Ultrakompakte und lichtstarke Tele-Festbrennweite

Testbericht: Nikon AF-S 300 mm 4 E PF ED VR

2016-06-16 Ein 300mm-F4-Objektiv wie das Nikon AF-S 300 mm 4 E PF ED VR ist ein Spezialist für Sport- oder Naturfotografen. Normalerweise sind solche Objektive um die 23 Zentimeter lang und wiegen 1,5 bis zwei Kilogramm. Nicht so das neue Nikon 300er: Dank einer Phasen-Fresnel-Linse ist es weniger als 15 Zentimeter lang und wiegt lediglich 755 Gramm. Ein kompaktes Leichtgewicht, wenn man so will. Die Fresnel-Linse kann aber auch zu speziellen optischen Effekten führen. Wie sich das Nikon AF-S 300 mm 4 E PF ED VR in der Test-Theorie sowie der Praxis schlägt, konnten wir mit der D800E (Labor) sowie der D500 (Sportfotografie) ausgiebig testen.  (Benjamin Kirchheim)

Das Gehäuse des für seine Brennweite leichten Objektivs besteht nicht etwa aus Metall, sondern einem widerstandsfähigen Polycarbonat. Das tut der Robustheit des Objektivs aber keinerlei Abbruch, es wirkt äußerst stabil. Die Gummilippe am Metall-Bajonett deutet an, dass das Objektiv gegen Spritzwasser und Staub geschützt ist und sich damit auch für widrige Aufnahmebedingungen eignet. Zwar verfügt das 300er Nikkor über eine Aussparung für eine Stativschelle, die RT-1 ist jedoch nur optional für knapp 220 Euro erhältlich. Angesichts des relativ geringen Gewichts von 755 Gramm ist das durchaus verschmerzbar, auch wenn die Balance der Kamera-Objektiv-Kombination auf einem Kugel-Stativkopf mit Schelle sicher besser wäre. In der Hand jedenfalls liegt das Objektiv sowohl an der D800E als auch an der D500 wunderbar.

An der Seite besitzt das Objektiv drei Schalter. Der oberste lässt dem Fotografen die Wahl aus automatischer und manueller Fokussierung, die mittlere Taste erlaubt die Einschränkung des Fokusbereichs. Wahlweise wird ab 140 oder 300 Zentimeter fokussiert. Bei 140 Zentimeter erlaubt das Teleobjektiv einen maximalen Abbildungsmaßstab von immerhin 1:4,3. Die Fokussierung erfolgt dank des leisen Ultraschallantriebs leise und schnell, auch das Verfolgen von Sportlern mittels Autofokus stellt gar kein Problem dar. Das Fokusfenster gibt ungefähre Auskunft über die eingestellte Entfernung, auf eine Schärfentiefenanzeige hat Nikon indes verzichtet. Mit etwa einer halben Umdrehung erlaubt der Schärfering eine manuelle Fokussierung, was eine ausreichend präzise wie schnelle manuelle Scharfstellung ermöglicht. Der Fokusring ist nicht fest mit dem Autofokus verkuppelt und dreht sich daher nicht mit, auch über die Fokusgrenzen hinaus lässt sich der Ring drehen, ohne dann den Fokus tatsächlich mitzunehmen. Zudem ist jederzeit ein manuelles Eingreifen in die automatische Fokussierung möglich.

Bildstabilisator

Der dritte der drei Bedienschalter erlaubt die Einstellung des optischen Bildstabilisators, der bis zu 4,5 Blendenstufen längere Belichtungszeiten ermöglichen soll. Das wäre beispielsweise 1/15 Sekunde frei Hand mit der Nikon D800 oder 1/20 Sekunde mit der Nikon D500. Zwei Modi sollen den Bildstabilisator zudem an die Aufnahmesituation, normal oder Sport, anpassen. Im Sportmodus wird der Sucher stabilisiert und der Bildstabilisator erkennt und berücksichtigt Schwenks (Mitzieher). Zudem soll der Sportmodus die Serienbildgeschwindigkeit möglichst wenig beeinträchtigen.

In der Praxis fielen uns beim Bildstabilisator aber einige Probleme auf. Einerseits sind die 4,5 Blendenstufen eine sehr großzügige Angabe, dazu braucht es schon eine ziemlich ruhige Hand. Mit 2 bis 2,5 Blendenstufen liegt man eher auf der realistischeren Seite, zumal hoch auflösende Kameras ohnehin ob der möglichen Vergrößerungen kürzere Belichtungszeiten für "pixelscharfe" Fotos benötigen. Viel interessanter aber war die Art der Unschärfe vor allem mit der Nikon D800E: Während vertikal verlaufende Kanten scharf waren, zeigten horizontal verlaufende deutliche Unschärfen. Auch die Spiegelvorauslösung brachte uns nicht weiter. Es schien fast so, als würde der Bildstabilisator in vertikaler Achse gar nicht arbeiten. Eine Prüfung der Seriennummer und Firmware ergab, dass wir eines der ersten Exemplare des Objektivs mit Firmware 1.009 im Test hatten. Bei Nikon selbst ist dieses Phänomen der vertikalen Verwackelung durchaus nicht unbekannt, und das Update auf Firmware 2.013 sollte Abhilfe schaffen. Tatsächlich besserte sich das Phänomen an der Nikon D800E kaum, während wir mit der Nikon D500 nach dem Update so gut wie keine Unterschiede der Verwacklungsunschärfen mehr feststellen konnten. Auch ein zweites Testexemplar aus deutlich jüngerer Produktion konnte das Phänomen nicht ganz beheben. Ist der Bildstabilisator aus und belichtet man kurz genug oder aber benutzt ein Stativ, gibt es hingegen keinerlei Probleme.

Bildqualität

An der Bildqualität selbst gibt es nicht viel auszusetzen. Das Objektiv ist bei Offenblende bereits hinreichend scharf, steigert sich beim Abblenden aber noch. Die Ränder sind nicht viel weicher. Die Verzeichnung ist ebenfalls gering, und auch bei Gegenlicht zeichnet das 300er Nikkor einen hohen Kontrast. Hier macht sich die Nanovergütung bezahlt. Selbst mit Sonne im Bild gibt es kein Problem, wobei man den Blick durch den Sucher ob der großen Brennweite vermeiden sollte. Selbst im Sonnenuntergang kann die tiefrote Sonne bei so einer langen Brennweite kräftig blenden, was sich mit Hilfe des Live-Views umgehen lässt.

Die eingesetzt Fresnel-Linse, die für die kompakte Bauweise verantwortlich ist, bemerkt man bei normalen Fotos nicht. Das Prinzip ist zwar dasselbe wie beispielsweise bei einer Verglasung eines Leuchtturms, aber die "Wellen" auf der Linsen fallen so fein aus, dass sie mit bloßem Auge nicht erkennbar sind. Dass es bei hellen, punktuellen Lichtquellen zu Lichthöfen kommen kann, ist eher rein theoretischer Natur und dürfte in der Praxis selten störend auftreten. Eine Korrektur des Phänomens ist mit der Bildbearbeitungssoftware von Nikon möglich, nicht jedoch direkt in der Kamera. Eine andere Auswirkung trifft den Alltag schon eher. Die Linse sorgt bisweilen für ein etwas harsches Bokeh, allerdings hauptsächlich im Vordergrund, weniger im Hintergrund. Im Sucher sind sogar Farbeffekte auf der Mattscheibe bei unscharfen Lichtquellen zu beobachten, etwa dem Fotografieren einer Jalousie von innen nach außen. Im eigentlichen Bild ist dieses Phänomen aber nicht zu beobachten und dürfte daher dem Zusammenspiel der Fresnellinse mit der Mattscheibe zuzuordnen sein.

Im Labor zeigt das AF-S 300 mm 4 E PF ED VR an der Nikon D800E ebenfalls gute Ergebnisse. Die maximale Auflösung (siehe Diagramm aus dem Labortest unten) liegt bei fast 67 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) bei 50 Prozent Kontrast, wofür das Objektiv allerdings auf F11 abgeblendet werden muss. Bei Offenblende F4 liegt die Auflösung bei immerhin 50 lp/mm und steigert sich beim Abblenden auf F5,6 sogleich auf über 60 lp/mm. Am Bildrand liegt die Auflösung um die 50 lp/mm und steigt bei F11 auf ein Maximum von 55 lp/mm. Der Randverlust liegt damit unter 20 Prozent und ist somit als gering einzustufen. Die weiteren optischen Fehler fallen ebenfalls gering aus, etwa die 0,5-prozentige kissenförmige Verzeichnung. Farbsäume sind im Mittel niedrig, können zum Bildrand hin aber etwas stärker ausfallen. Mit einem Maximum von knapp zwei Pixeln sind sie aber auch kein Beinbruch. Äußerst gering fällt die Randabdunklung mit maximal einer halben Blendenstufe bei Offenblende und abgeblendet mit lediglich noch 0,1 bis 0,2 Blendenstufen aus. Für ein langes Teleobjektiv ist dies aber auch nicht verwunderlich.

Fazit

Das Nikon AF-S 300 mm 4 E PF ED VR ist ein robustes Objektiv mit guter optischer Leistung, das vor allem mit seinem geringen Gewicht und der kurze Baulänge beeindruckt. Es ist damit nicht nur unterwegs leichter zu tragen, dank der mitgelieferten Tasche samt Schultergurt sogar äußerst bequem, sondern beim Fotografieren auch nicht so auffällig. Man würde eher eine 200er Festbrennweite vermuten als eine 300er. Besonders an der Nikon D500 hat uns das Objektiv sehr gut gefallen, eine tolle Kombination für Sportfotografen, die nicht so nahe ans Geschehen kommen oder aber Details zeigen wollen. Der einzige Pferdefuß ist der optische Bildstabilisator, mit dem wir insbesondere an der D800E nicht so gute Ergebnisse erzielten. Dank der hohen Lichtstärke lassen sich mit entsprechendem Freistelleffekt und der guten High-ISO-Fähigkeiten der Nikon-Kameras jedoch auch ohne Bildstabilisator bei entsprechend kurzen Belichtungszeiten knackscharfe Fotos aufnehmen. Der Preis von knapp über 2.000 Euro ist allerdings auch nicht ganz ohne.

Kurzbewertung

  • Super kompakt und leicht
  • Optischer Bildstabilisator mit zusätzlichem Sport-Modus
  • Sehr schneller Autofokus
  • Geringe optische Fehler
  • Zeigt zuweilen ein etwas harsches Bokeh
  • Stativschelle fehlt im Lieferumfang
  • Bildstabilisator arbeitet nicht immer zufriedenstellend
  • Muss trotz guter Offenblendauflösung für maximale Auflösung kräftig abgeblendet werden

Nikon AF-S 300 mm 4 E PF ED VR mit Nikon D800E (v6.0)

Auflösung MTF


D800E

F4,0F5,6F8,0F11,0F16,0F22,0F32,0
300 mm50,5 / 48,2 (5 %)60,9 / 51,7 (15 %)64,9 / 50,9 (22 %)66,5 / 55,1 (17 %)62,6 / 54,5 (13 %)51,8 / 45 (13 %)31,2 / 27,6 (12 %)

Hersteller Nikon
Modell AF-S 300 mm 4 E PF ED VR
Unverbindliche Preisempfehlung 2.049,00 €
Bajonettanschluss Nikon F
Brennweite 300,0 mm
Lichtstärke (größte Blende) F4
Kleinste Blendenöffnung F32
KB-Vollformat ja
Linsensystem 16 Linsen in 10 Gruppen
inkl. ED Linse(n)
Anzahl Blendenlamellen 9
Naheinstellgrenze 1.400 mm
Bildstabilisator vorhanden ja
Autofokus vorhanden ja
Filtergewinde 77 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 89 x 148 mm
Objektivgewicht 755 g

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.