht aus einem - mit einer Öffnung versehenen - Holzbrett, das in einem Rahmen beweglich angeordnet ist. Nach Freigabe durch den Fotografen fiel es auf Grund der Schwerkraft herunter  und gab so das Objektiv für einen Moment zur Belichtung frei. Natürlich war am unteren Ende der Fallbahn ein Gummipuffer angebracht, um Vibrationen zu vermeiden.

Mit diesem Problem haben die Kamerakonstrukteure heute immer noch tun, sei es um den Spiegelschlag zu dämpfen oder die Verschlussbetätigung bei den spiegellosen Kameras vibrationsfrei ablaufen zu lassen.   

Einen ausführlichen und großzügig gestalteten Überblick über die frühe Reisefotografie gibt das im Sommer letzten Jahres eröffnete Deutsche Fotomuseum in Markkleeberg (Nähe Leipzig).  Dabei sind nicht nur die Holzkameras zu bestaunen, sondern auch eine Vielzahl von Originalfotos aus der Zeit vor mehr als hundert Jahren. Zu den Schwerpunkten der Sammlung gehören Aufnahmen berühmter Italienfotografen wie Giacomo Brogi, Alfredo Noack und Giorgio Sommer.

So schreibt Andreas J. Mueller im Museumskatalog: „Auf den frühesten Aufnahmen treten wegen der langen Belichtungszeit bewegte Objekte noch nicht in Erscheinung. Mit zunehmender Lichtempfindlichkeit der fotografischen Materialien bevölkern sich die anfangs noch menschenleeren Motive mit Personen, bis allmählich der Mensch als Staffage zum bildbeherrschenden Gegenstand wird. Bereits um 1870 tummeln sich die ersten modernen Touristen auf Capri. Neben dem deutschen Restaurant „Zum Kater Hiddigeigei" befindet sich ein"anglo-american store". Hier und im Hotel Pagano verbrachten Künstler und Intellektuelle aus aller Herren Länder eine Teil des Winters."

Giorgio Sommer (1832 - 1914)

oben: Capri, „Zum Kater Hiddigeigei" nach 1886

unten: Neapel „Strada di Lucia" nach 1886

(Fotos: Deutsches Kameramuseum, Markkleeberg)

Die Bedingungen im Museum sind ein Traum für uns Sammler - viel Platz für die Ausstellung und potente Sponsoren - mehr darüber auf der Homepage.

 

Das Museum ist geöffnet: DI - SO von 13.00 - 18.00 Uhr

Deutsches Fotomuseum
Raschwitzer Straße 11-13
04416 Markkleeberg

www.fotomuseum.eu

 

 

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