Spiegelloses Systemkamera-Flaggschiff

Testbericht: Olympus OM-D E-M1 Mark II

Seite 3 von 2, vom 2016-11-08 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln

Neben der Serienbildfunktion hat Olympus aber auch die Videofunktion deutlich aufgewertet. Neben dem Videoaufnahmeknopf für spontane Aufnahmen in jedem Aufnahmeprogramm gibt es einen speziellen Videomodus, in dem weitreichendere Funktionen zur Verfügung stehen, etwa manuelle Einstellungen für die Belichtung. Maximal 30 Bilder pro Sekunde werden in 4K (3.840 x 2.160) erreicht, 24 Bilder pro Sekunde in Cinema-4K (4.096 x 2.160) und 60 Bilder pro Sekunde bei Full-HD (1.920 x 1.080). Mit Bitraten von 202 (Full-HD) bis 237 (4K) Mbit/s werden zudem sehr hohe Bildqualitäten möglich. Gespeichert wird mit H.264-Kompression im MOV-Format. Das ist etwas unglücklich, da nicht alle 4K-fähigen Geräte dieses Videoformat unterstützen. Etwa unser Panasonic-Fernseher aus dem Jahr 2015, der mit 4K-Material im MP4-Format mit H.264- oder sogar H.265-Kompression wunderbar klarkommt, nicht jedoch mit MOV-Filmen. Der Autofokus arbeitet dank der Phasen-Sensoren im Videomodus ebenfalls hervorragend. Wer möchte, kann auch den AF-S-Modus einstellen, womit die Videos noch ruhiger werden und der Fokus sich nur dann ändert, wenn man auf dem Touchscreen ein anderes Motivdetail antippt. So macht das Filmen auch mit Autofokus Spaß, denn der Fokus springt nur dann (beziehungsweise wird sanft geändert), wenn man es explizit wünscht. Dass die Olympus über ein internes Stereomikrofon sowie Anschlussmöglichkeiten für Mikrofon und Kopfhörer verfügt, der Tonpegel sich aussteuern lässt und der Timecode gespeichert wird, unterstreicht die Video-Ambitionen. Einzig eine Zebrafunktion vermissen wir. Immerhin lässt sich die Schwelle der normalen Über- und Unterbelichtungsanzeige anpassen.

Das eigentliche Highlight bei den Videos aber auch Fotos ist der integrierte Bildstabilisator. Er ermöglicht bis zu 5,5 Blendenstufen längere Belichtungszeiten, mit einem bildstabilisierten Olympus-Objektiv sogar bis zu 6,5 Blendenstufen. Belichtungszeiten von 1-2 Sekunden kann man, bei 35 Millimeter (KB) und größeren Weitwinkeln, problemlos aus der Hand halten. Auch mit Teleobjektiven ergeben sich enorme Vorteile. Die Leistungsfähigkeit des Bildstabilisators wird bei Videoaufnahmen noch beeindruckender deutlich. Es wirkt, als wäre die Kamera auf einem Steady-Cam-System montiert, dabei kann man sich aber im Gegensatz zu einem schweren, echten Steadycam-System viel flexibler und freier bewegen. Auch einen Crop gibt es durch den rein mechanisch arbeitenden Stabilisator nicht, selbst bei 4K-Videoaufnahmen wird die volle Sensorbreite genutzt. Die Bildhöhe und damit auch die Diagonale wird jedoch aufgrund des Beschnitts vom 4:3-Sensorformat auf das 16:9-Filmformat natürlich deutlich kleiner. Der Bildstabilisator ermöglicht Videografen jedenfalls eine völlig neue Arbeitsweise mit kleinem, leichtem, unauffälligem Equipment.

Wer gerne blitzt, ist mit der OM-D E-M1 Mark II ebenfalls gut bedient. Zwar besitzt sie kein integriertes Blitzgerät, aber ein winziger Dreh- und schwenkbarer Aufsteckblitz (FL-LM3) wird mitgeliefert, der sogar als Master in einem Drahtlos-Systemblitz-Setup wirken kann. Funktionen wie eine Highspeedsynchronisation, eine Blitzbelichtungskorrektur, eine Langzeitsynchronisation oder etwa das Blitzen am Ende der Belichtung beherrscht die OM-D ebenfalls. Die Blitzsynchronzeit liegt bei 1/250 (mit großen Systemblitzen) beziehungsweise 1/320 Sekunde (mit dem kleinen, mitgelieferten Aufsteckblitz). Mit lautlosem elektronischem Verschluss hingegen liegt die Blitzsynchronzeit bei 1/60 Sekunde. Besonders laut ist der mechanische Verschluss übrigens nicht, er klingt aber nicht so schön "analog" wie etwa bei der Pen-F.

Wenn die (Foto-)Aufnahme im Kasten beziehungsweise auf der Speicherkarte ist, sind die Möglichkeiten der E-M1 Mark II noch längst nicht erschöpft. Handelt es sich um Raw-Aufnahmen, so können diese bereits in der Kamera umfangreich entwickelt werden, inklusive Anwendung der Art-Filter. Auch JPEG-Aufnahmen lassen sich (in gwissen Grenzen) in der Kamera bearbeiten. Dank WLAN schickt die E-M1 Mark II Fotos zudem auf Wunsch drahtlos an Smartphones oder Tablets. Auf diesem Wege können zudem GPS-Daten in die Fotos gelangen, wenn sie vorher mittels der OI-Share-App aufgezeichnet wurden. Wer möchte, kann zudem die Kamera via WLAN fernsteuern, dafür gibt es sogar eine Software eines findigen Programmierers (siehe Fototipp in den weiterführenden Links). Von Olympus selbst gibt es ebenfalls eine Studiosoftware, die aber kabelgebunden arbeitet.

Bildqualität

Selbstverständlich musste die Olympus OM-D E-M1 Mark II auch in unserem Testlabor ihre Bildqualität unter Beweis stellen. Dabei kam das Objektiv 12-40mm F2.8 Pro zum Einsatz, mit dem die E-M1 Mark II im Set für knapp 2.600 Euro verkauft werden soll. Der Labortest, auf dem die folgenden Betrachtungen im Wesentlichen beruhen, ist wie immer gegen ein kleines Entgelt von 1,40 Euro mit all seinen Diagrammen und Erläuterungen dazu über die weiterführenden Links abrufbar. Mit dem Kauf wird übrigens unsere Arbeit an kostenlosen Inhalten wie diesen hier unterstützt. Wer sich für mehrere Labortests interessiert, etwa die Messergebnisse verschiedener Micro-Four-Thirds-Objektive zu betrachten, die wir fast alle getestet haben, fährt mit einer Flatrate besser. Diese wird für einen Monat (9,90 Euro) oder ein Jahr (29,90 Euro, umgerechnet 2,08 Euro monatlich) im Voraus bezahlt, dabei entstehen keinerlei Folgekosten.

Das 12-40 mm F2.8 gehört zu den besten Setobjektiven, die man bekommen kann. Das stellten wir in früheren Tests immer wieder fest, zuletzt an der OM-D E-M5 Mark II, wo es hervorragende Auflösungswerte lieferte. Tatsächlich hat die E-M1 Mark II Mühe, an diese hohen Auflösungswerte heranzukommen, obwohl ihr Bildsensor 20 statt 16 Megapixel auflöst. Das hat zwei Gründe: Einerseits hatten wir an der E-M5 Mark II wohl ein besonders gutes Exemplar des 12-40 erwischt, während es an der E-M1 Mark II ein mittelmäßiges Exemplar ist, das zudem nicht mehr fabrikneu, sondern schon sichtlich gebraucht war. Der andere Grund liegt darin, dass die Bildaufbereitung etwas zurückhaltender zur Sache geht, es gibt beispielsweise weniger Schärfeartefakte. Unterm Strich erreicht auch dieses 12-40 eine gute bis sehr gute Leistung. Die Auflösung übertrifft bei allen Brennweiten sowohl in der Bildmitte als auch am Bildrand spielend die Marke von 40 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm), im Bildzentrum sind im Weitwinkel und bei mittlerer Brennweite auch locker über 50 lp/mm drin. Das Objektiv leidet weder an einer ausgesprochenen Randschwäche wie viele andere, selbst hochwertige Standardzooms, noch muss man das 12-40 großartig abblenden, um eine hohe Auflösung zu erhalten. Ab F8 macht sich übrigens langsam die Beugung bemerkbar, schlägt aber erst bei Blenden jenseits von F11 deutlicher zu Buche. Verzeichnung, Randabdunklung und Farbsäume sind minimal bis nicht vorhanden. Hier spielt aber auch die digitale Korrektur teilweise eine Rolle, ohne aber beispielsweise für Randunschärfen zu sorgen.

Der neue 20-Megapixel-Sensor löst höher auf als noch das Vorgängermodell, das es nur auf 16 Megapixel brachte. Daher wäre es durchaus verständlich, wenn das Rauschen etwas stärker wäre. Doch Pustekuchen, trotz höherer Auflösung schlägt sich der neue Sensor sogar besser. Bei ISO 64, der neuen "ISO Low"-Einstellung der Mark II, beträgt der Signal-Rauschabstand knapp 45 dB, ein sehr guter Wert. Bis ISO 1.600 bleibt dieser Wert über der magischen Grenze von 35 dB. Das konnte die E-M1 auch, startete aber auf einem etwas geringeren Niveau und endete dafür bei den ganz hohen ISO-Empfindlichkeiten deutlich unter 30 dB, während die Mark II nur knapp unter 30 dB fällt bei ISO 12.800 und 25.600. Das Rauschen der Mark II ist feinkörnig, wobei Helligkeitsrauschen oberhalb von ISO 3.200 leicht sichtbar wird, während Farbrauschen praktisch keine Rolle spielt. Interessant wird es bei der Texturschärfe. Laut der Messung liefert die Mark II bis ISO 1.600 eine hervorragende Schärfe und bleibt bis ISO 6.400 noch akzeptabel. Das Vorgängermodell war noch bis ISO 800 hervorragend und bis ISO 3.200 akzeptabel, hier gibt es also einen deutlichen Fortschritt. Die Eingangsdynamik ist ebenfalls etwas besser. Höchstwerte werden bei ISO 200 und 400 mit über zwölf Blendenstufen erreicht, selbst bis ISO 3.200 sind es um die elf Blendenstufen.

Die Tonwertkurve verläuft mit Ausnahme von ISO 64 sehr stark angesteilt. Bei ISO 64 macht sich damit die Signaldämpfung gegenüber der Basisempfindlichkeit von ISO 200 bemerkbar. ISO 100 bietet die Mark II übrigens nicht. Der Ausgangs-Tonwertumfang bewegt sich bis ISO 400 auf Spitzenniveau von über 224 von 256 möglichen Helligkeitsabstufungen, bei ISO 800 sind es über 192 und bei ISO 1.600 noch gute über 128 Abstufungen. Die Farbtreue ist im Mittel ziemlich gut, wobei es keine ausgesprochen großen Ausreißer zu beklagen gibt. Die Olympus zeichnet Violett- und Rottöne zwar etwas gesättigter auf als in Echt, ohne aber dabei zu sehr zu übertreiben. Das unterstreicht einen natürlichen Farbeindruck, während die Bilder durch die Nachschärfung und vor allem die steile Tonwertkurve sehr knackig und kontrastreich wirken. Dies alles gilt selbstverständlich für die sehr gute JPEG-Engine der Kamera, wer gerne neutralere Kontraste möchte, kann beispielsweise die Tonwertkurve in der Kamera umfangreich anpassen oder auf das Rohdatenformat zurückgreifen. Die tatsächliche Farbtiefe ist insbesondere bei ISO 64 und 200 mit über acht Millionen Farben sehr hoch, bis ISO 800 mit deutlich über vier Millionen Farben sehr gut und bis ISO 6.400 mit über zwei Millionen Farben immer noch gut.

Fazit

Die Olympus OM-D E-M1 Mark II ist ein echter Kracher. Zwar kostet sie mit gut 2.000 Euro nicht gerade wenig, bietet dafür aber auch jede Menge Leistung, die teilweise ihresgleichen sucht, etwa bei den Serienbildern und erst Recht beim hervorragenden Bildstabilisator. Die spiegellose Systemkamera ist einwandfrei verarbeitet und bietet eine sehr gute Ergonomie mit dem ausgeprägten Griff und den vielen Bedienelementen. Die vielen Funktionen mit den dadurch umfangreichen Menüs brauchen indes einiges an Einarbeitung, das lässt sich bei einer solchen eierlegenden Wollmilchsau kaum vermeiden. Autofokus und Serienbilder arbeiten blitzschnell, die Videofunktion bietet ebenfalls eine hervorragende Qualität. Selbiges kann man von den Bildern behaupten. Bis ISO 1.600 liefert die Olympus eine sehr gute Bildqualität, bis ISO 3.200 eine gute und selbst bei ISO 6.400 sind die Bilder durchaus noch akzeptabel, rauschen nur schwach und zeigen noch viele Details.


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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.