Retro-APS-C-Kamera mit Reportage-Festbrennweite

Testbericht: Fujifilm X100F

2017-06-09 Das "F" in der Fujifilm X100F steht für "Four", denn es handelt sich bereits um die vierte Generation der erfolgreichen Retro-Reportage-Kamera, die mit einem APS-C-Sensor sowie einem F2 lichtstarken 35mm-Objektiv (KB-Äquivalent) eine hohe Bildqualität verspricht. Einzigartig ist jedoch nicht nur ihr solides Retro-Design samt entsprechender Bedienung, sondern auch der Hybridsucher, der wahlweise optisch mit elektronischen Einblendungen oder vollelektronisch arbeitet. In der nun vierten Generation wagt Fujifilm den Sprung von 16 auf 24 Megapixel. Ob das der Bildqualität gut tut und welche Innovationen Fujifilm noch eingefallen sind, zeigt dieser Testbericht.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Wer die ersten drei Generationen der Fujifilm X100-Serie kennt, wird sich bei der X100F gleich heimisch fühlen. Sie verfügt über ein robust wirkendes Metallgehäuse im Ziegelsteinformat, aus dem lediglich das Objektiv herausragt. Man könnte die knapp ein Pfund schwere Kamera auf den ersten Blick glatt für eine Messsucherkamera von Leica halten, und ähnlich edel ist sie auch tatsächlich verarbeitet. Großzügige lederartige Applikationen zieren das Gehäuse. Mit mechanischen Ringen lassen sich die Belichtungsparameter einstellen, der Auslöser verfügt sogar über ein Gewinde, in das man einen Drahtfernauslöser schrauben kann. Im Detail gibt es schon von außen betrachtet einige Neuerungen zum Vorgängermodell. So kann erstmals auch die ISO-Empfindlichkeit mechanisch eingestellt werden. Dazu zieht man einfach den äußeren Ring des Belichtungszeiten-Wahlrads nach oben und dreht es. Zugegeben, das ist schon etwas fummelig, aber wer Drehräder und Feinmechanik mag, wird seine Freude daran haben.

Das Schöne am Bedienkonzept ist: Wer die mechanischen Räder nicht mag, stellt sie entsprechend ein und kann die jeweiligen Parameter ganz modern über Multifunktionsräder mit dem Daumen und dem Zeigefinger einstellen. Beide Räder verfügen über eine Drück- und Drehfunktion. Allerdings gibt es zwischen dem vorderen und dem hinteren Rad deutlich Unterschiede, obwohl beide identisch zu sein scheinen. Durch die Anordnung in einer Gehäuseausbuchtung steht das vordere Rad etwas mehr aus dem Gehäuse hervor und bietet somit mehr Angriffsfläche zum Bedienen. Das hintere Rad hingegen steckt ziemlich tief im Gehäuse. Zudem ist die Riffelung sehr fein und es geht ein bisschen zu schwergängig, so dass man etwas Schwierigkeiten hat, es tatsächlich zu drehen und nicht versehentlich zu drücken und damit eine ungewollte Funktion auszulösen. Das ist ein echtes Manko im Vergleich zu den anderen, wunderschönen Bedienelementen. Das Belichtungskorrekturrad ist hingegen für die exponierte Position zu leichtgängig, man sollte es daher vor dem Fotografieren sicherheitshalber nochmal kontrollieren.

Noch mehr getan hat sich auf der Rückseite. Für eine bessere Bedienung bei Verwendung des Suchers sind die Bedienelemente alle auf die rechte Seite vom Display gewandert. Neu ist hier ein Joystick zu finden zur Ansteuerung der vielen Autofokusfelder, die der neue Bildsensor mitbringt. Mehr dazu im Abschnitt "Ausstattung". Neben den Rädern und einigen Direktwahltasten gibt es aber auch ein paar programmierbare Tasten sowie ein umfangreiches Quick-Menü. Wer nur mit der Kamera fotografieren möchte und weiß, was er tut, wird wunderbar mit ihr klarkommen. Das Bedienkonzept ohne Programmwählrad oder Motivprogramme erfordert allerdings ein Umdenken von denjenigen, die bereits mit einer modernen Kamera vertraut sind und ein so altes Bedienkonzept nicht mehr kennen. Für jeden Belichtungsparameter (ISO, Blende und Belichtungszeit) kann man den Wert einzeln einstellen oder eben diesen Parameter auf Automatik drehen. Stehen alle drei Räder auf "A", so arbeitet die Kamera mit einer Vollautomatik.

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Der rückwärtige Bildschirm ist fest verbaut und bietet mit seinen knapp eine Million Bildpunkten und der Diagonalen von 7,5 Zentimetern gute Standardkost. Berührungsempfindlich oder beweglich ist das Display indes nicht. Eigentlich kauft man eine X100F, die immerhin fast 1.400 Euro kostet, ohnehin nicht nur aufgrund ihres Retro-Designs, sondern vor allem auch aufgrund ihres einzigartigen Suchers. Dieser arbeitet wahlweise optisch oder elektronisch oder in nützlichen Mischformen. In den optischen Sucher lassen sich etwa ein Leuchtrahmen oder Belichtungsanzeigen einblenden. Der Leuchtrahmen dient dem sogenannten Parallaxenausgleich, denn je näher das Motiv der Kamera ist, desto größer ist die Abweichung vom Sucherbild zum aufgenommenen Foto. Überhaupt muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Sucher mehr anzeigt, als er tatsächlich aufnimmt, nämlich nur den Inhalt des Leuchtrahmens. Bei Actionmotiven ist das ein echter Vorteil, denn man sieht ein in den Bildausschnitt kommendes Motiv früher und absolut verzögerungsfrei. Selbst ein manuelles Fokussieren ist im optischen Sucher kein Problem, denn rechts unten in der Ecke lässt sich eine elektronische Lupe des Fokusfelds einblenden, das man gerade verwendet.

Wer das Bild lieber so sehen möchte, wie die Kamera es mit ihrem Sensor wahrnimmt, also mit Belichtungsvorschau, Weißabgleichsvorschau und Schärfevorschau im gesamten Sucherbild, der schaltet einfach auf den elektronischen Sucher um. Er sorgt beispielsweise mit der Restlichtverstärkung dafür, dass man sein Motiv in dunklen Umgebungen besser erkennen kann. In kontrastreichen Situationen sieht man eher, wenn der Dynamikumfang der Kamera die Bildaufnahme beschränkt und beispielsweise die Lichter ausfressen oder die Schatten absaufen. Mit der X100F bekommt man also das Beste aus beiden Welten der Suchertechnologien. Die Umschaltung vom Bildschirm auf den Sucher erfolgt dank Näherungssensor übrigens automatisch.

Die Menüs der X100F sind durchaus umfangreich, so dass sich zwar einerseits erstaunlich viel einstellen lässt, man aber andererseits dabei auch den Überblick verlieren kann. Es gibt sechs Menükategorien mit bis zu drei Seiten, wobei maximal acht Menüpunkte auf einer Seite Platz finden. Das Werkzeugmenü jedoch ist unterteilt in weitere sieben Untermenüs, zwischen denen beim Seitenwechsel gesprungen wird. Das kann manchmal etwas verwirrend sein. Zum Glück gibt es für Aufnahmeparameter die vielen Tasten und Drehräder sowie das Quick-Menü. Außerdem verfügt die X100F über ein Favoritenmenü, das man sich mit bevorzugten Menüpunkten bestücken kann, sodass man sie nicht immer in den verschiedenen Menükategorien heraussuchen muss.

Die Schnittstellenausstattung ist gar nicht so spartanisch, wie man meinen könnte. Hinter einer schönen Kunststoffklappe auf der Handgriffseite verbergen sich drei Schnittstellen mit fünf Funktionen. Der 3,5 mm Klinkenstecker fungiert nicht nur als Kabelfernauslöseanschluss als Alternative zum Drahtauslöser, sondern wahlweise auch als Stereomikrofonanschluss für Videoaufzeichnungen. Die Micro-USB-Schnittstelle erlaubt nicht nur einen Zugriff auf die Speicherkarte, sondern kann auch den Akku mit Strom versorgen, so dass man die Kamera unterwegs auch im Auto oder an einer Powerbank nachladen kann. Außerdem ist hier eine Micro-HDMI-Schnittstelle zu finden. Trotz der USB-Ladefunktion liefert Fujifilm zudem eine externe Ladeschale mit. Das ist sehr löblich, angesichts des Preises darf man das aber auch durchaus erwarten, auch wenn es eine Seltenheit geworden ist.

Der 8,7 Wh fassende Li-Ion-Akku kann auf der Kameraunterseite entnommen werden und liefert Saft für lediglich 270 Aufnahmen nach CIPA-Standard. Ebenfalls in diesem Fach wird die SD-Karte eingelegt. Die X100F ist kompatibel zu SDHC, SDXC und UHS-I, kann UHS-II hingegen nicht nutzen. Mit gemessenen rund 64 Megabyte pro Sekunde Schreibgeschwindigkeit wird aber auch der UHS-I-Standard nicht vollends ausgeschöpft, der bietet bis zu 95 MB/s Übertragungsgeschwindigkeit. Das Stativgewinde sitzt übrigens wunderlicherweise außerhalb der optischen Achse und zudem sehr dicht am Akku- und Speicherkartenfach, sodass dieses bereits von einer normalen Schnellwechselplatte blockiert wird.

Ausstattung

Die Fujifilm X100F sieht zwar Retro aus und bedient sich teilweise auch so, zudem muss man auf moderne Aufnahmeprogramme verzichten, die ein waschechter Fotograf vielleicht nicht einmal vermisst, doch im Inneren stecken jede Menge moderne Funktionen. Die Filmsimulationsmodi etwa bedienen Retro- und Filterfans quasi gleichermaßen, denn sie ahmen spezielle alte Analogfilme von Fujifilm nach, etwa den Velvia oder den Astia. Dazu gehören auch moderne Kreationen wie der Classic Chrome mit seinen brillanten Bildern. Schwarzweiß-Fans kommen mit einem entsprechenden Simulationsmodus samt Körnungseffekt ebenfalls auf ihre Kosten. Sehr mächtig sind auch die verschiedenen Reihenaufnahmefunktionen. Neben Belichtungsreihen lassen sich auch Filmsimulationsreihen, Dynamikbereichsreihen, Weißabgleichsreihen und mehr aufzeichnen. Nur einen echten HDR-Modus gibt es leider nicht, eine Intervallaufnahmefunktion hingegen schon.

Die Serienbildfunktion gibt sich ebenfalls modern und schnell, bis zu acht Bilder pro Sekunde sind möglich. Für 76 JEPG- oder 26 Raw-Bilder am Stück hält die X100F diese hohe Serienbildrate durch. Im Dauerlauf sind es 4 JPEG-Aufnahmen pro Sekunde oder 2,4 Raw-Bilder, hier harmonieren die großen 24-Megapixel-Bilder einerseits und das etwas einbremsende Speicherkarteninterface andererseits nicht ganz perfekt. Aber die X100F will auch keine Sport-Kamera sein, obwohl Fujifilm auf dem modernen Bildsensor 325 Phasen-AF-Punkte integriert hat. Der Autofokus soll angeblich besonders flott sein. Doch hier muss man aufpassen, denn werksseitig steht die Kamera auch beim Single-Autofokus-Betrieb auf Auslösepriorität, eigentlich wäre hier die Schärfepriorität normal, die sicherstellt, dass wirklich korrekt fokussiert wurde. In diesem Modus ist der Autofokus nicht mehr ganz so flott, vor allem, wenn man den nervtötenden Vor-Autofokus ausschaltet. Dann dauert es von der Betätigung des Auslösers bis zur Bildaufnahme nämlich knapp über 0,4 Sekunden. Schnell, aber alles andere als rekordverdächtig. Die Auslöseverzögerung ohne Fokussierung bzw. mit gespeicherter Schärfe oder bei manueller Fokussierung ist mit 0,01 Sekunden dagegen äußerst schnell, hier spielt die X100F den Vorteil des nahezu lautlosen Zentralverschlusses aus, der allerdings erst abgeblendet die kürzeste Verschlusszeit von 1/4.000 Sekunde erlaubt. Einen bis zu 1/32.000 Sekunde schnellen elektronischen Verschluss gibt es aber auch.

Apropos manuelle Fokussierung: Hier spielt die X100F wieder ihre Retro-Karte aus und Fujifilm geht technisch gesehen in die Vollen: Vom Fokuspeaking über eine Fokuslupe bis hin zu einer Schärfeskala samt Schärfentiefeanzeige wahlweise in Pixeln oder auf Fotogröße bezogen bietet die X100F alles, was das Fotografenherz begehrt. Auf Knopfdruck kann jederzeit einmalig automatisch fokussiert werden und die Krönung des Ganzen ist die digitale Simulation eines Schnittbildindikators, die mit Hilfe der Phasen-AF-Sensoren arbeitet.

Der Stereomikrofonanschluss gaukelt zwar tolle Videoeigenschaften vor, auch die vielen Bildwiederholraten von 24 bis 60 Bilder pro Sekunde und die Mikrofonpegelanzeige samt Aussteuermöglichkeit sind nicht von schlechten Eltern, jedoch hat Fujifilm den Videomodus gänzlich in den Tiefen der Kamerabedienung versteckt. Erst nach der Betätigung des Drive-Knopfes lässt sich der Videomodus überhaupt aktivieren und nur dann können Bewegtbilder aufgezeichnet werden. Die X100F ist eben in erster Linie eine Fotokamera, hier hat Fujifilm eine ganz klare Zielgruppe. Die maximale Auflösung beschränkt sich zudem auf nicht mehr ganz zeitgemäße 1.920 x 1.080 Pixel, also Full-HD. 4K wären vom Prozessor und vom Bildsensor dagegen problemlos machbar, denn in der X-T2 kommen dieselben Komponenten zum Einsatz. Die X100F ist hier eher auf einer Linie mit der X-Pro2, die ebenfalls bewusst bei den Videofunktionen beschränkt wurde. Eine weitere Beschränkung stellt die mit 36 Mbps relativ hohe Kompression der Full-HD-Videos dar.

Wenig beschränkt sind hingegen die Wiedergabefunktionen. So können etwa Raw-Bilder noch in der Kamera entwickelt werden – inklusive Auswahl der Filmsimulationsmodi und anderer Bildparameter. Dank WLAN können Fotos drahtlos an Computer oder Mobilgeräte übertragen werden, was auch bei vielen Aufnahmen reibungslos und schnell klappt. Auch eine Fernsteuer-App mit Livebild gibt es für iOS und Android. Zudem kann eine dauerhafte WLAN-Verbindung hergestellt werden, um die Ortungsfunktionen des Smartphones zum direkten Geotagging der aufgenommenen Bilder zu verwenden. Weitere Details sind unserem Fotoipp in den weiterführenden Links zu entnehmen.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.