Spiegelreflexkamera, Systemkamera

Testbericht: Sony Alpha SLT-A77 II

2014-06-03, aktualisiert 2014-08-01 Nachdem Sony in den letzten Jahren ein wahres Feuerwerk an neuen DSLR- und SLT-Kameras abgebrannt hat, war es in dieser Kameraklasse zuletzt ziemlich ruhig geworden. Doch jetzt meldet sich der Elektronik-Riese aus Tokio mit der Alpha 77 II zurück. Mag die Typenbezeichnung auch suggerieren, dass es sich bei der Mark II lediglich um ein kleines Facelift handelt, so lehrt einen der Blick in die Ausstattungsliste eines Besseren: Die A77 II hat ein völlig neuartiges AF-Modul spendiert bekommen, das selbst bei rasanten 12 Bildern/Sekunde die Schärfe nachführen kann. Hinzu kommen eine Reihe von Features, die bislang dem Spitzenmodell A99 vorbehalten waren sowie der neue Bionz-X-Prozessor für eine abermals verbesserte Bildqualität und schnellere Datenverarbeitung. digitalkamera.de hatte eines der ersten in Deutschland verfügbaren Modelle für ein paar Tage zum Praxistest, für einen ausführlichen Labortest stand uns ein Serienmodell der A77 II zur Verfügung.  (Martin Vieten)

Ergonomie und Verarbeitung Äußerlich gleicht die Alpha 77 II ihrer Vorgängerin wie ein Ei dem anderen. Man muss schon sehr genau hinsehen, um Unterschiede bei dem rundlich geformten Gehäuse auszumachen. So verzichtet die neue A77 II auf ein Autofokushilfslicht, die rote LED an der Front fehlt ihr. Dass Sony darauf verzichtet hat, die Alpha 77 II neu einzukleiden, muss kein Nachteil sein. Das weitgehend aus Aluminium-Druckguss gefertigte Gehäuse liegt hervorragend in der Hand – da gab es einfach nichts mehr zu verbessern. Und weil die A77 II das Gehäuse im Großen und Ganzen von ihrer Vorgängerin übernimmt, passt weiterhin der Vertikalgriff VG-C77AM, der für die A77 eingeführt wurde. Laut Sony ist die Alpha 77 II übrigens gegen Staub und Feuchtigkeit gewappnet, jedoch nicht spritzwassergeschützt.

Die A77 II mag zwar aussehen wie eine klassische DSLR, sie folgt jedoch dem von Sony bereits vor einigen Jahren eingeführten SLT-Konzept. Es verzichtet auf einen klassischen optischen Sucher, stattdessen zeigt die Kamera ständig ein Live-View-Bild im elektronischen Sucher (EVF). So kann die Alpha 77 II ohne Schwingspiegel auskommen, eine hauchdünne, teilverspiegelte Folie im Strahlengang zweigt etwa 30 Prozent des einfallenden Lichts zum völlig neu entwickelten Autofokus-Modul ab (mehr dazu im Abschnitt „Objektiv“). Mit 2,36 Millionen Bildpunkten löst der EVF sehr hoch auf, das Sucherbild ist detailliert und brillant. Gegenüber der Vorgängerin hat Sony deutlich die Farb- und Kontrastwiedergabe des Sucherbilds verbessert; insgesamt wirkt die Darstellung sehr natürlich, bei schnellen Schwenks verschmiert sie nicht. Der rückwärtige 7,5-cm-Bildschirm ist wie gehabt mit zwei Scharnieren und einem Drehgelenk äußerst flexibel angeschlagen und löst mit 1,23 Millionen dots ebenfalls sehr fein auf.

Bei der Bedienung hat sich im Vergleich zur Vorgängerin ebenfalls wenig getan. Neu hinzugekommen ist die Möglichkeit, gleich drei individuelle Kamerafunktionen über das verriegelbare Programmwählrad abrufen zu können. Durch die Menüs navigiert man mit einem kleinen Joystick, dessen Druckpunkte gerne genauer definiert sein dürften. Dieser etwas schwammige Controller provoziert anfangs Fehleingaben, er will gefühlvoll verwendet werden. Für die wichtigsten Einstellungen wie Bildfolgemodus, ISO-Empfindlichkeit oder Weißabgleich hat Sony die A77 II mit dedizierten Knöpfchen versehen, bei Bedarf lassen sie sich mit Funktionen nach Wahl belegen. Auf weitere besonders häufig benötigte Funktionen greift man über ein Schnellmenü mit zwölf Speicherplätzen zu – auch diese lassen sich individuell konfigurieren. Wie schon ihre Vorgängerin bietet auch die Alpha 77 II die Möglichkeit, das Display von der Sucherbildanzeige auf eine ausführliche Informationsdarstellung umzuschalten, die dort dargestellten Werte lassen sich dann direkt ändern. Da sieht man Sony gerne nach, dass die A77 II auf ein Touchdisplay verzichtet, die Kamera lässt sich auch so rasch bedienen. Ein weiteres Statusdisplay gibt es auf der Oberseite, auf Knopfdruck wird es beleuchtet.

Sony hat die A77 II reichhaltig mit Schnittstellen versehen, die unter etwas fummeligen Hartgummi-Stöpseln an der linken Seite verschwinden. Das Speicherkartenfach rechts wird von einer robusten Klappe verschlossen, die mit einem Federscharnier angeschlagen ist. Der Akku wird von unten in den großzügigen Handgriff eingeschoben. Eine Akkuladung reicht mit maximal 480 Aufnahmen nicht sonderlich weit. Immerhin liegt das korrekt in der optischen Achse angeordnete Stativgewinde weit genug vom Akkuschacht entfernt, sodass sich der Energiespender auch bei angesetzter Schnellwechselplatte wechseln lässt.

Ausstattung Traditionell sind die Systemkameras von Sony sehr weitreichend mit Aufnahmefunktionen ausgestattet, bei den Möglichkeiten im Wiedergabemodus geben sie sich dagegen zurückhaltend. Da macht auch die Alpha 77 II zunächst keine Ausnahme. Einsteigern und Umsteigern von einer Kompaktkamera mögen zwar die lediglich acht Motivprogramme etwas spärlich vorkommen, doch die Kamera wartet ja noch mit den Sony-typischen Assistenten auf. Etwa mit der wirklich brauchbaren Panorama-Automatik oder der praxisgerechten HDR-Funktion. Zudem gibt es gleich zwei Vollautomatiken, eine davon wählt bei Bedarf sogenannte „Multi-Shot-Programme“, die das Bildergebnis durch Mehraufnahmen verbessern.

In erster Linie richtet sich die Alpha 77 II jedoch an anspruchsvolle Fotografen, und denen hat sie einiges zu bieten. Zunächst einmal nimmt keine andere Kamera im APS-C-Oberhaus schnellere Bildserien auf als die A77 II. Ganz gleich, ob man JPEG oder Raw als Aufzeichnungsformat wählt, Sonys neuester Streich sprintet mit fast schon atemberaubenden 12 Bildern/s los und hält das hohe Tempo auch noch beachtlich lange durch: Erst nach 53 JPEG- oder 26 Raw-Aufnahmen geht der Kamera die Puste aus. Dann aber lässt sie es sehr gemächlich angehen, im Dauerlauf kommt sie gerade noch auf 0,8 JPEG- bzw. 1,8 Raw-Aufnahmen. Dennoch: Im Sprint kann es die A77 II fast schon mit Sportboliden wie der Canon EOS 1Dx oder Nikon D4S aufnehmen, zumal auch die Alpha 77 II den Fokus bei der Schussfahrt nachführen kann (mehr dazu im Abschnitt „Objektiv“). Doch in einem Punkt ist die Alpha 77 II den professionellen Sport- und Action-Kameras unterlegen: ihr Speicherbus ist recht langsam. Um einen 12fps-Burst mit rund 50 JPEGs auf die Speicherkarte zu übertragen, benötigt die A77 II bestückt mit einer UHS-1-Karte fast eine halbe Minute. Glücklicherweise blockiert die A77 II jedoch nicht komplett, während sie speichert. Das Hauptmenü lässt sich zwar nicht aufrufen, solange die Speicherzugriffskontrolle leuchtet, aber das Schnellmenü steht weiterhin zur Verfügung. Weitere Aufnahmen sind währenddessen ebenfalls möglich, lediglich die Bildwiedergabe bleibt naturgemäß gesperrt.

Für den Hausgebrauch (und darüber hinaus) bietet die Alpha 77 II also mehr als ausreichende Geschwindigkeitsreserven. Es müssen übrigens nicht unbedingt 12 Bilder/s sein, 8 Bilder/s und 3 Bilder/s stehen ebenfalls zur Wahl. Von Vorteil ist die extrem hohe Serienbildrate zudem bei allen Reihen- oder Multi-Shot-Aufnahmen. Und diesen Vorteil spielt die A77 II durchaus auch aus. Etwa bei der „Multi-Shot-Rauschminderung“. Wurden dazu bisher sechs Aufnahmen so miteinander verrechnet, dass sich Bildrauschen minimiert, stehen bei der A77 II jetzt vier oder zwölf zu Auswahl. Und Belichtungsreihen sind nun endlich auch bei einer Spreizung von 1 EV und mehr mit fünf Aufnahmen möglich – bislang gestattete Sony hier nur wenig praxisgerechte drei Aufnahmen. In der Praxis hat sich ferner als sehr nützlich erwiesen, dass sich die manuelle Belichtungssteuerung bei der A77 II mit der ISO-Automatik koppeln lässt.

Eine kleine Verbesserung gibt es auch beim Blitzsystem der Alpha 77 II: Sie erhält die bereits von der Alpha 99 bekannte FEL-Funktion, mit der sich die Blitzbelichtung speichern lässt. Ansonsten bietet das Blitzsystem von Sony alles, was man von einer anspruchsvollen Kamera erwartet, für den Notfall hat die A77 II zudem einen integrierten Blitz an Bord. Weggefallen ist bei der A77 II der GPS-Empfänger zur Standortbestimmung der jeweiligen Aufnahmen. Dafür wartet die Kamera jetzt mit WiFi inklusive NFC als Pairing-Hilfe auf. Eine Möglichkeit, den Funktionsumfang der A77 II via Camera Apps erweitern zu können, entsteht dadurch aber nicht.

Wenn es um Video-Aufnahmen geht, war das SLT-Konzept von Sony einer klassischen DSLR schon immer voraus – insbesondere beim Autofokus. Und so kann auch die A77 II die Schärfe beim Videodreh blitzschnell und ohne Pumpen nachführen. Ferner stehen beim Filmen alle Möglichkeiten zur Belichtungssteuerung bereit, die es auch für Foto-Aufnahmen gibt. Der Stereoton lässt sich bei Bedarf manuell aussteuern, eine Klinkenbuchse zum Anschluss eines externen Mikrofons hat die Alpha 77 II ebenfalls an Bord. Und noch mehr: Über den neuen Multi-Interface-Zubehörschuh lassen sich nicht nur Blitzgeräte anschließen, sondern auch Mikrofone oder Videoleuchten aus dem Zubehörprogramm von Sony. Da ist fast schade, dass die A77 II nur in AVCHD mit einer maximalen Datenrate von 28 Mbit pro Sekunde aufzeichnet – das bessere XAVC-S-Format oder gar 4K-Auflösung bleiben ihr versagt.

Objektiv Sony bietet die Alpha 77 II zusammen mit dem Objektiv DT 16-50 mm F2.8 SSM als Kit an. Das Dreifachzoom deckt bezogen auf Kleinbild einen Brennweitenbereich von 24 bis 70 Millimeter ab, seine Naheinstellgrenze liegt bei 30 Zentimeter. Das Objektiv wiegt rund 580 Gramm und ist damit kein Leichtgewicht. Wie bei Sony üblich, verzichtet es auf einen optischen Bildstabilisator, stattdessen ist der Sensor in der A77 II stabilisiert. Neu ist dabei, dass der „Sensor-Shift“-Stabilisator bereits seine Arbeit aufnimmt, sobald man den Auslöser antippt – und nicht erst im Moment der Aufnahme. Damit ist die A77 II derzeit die einzige SLT-Kamera von Sony, bei der auch das Sucherbild stabilisiert wird.

Ein großer Vorteil des SLT-Konzepts von Sony ist es, dass die Autofokus-Sensoren permanent mit Informationen versorgt werden, kein Schwingspiegel hemmt den Informationsfluss. Doch bislang hat Sony diesen Vorteil nicht so richtig ausgeschöpft, die AF-Geschwindigkeit war mittelmäßig, bei höchster Serienbildrate vermochte die A77 den Fokus gar nicht erst nachzuführen. Hinzu kam, dass die AF-Sensoren lediglich einen recht begrenzten Bereich im Bildzentrum abdeckten. Da war ein völlig neues AF-Modul längst überfällig, mit der Alpha 77 II liefert es Sony nun endlich. Und was für eines! Bereits die technischen Daten lassen den Connaisseur mit der Zunge schnalzen: Gleich 79 Phasenvergleichssensoren hat die Alpha 77 II zu bieten. Sie decken rund 40 Prozent des Bildfelds ab, mehr als die doppelte Fläche bei der A77 und reichen bis weit an die Ränder. 15 dieser Sensoren sind als Kreuzsensoren ausgeführt, um auch vertikale Strukturen perfekt erfassen zu können. Damit überflügelt das AF-Modul AF79 der A77 II zumindest auf dem Papier sogar die Sportboliden Canon EOS 1Dx und Nikon D4S.

Doch was zählt, ist auf dem Platz. Inzwischen konnte die Alpha 77 II ihre AF-Leistung sowohl im Testlabor von digitalkamera.de wie auch in der Praxis unter Beweis stellen. Und da überzeugt die A77 II nicht nur mit einer AF-Leistung, die gefühlt weit über Klassendurchschnitt liegt, der leistungsfähige Autofokus ist zudem kinderleicht zu konfigurieren und zu handhaben. Das gilt insbesondere für den Lock-On-AF, dessen Einrichtung bei professionellen Sportkameras oftmals wie eine Geheimwissenschaft anmutet. Bei der A77 II genügt es anzugeben, mit welchem AF-Messfeld die Fokusnachführung beginnen soll. Wem auch das noch zu kompliziert ist, lässt den Autofokus das Action-Motiv einfach selber erkennen.

Fortsetzung auf Seite 2

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