Kompaktkamera

Testbericht: Canon PowerShot S90

2009-11-21 Nach längerer Zeit ohne Nachfolge-Modell erweitert Canon seine S-Klasse und stellt das neue Top-Modell PowerShot S90 vor. Schon die Lichtstärke 2,0 und die "echte" Weitwinkelbrennweite von 28 mm (entspr. KB) sind interessante Eigenschaften und selten in dieser Kameraklasse. Zusätzlich macht eine optische Bildstabilisierung und ein "Wenig-Licht-Modus" bis ISO 12.800 diese Kamera besonders interessant für Fotografen, die natürliche Lichtstimmungen auch bei schwacher Beleuchtung aufnehmen wollen. Die geringe Größe prädestiniert diese Kamera für unbemerkte Available-Light-Aufnahmen. Was sonst noch unter der eleganten schwarzen Haube steckt, zeigt unser Kompakttest.  (Stefan Meißner)

Canon PowerShot S90 [Foto: MediaNord]Ergonomie und Verarbeitung Der erste Eindruck nach dem Auspacken ist ausgesprochen positiv: Die Kamera fühlt sich gut an, ist überraschend – aber nicht unangenehm – schwer und wirkt sehr solide. Alle Bedienelemente schmiegen sich in das Gehäuse, so dass die S90 glatt und wie aus einem Quader gefräst wirkt. Die Ähnlichkeit zu dem schnörkellos schönen Design der Leica D-Lux-Serie ist verblüffend.

Auf der Oberseite befindet sich neben dem Hauptschalter, dem Auslöser mit Zoomwippe und dem Programmwähler noch eine Funktionstaste, die dem Stellring verschiedene Funktionen zuweist. Dieser erinnert an den Blendenring von Objektiven vergangener Zeiten und übernimmt außer der manuellen Blendeneinstellung bei Bedarf auch das Zoomen in festen Stufen, den manuellen Fokus, die Belichtungszeit und einiges mehr. Den Blitz sucht man zunächst vergeblich, da er sich im ausgeschalteten Zustand im Gehäuse versteckt.

Canon PowerShot S90 [Foto: MediaNord]Der fest verbaute Monitor nimmt mit einer Diagonalen von 7,6 cm (3") fast die gesamte Gehäuserückseite ein. Mit 461.000 Bildpunkten zeigt er brillante und scharfe Bilder, auch bei sehr schrägem Einblick. Ein optischer Sucher existiert nicht, was aber bei der Güte dieses Displays zu verschmerzen ist. Rechts neben dem Monitor befinden sich die Bedienelemente für diverse Kamerafunktionen und ein kleiner Buckel, der dem Daumen etwas Halt gibt. Obwohl die Schalter einen soliden Eindruck hinterlassen, sind sie leider etwas fummelig. Besonders das Multifunktionsrad hat es in sich: Der etwa 1- Cent große Vier-Wege-Schalter mit dem typischen "Set"-Taster in der Mitte ist zusätzlich von einem Drehring umgeben, mit dem man weitere Funktionen auswählt. Dieser ist leider sehr leichtgängig, so dass es im Eifer des Fotografierens leicht zu Fehleinstellungen kommen kann.

Auf der Gehäuseunterseite befinden sich das Batteriefach mit dem SD-Kartenslot und knapp neben der optischen Achse das Stativgewinde aus Metall. Leider hat der Lithium-Ionen-Akku nur eine geringe Reichweite von 220 Aufnahmen (gem. CIPA). Die Anschlussmöglichkeiten beschränken sich auf das Nötigste: USB/AV und HDMI findet man seitlich am Kameragehäuse unter Gummikappen.

Canon PowerShot S90 [Foto: MediaNord]Die wichtigsten Funktionen der Kamera erschließen sich sofort: Nach kurzem Druck auf den Hauptschalter fährt das Objektiv verzögerungsfrei und flott aus dem Gehäuse und – Vorsicht! – bei Bedarf auch der Blitz. Wer die Kamera an dieser Stelle festhält, wird überrascht sein und evtl. den Blitz an seiner Bewegung hindern. Beim Einfahren des Blitzes wird es noch etwas spannender, denn schnell ist etwas eingeklemmt. Das ist nicht gefährlich, aber die Kamera quittiert dies mit der Bemerkung "Falsche Blitzposition – Kamera neu starten", was man dann auch tun sollte. So schön der versenkte Blitz für das Design auch ist, er nervt beim dritten Mal dann doch, und man fragt sich, ob nicht eine einfachere Lösung mit feststehendem Blitz sinnvoller wäre. Die Mechanik wirkt aber immerhin sehr solide.

Die Canon ist in kürzester Zeit startklar und nimmt in der Betriebsart "Auto" alle Einstellungen selbstständig vor. Anfänger finden sich sofort zurecht und können beinahe keine falsch belichteten oder unscharfen Aufnahmen machen. Einfach drauflos fotografieren, die S90 wird's schon richten. Im gut strukturierten und selbsterklärenden Menü behält man die Übersicht, zumal zu jedem Menüeintrag eine kurze Erläuterung eingeblendet wird.

Ausstattung Auf den ersten Blick scheint die Canon S90 nur die nötigsten Programme zu beherrschen. Zeit-, Blenden- und Vollautomatik sowie manuelle Einstellung sind augenfällig über das Moduswahlrad auf der Oberseite zu erreichen. Erst bei näherem Studium der Menüebenen und der Anleitung erschließt sich das volle Potenzial: In der Einstellung "SCN" kann mit Hilfe des schon erwähnten Wählrings auf der Rückseite der Kamera nahezu jedes nur denkbare Canon PowerShot S90 [Foto: MediaNord]Programm eingestellt werden: Portrait, Kinder, Tiere, Nachtportrait, Nachtaufnahme, Strand, Schnee, Sonnenuntergang und Feuerwerk, um nur einige zu nennen. Aber es gibt auch Kuriositäten wie z. B. ein Aquarium- und Unterwasserprogramm. Das sollte aber nicht dazu verleiten, die Kamera ungeschützt unter Wasser einzusetzen, denn sie ist nicht wasserdicht. Die S90 gibt daher auch den dezenten Hinweis, ein Unterwassergehäuse (das Canon WP-DC90 ist für rund 200 EUR optional erhältlich) zu verwenden.

Dank der guten Informationen des Displays geht trotz der Fülle an Möglichkeiten der Überblick nicht verloren. Es ist jedoch fraglich, ob das Motiv nach der langwierigen Programmauswahl noch vorhanden ist. Wie auch immer, es gibt nichts, was es nicht gibt, und so empfiehlt sich die schwarze Schönheit für Anfänger, Fortgeschrittene und programmbegeisterte Technikfans. Wer aus den vielen Programmen nicht selbst auswählen möchte, überlässt es in der Betriebsart "Auto" der PowerShot. Selbsttätig erkennt sie typische Aufnahmesituationen und schaltet das richtige Programm ein.

Canon PowerShot S90 [Foto: MediaNord]Im praktischen Einsatz macht diese Automatik richtig Spaß: Erscheinen Gesichter im Sucher, erkennt das die Kamera, legt den Fokus auf die Gesichter und schaltet auf Portrait-Automatik. Ist das Motiv sehr nah, geht die Kamera in den Makro-Modus. Auf diese Weise werden immer optimierte Einstellungen vorgenommen, der Fotograf muss sich um nichts kümmern als das Motiv.

Selbstverständlich schaltet die S90 bei Bedarf den Blitz hinzu, wobei die Ladezeit mit 2-3 s erstaunlich kurz ist. Er reicht für normale Räume vollkommen aus, leider aber nicht für den Bildwinkel des 28mm-Weitwinkels. Die Aufnahmen zeigen zum Rand hin einen deutlichen Helligkeitsabfall, was aber hauptsächlich bei gleichmäßigen Flächen auffällt. Im Alltag dürfte das nur selten stören.

Über den "Display"-Schalter können verschiedene Informationen wie Histogramm, Gitternetz und andere Bildinformationen eingeblendet werden. Besonders gefällt die Lupenvorschau, bei der das Autofokusfeld vergrößert dargestellt wird. Auf diese Weise ist sowohl bei der manuellen Fokussierung als auch nachträglich im aufgenommenen Bild die Schärfe schnell kontrolliert. Dank dem Orientierungssensor wird das Foto immer an die Lage des Displays angepasst.

Canon PowerShot S90 [Foto: MediaNord]Erwähnenswert sind auch ein paar Bildverbesserungstechniken: Die von Canon i-Contrast genannte Funktion soll überbordende Kontraste, wie sie z. B. bei Gegenlicht entstehen, bändigen und dämpft zu helle Bildstellen genauso, wie sie zu dunkle aufhellt. i-Contrast wirkt entweder direkt bei der Aufnahme, kann aber auch auf schon gespeicherte Bilder angewendet werden. Wer keine Zeit für die Nachbearbeitung der Fotos am PC hat, kommt mit i-Contrast zu guten Ergebnissen. Außerdem gibt es eine Rote-Augen-Funktion, die aus bestehenden Fotos die typischen Blitzaugen herausrechnet. Wer mag, kann bestehenden Fotos über "MyColors" einen von vielen Farbeffekten zuweisen. Bei allen Funktionen kann die jeweils veränderte Version eines Bildes zusätzlich zum Original gespeichert werden.

Die PowerShot S90 verfügt über einen Film-Modus, der der übrigen Ausstattung der Kamera nicht gerecht wird. Mit bescheidenen 640 x 480 Pixeln kann der Videofunktion Einsteigerniveau attestiert werden. Gezoomt wird dabei nur digital, die Tonqualität geht zwar in Ordnung, das Mikrofon ist aber sehr windempfindlich, so dass bei Außenaufnahmen hauptsächlich dumpfes Rumpeln zu hören ist. Allerdings beruhigt auch hier der optische Bildstabilisator perfekt die Bewegung der Hand.

Canon PowerShot S90 [Foto: MediaNord]Bildqualität Um es gleich vorweg zu sagen: Die Bildqualität ist eindeutig in der Oberstufe dieser Kameraklasse angesiedelt (siehe kostenpflichtigen DCTau-Labortest in den weiterführenden Links). Die Auflösung ist für diese Lichtstärke sehr gut, fällt zum Rand hin allerdings deutlich sichtbar ab. Das sollte als Zugeständnis an das lichtstarke Weitwinkelobjektiv gewertet werden. Der Randabdunklung des Weitwinkels wird mit der kamerainternen Software erfolgreich begegnet, sie ist kaum wahrnehmbar. Das Rauschen ist für diese Kameraklasse in allen Empfindlichkeitsstufen unauffällig bis in die hohen Werte hinein. Besonders eindrucksvoll ist die Eingangsdynamik von über 9 Blendenstufen, die auch DSLRs nicht immer erreichen. Selbst bei hohen ISO-Werten sinkt der Wert nur um eine Stufe. Das ist besonders günstig für die relativ hohen Kontraste, die bei Aufnahmen mit vorhandenem Restlicht, z. B. einer Kerze, gemacht werden. Die Auslöseverzögerung ist zwar kein Canon PowerShot S90 [Foto: MediaNord]Ruhmesblatt der S90, was vor allem daran liegt, dass sie sich etwa eine halbe Sekunde zum Scharfstellen nimmt, mit fokussiertem Motiv löst die Kamera allerdings flott aus.

Das Thema Verzeichnung bewältigt die PowerShot mit den in dieser Klasse normalen Werten, wobei die durchgehend tonnenförmige Verzeichnung untypisch bei Normalbrennweite am größten ist. An feinen Strukturen zeigt die Bildaufbereitung vor allem Moiréeffekte, die aber aus farblosen Strukturen glücklicherweise keine farbigen machen, wodurch sie nicht so stark auffallen. Auf der anderen Seite der Medaille steht die viel zu hohe Kompression. Selbst in der höchsten Qualitätsstufe komprimiert die S90 etwa 17-fach. Was der Speicherkarte nützt ist leider an Kompressionsartefakten nicht immer zu übersehen. Begegnen kann man diesem Manko, indem man selbst Hand anlegt: Die S90 bietet für Freunde der Bildbearbeitung zusätzlich das RAW-Format an. Sehr ausgewogen ist hingegen die Belichtung, die sich sehr sicher zeigt. Durch den invers-s-förmigen Tonwertverlauf sind vor allem die Schatten angenehm weich, die Lichter sind dagegen erstaunlich steil abgestimmt, neigen aber kaum zum Ausfressen, sofern die Kamera den Motivkontrast noch bewältigen kann.

Die Abbildungsleistungen im Videobetrieb dagegen sind leider mäßig, besonders in (gezwungen) digital herangezoomten Szenen sieht man Unschärfen und Artefakte fast mit bloßem Auge. Dazu kommt ein durch Windgeräusche erheblich gestörter Ton, so dass man mit der jüngsten PowerShot nur zur Not Videos drehen sollte.

Fazit Mit der Canon PowerShot S90 erwirbt man einen mit technischen Raffinessen gespickten Hingucker, der sowohl Einsteigern als auch fortgeschrittenen Fotografen viel Spaß machen wird. Sie empfiehlt sich vor allem als "Immer-Dabei-Kamera", da sich ihr schnörkellos glattes Design in jeder Tasche verstauen lässt. Die Verarbeitung befindet sich auf hohem Niveau und lässt einiges an Robustheit und Langlebigkeit erwarten. Besonders interessant ist die S90 dank der großen relativen Anfangsöffnung, der hohen Empfindlichkeit und dem wunderbar arbeitenden Bildstabilisator für Available-Light-Fotografen. Zum Filmen taugt sie nicht.

Kurzbewertung

  • Available-Light-tauglich
  • Schlankes und elegantes Design
  • Für die Kameraklasse sehr gute Bildqualität
  • Solide Verarbeitung
  • Gefährlich leichtgängiges hinteres Einstellrad
  • Nervige Blitzmechanik
  • Zu hohe JPEG-Kompression
  • Schlechte Videoqualität

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Testnoten

Note Anteil  Punkte
Verarbeitung 12,5 % 92 %
Ausstattung 12,5 % 88 %
Handhabung 12,5 % 90 %
Geschwindigkeit 12,5 % 84 %
Bildqualität 50,0 % 91 %
Gesamtnote 90 %

Steckbrief

Steckbrief
Hersteller Canon
Modell PowerShot S90
Preis ca. 450 EUR
Sensor Auflösung 10 Megapixel
Max. Bildauflösung 3.648 x 2.736
(Seitenverhältnis) (4:3)
Objektiv F2,0-4,9/28-105mm
Filtergewinde
Sucher
  Dioptrienausgleich
LCD-Monitor 3,0"
  Auflösung 461.000
  drehbar
  schwenkbar
  als Sucher ja
Videoausgang PAL/NTSC, HDMI
Programmautomatik ja
Blendenautomatik ja
Zeitautomatik ja
manuelle Belichtung ja
  BULB-Langzeit-
  belichtung
Motivprogramme
  Porträt ja
  Kinder/Baby ja
  Landschaft ja
  Makro ja
  Sport/Action ja
  weitere 14
Belichtungsmessung   Mehrfeld, mittenbetont Integral, Spot
Blitz ja
  Blitzanschluss
Fernauslöser
Intervallaufnahme
Speichermedium SD/SDHC, MMC
Videomodus
  Format MOV
  Codec H.264
  Auflösung (max.) 640 x 480
  Bildfrequenz (max.) 30 Bilder/s
Empfindlichkeit
  automatisch ISO 80-3.200
  erweitert bis ISO 12.800 bei veringerter Auflösung
  manuell ISO 80-3.200
Weißabgleich
  Automatik ja
  Sonne ja
  Wolken ja
  Leuchtstofflampe ja
  Glühlampe ja
  Sonstiges Unterwasser, Blitz
  Manuell ja
Autofokus
  Anzahl
  Messfelder
1
  AF-Hilfslicht ja
  Geschwindigkeit ca. 0,4-0,5 s
Sprachen Deutsch
  weitere 25
Gewicht
(Betriebsbereit)
200 g
Zoom
  Zoomverstellung motorisch über Ringwippe oder Drehring
Einhandbedienung
(Zoom und Auslöser)
ja
Auslösung während d. Speicherns mögl.
Akkulaufzeit ca. 220 Bilder lt. CIPA

– = "entfällt" oder "nicht vorhanden"

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