Kompaktkamera mit großem Sensor, Kompaktkamera

Testbericht: Sony DSC-RX1R II

2016-08-01 Die RX1 als über 3.000 Euro teure High-End-Kleinbild-Kompaktkamera war für Sony ein gewagtes Experiment, das überraschend gut vom Markt angenommen wurde. Inzwischen ist mit der RX1R II seit einiger Zeit das mit 42 statt 24 Megapixeln deutlich höher auflösende Nachfolgemodell erhältlich, bei dem Sony zudem an der Ausstattungsliste sowie der Performance geschraubt hat. Dafür steigt aber auch der Preis auf stolze 3.500 Euro. Ob die Bildqualität weiterhin sehr gut ist, Sony die Autofokusgeschwindigkeit tatsächlich signifikant steigern konnte und wie sie sich in der Praxis schlägt, verrät unser Test.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Die Sony DSC-RX1R II wirkt sehr solide verarbeitet. Die Kompaktkamera mit dem Metallgehäuse und verhältnismäßig großem Objektiv drückt gut ein halbes Kilogramm auf die Waage. Auch wenn das Gehäuse recht robust wirkt, gegen Staub und Spritzwasser ist es nicht abgedichtet. Das trotz Festbrennweite für eine Kompaktkamera recht wuchtige Objektiv hat zwei Gründe: Einerseits handelt es sich um eine Festbrennweite, andererseits muss das Kleinbildformat ausgeleuchtet werden, denn in der RX1R II ist ein Vollformatsensor verbaut! Damit relativiert sich auch die Größe beziehungsweise die Kamera ist erstaunlich klein. Allerdings hat sie mit 3.500 Euro auch einen äußerst ambitionierten Preis. Immerhin bringt es der Vollformatsensor mit 42 Megapixeln auf eine deutlich höhere Auflösung als die 24 Megapixel des Vorgängermodells RX1R.

Einen ausgeprägten Handgriff besitzt die Sony nicht, das muss sie angesichts der 35mm-Festbrennweite aber auch gar nicht. Dank der Gummierungen auf der Griffseite sowohl vorne als auch hinten am Gehäuse lässt sie sich dennoch passabel halten. Edel ist der mitgelieferte Leder-Tragegurt. Das Gehäuse besitzt auf der Unterseite ein in der optischen Achse angeordnetes Stativgewinde, was keine Selbstverständlichkeit bei Kompaktkameras ist. Da das Objektiv aber auch relativ mittig angeschlagen ist, sitzt das Stativgewinde recht dicht am Akku- und Speicherkartenfach. Mit kleinen Stativwechselplatten klappt der Zugang zwar noch, mit größeren aber nicht. Das Fach mit der federnd gelagerten Kunststoffklappe beherbergt sowohl den winzigen Lithium-Ionen-Akku als auch die SD-Speicherkarte oder den MemoryStick.

Den NP-BX1 mit seinen lediglich 4,5 Wh könnte man als schlechten Scherz verstehen, denn damit erreicht die Kamera lediglich 220 Aufnahmen nach CIPA-Standard. In der Praxis kann das aber auch durchaus deutlich weniger sein. Wie praktisch, dass sich der Akku über die Micro-USB-Schnittstelle der Kamera auch unterwegs schnell mal nachladen lässt, trotz fehlender Ladekontrollleuchte. Wer den Akku lieber extern laden möchte, findet eine entsprechende Ladeschale mit Micro-USB-Anschluss im Lieferumfang der Kamera. Diese besitzt eine Ladekontrollleuchte. Das USB-Ladegerät samt USB-Ladefunktion der Kamera darf gerne Vorbild für andere Hersteller sein, denn so werden alle Nutzergruppen zufrieden gestellt. Wir waren während einer Rundfahrt mit der RX1R II jedenfalls froh, den Akku während der Fahrt im Auto zwischen den Stopps mit dem sowieso vorhandenen USB-Port ein wenig nachladen zu können. Der USB-Anschluss versteckt sich hinter einer ordentlichen Schnittstellenklappe auf der (von hinten gesehen) linken Kameraseite. Des Weiteren befinden sich hier ein Stereomikrofonanschluss sowie eine Micro-HDMI-Schnittstelle.

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Neben einem Programmwählrad samt Benutzerspeichern besitzt die RX1R II noch drei weitere Einstellräder direkt am Kameragehäuse. Hierbei handelt es sich zum einen um das Belichtungskorrekturrad, das zwar fest rastet, aber dennoch manchmal im Eifer des Gefechts versehentlich verstellt wurde. Zwei Daumenräder, eines davon um die Vierwegewippe angeordnet, dienen der Einstellung der Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit oder anderer Parameter. Neben den Einstellringen lassen sich auch noch diverse Tasten frei belegen, was eine individuelle Bedienung erlaubt. Außerdem befinden sich am Objektiv zwei Einstellringe und ein Umschaltring. Mit dem hinteren Ring wird die Blende klassisch in Drittelschritten im Bereich von F2,0 bis F22 eingestellt. Der Vordere Ring dient der Fokussierung, während der Umschaltring für den Wechsel zwischen Normal- und Makromodus zuständig ist, wobei letzterer mit 20 bis 35 Zentimetern Aufnahmedistanz angesichts des großen Sensors keine sensationellen Makroeigenschaften offenbart.

Der rückwärtige Drei-Zoll-Bildschirm (7,5 Zentimeter Diagonale) fällt angesichts der kompakten Kamera angenehm groß aus. Er bietet eine gute Helligkeit und ausreichend feine Auflösung. Praktisch ist auch der Klappmechanismus für bodennahe oder Über-Kopf-Aufnahmen. Leider handelt es sich jedoch nicht um einen Touchscreen, wodurch sich insbesondere der Autofokuspunkt nicht so angenehm verlegen lässt. Der Clou der RX1R II ist jedoch der kleine mit "Finder" beschriftete Schiebeschalter links vom Display. Zieht man diesen nach unten, so ploppt ein elektronischer Sucher auf der Kameraoberseite hinaus. Anders als bei der RX100 III/IV und HX90 muss nicht noch das Okular nach hinten gezogen werden, es wird nämlich von einer Feder herausgedrückt. Mit einer 0,7-fachen Vergrößerung fällt der elektronische Sucher sogar erstaunlich groß aus, selbst an eine Dioptrienkorrektur hat Sony gedacht, denn mit Brille sind die seitlichen Bildränder des Suchers aufgrund der geringen Austrittspupille nicht sichtbar. Mit 2,36 Millionen Bildpunkten löst der Sucher angenehm hoch auf. Wie üblich ist in hellen Bereichen das Flimmern der Bildwiederholrate leicht sichtbar. Mangels Augenmuschel wird Störlicht zwar nicht so gut abgeschirmt, dennoch bietet der sich dank Näherungssensor automatisch aktivierende Sucher bei hellem Sonnenschein einen besseren Blick auf das Motiv als der Bildschirm, zumal sich dank der hohen Auflösung die im Live-View angezeigte Schärfentiefe besser beurteilen lässt. Immerhin gehört eine Augenmuschel zum Lieferumfang, steckt man sie jedoch auf, kann der Sucher nicht mehr eingefahren werden.

Selbstverständlich lassen sich im Sucher beziehungsweise auf dem Monitor eine elektronische Wasserwaage, Aufnahmeinformationen sowie verschiedene Gitterraster einblenden. Wer hingegen denkt, mit dem Sucher gegenüber dem Bildschirm Strom zu sparen, ist auf dem Holzweg. Der Energieverbrauch liegt um etwa fünf Prozent höher. Die Menüs der Sony sind einigermaßen übersichtlich, zumal auf vertikales Scrollen dank der Registerkarten verzichtet wird. Neben den frei belegbaren Tasten bietet zudem ein ebenfalls frei belegbares Schnellmenü Zugriff auf die wichtigsten Aufnahmeeinstellungen.

Ausstattung

Auch wenn die Sony RX1R II einen stolzen Preis besitzt heißt das nicht, dass sie nicht auch einen Automatikmodus mit Motiv- und Gesichtserkennung sowie Motivprogramme besitzen würde, zumindest die acht wichtigsten. So kann man sie Sony auch mal einer vertrauenswürdigen Person in die Hand drücken, um sich damit ablichten zu lassen. Aber auch für Fotografen kann der Sorglosmodus durchaus nützlich sein, beispielsweise wenn es um Alltags- und Erinnerungsbilder geht. Mit den Kreativprogrammen besteht dann aber die Möglichkeit, die Kamera voll auszuschöpfen und beispielsweise mit der Schärfentiefe zu spielen. Sogar einen Panoramamodus bietet die Sony, auch der HDR-Modus ist für kontrastreiche Motive nicht zu verachten. Er baut die Bilder sogar automatisch zusammen. Möchte man das lieber selbst am PC machen, so bietet die RX1R II eine umfangreiche Belichtungsreihenfunktion mit bis zu neun Bildern bei kleineren Belichtungsabständen (0,3 bis 1 EV) und bis zu fünf Bildern bei 3 EV Belichtungsabstand, was neun bis 15 Blendenstufen Belichtungsabstand vom dunkelsten bis zum hellsten Bild bedeutet, womit man auskommen sollte.

Das Vorgängermodell RX1 war nicht gerade berühmt für seine Autofokusgeschwindigkeit. Der neue 42-Megapixel-Sensor bietet nun ganze 399 integrierte Phasen-AF-Sensoren, die dem Autofokus ordentlich Beine machen sollten. Tatsächlich ist die RX1R II schneller, aber dennoch keine Sportskanone. Mit 0,45 Sekunden Gesamtauslöseverzögerung, wobei 0,03 Sekunden auf die Kappe der reinen Auslöseverzögerung gehen, ist der Autofokus eher mittelschnell. Es reicht für den Alltag, nicht jedoch für Sportmotive. Auch die Serienbildfunktion mit fünf Bildern pro Sekunde für etwas über 20 Bilder in Folge dürfte sicher für den Alltag reichen, reißt aber heutzutage niemanden mehr vom Hocker. Richtig ärgerlich ist die langsame Speicherzeit, denn wenn der Puffer voll ist, schafft die Sony nur noch gut 0,8 Bilder pro Sekunde. Solange gespeichert wird, kann man zwar weiter fotografieren, sofern wieder Platz im Puffer ist, das Menü und die Bildwiedergabe sind jedoch gesperrt. Die Kamera lässt einen über den Speichervorgang im Dunkeln, keine LED oder Bildschirmanzeige weist darauf hin. Erst beim Öffnen des Speicherkartenfachs offenbart sich die rote Schreib-LED, die offensichtlich nur vor der vorzeitigen Entnahme der Speicherkarte warnen soll.

Wer lieber manuell fokussiert, bekommt bei der RX1R II allerlei Unterstützung. So lässt sich dank des Fokuswahlschalters sehr einfach zwischen AF-S, AF-C, DMF und MF wechseln. Bei DMF fokussiert die Sony automatisch, anschließend kann manuell nachgeregelt werden. Bei manuellem Fokus gibt es nicht nur Unterstützung von der bis zu 12,5-fach vergrößernden Fokuslupe, sondern auch vom aktivierbaren Fokuspeaking, das scharfe Kontrastkanten farbig hervorhebt und so die Fokusebene erkennbar macht. Die Schärfeskala hingegen dient nur der groben Orientierung, denn sie liefert keine exakten Werte.

Nützlich ist das Fokuspeaking natürlich auch während Videoaufnahmen. Hier hat Sony ebenfalls an den Zebramodus gedacht. Die maximale Videoauflösung beschränkt sich hingegen leider auf Full-HD (1.920 x 1.080), wenn auch mit flotten 50 Bildern pro Sekunde (PAL-Modus). In HD (1.280 x 720) hingegen sind sogar 100 Bilder pro Sekunde möglich. Eine 4K-Aufnahmemöglichkeit, die Sensor und erst Recht das Objektiv locker hergeben würden, fehlt leider. Zum Speichern steht neben AVCHD und MP4 auch XAVC-S mit bis zu 50 Mbit/s und damit hoher Qualität zur Verfügung. Der Autofokus führt die Schärfe im Videomodus übrigens sehr sanft und zielgerichtet nach, was sicherlich dem eingebetteten Phasen-Autofokus zu verdanken ist. Im Gegensatz zu Fotoaufnahmen steht bei Videos zudem ein Bildstabilisator zur Verfügung, der allerdings digital arbeitet und etwas an Weitwinkel kostet.

Wer die Bilder nach der Aufnahme bearbeiten möchte, findet bei der RX1R II wie bei allen Sony-Kameras praktisch keine entsprechenden Funktionen. Nicht einmal Raw-Bilder lassen sich in der Kamera entwickeln. Sony hat diese Funktionen konsequent in so genannte "Camera Apps" ausgelagert, die teilweise kostenlos, teilweise kostenpflichtig erhältlich sind. Auch die eine oder andere nützliche spezielle Aufnahmefunktion ist als App erhältlich. Ebenfalls in eine App ausgelagert hat Sony die Fernsteuerfunktion der Kamera inklusive Livebildübertragung. Dadurch wird die Handhabung etwas komplizierter, da man sich erst die aktuelle Version der App nach Registrierung laden muss, um auf alle Funktionen zugreifen zu können. Das drahtlose Übertragen von Fotos aus dem Wiedergabemodus heraus klappt hingegen ohne extra Start einer App.

Fortsetzung auf Seite 2

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Autor

Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.