Marken und Menschen

Wie plawa AgfaPhoto wiederbeleben will

2008-10-03 Jahrzehnte alte Marken haben eigene Werte. Auch wenn die Erfinder, die Produkte, die Hersteller, die Fertigungsstätten nicht mehr existieren, können neue Markeninhaber damit etwas Neues anfangen. In der Foto- und Kameraindustrie stehen die Traditionsmarken wie etwa Rollei, Voigtländer, Minox, Polaroid oder Exakta für dieses Phänomen. Die Markenrechte am unrentabel gewordenen Geschäftsbereich Fotografie der 1867 gegründeten Agfa AG (später Agfa-Gevaert AG) verkaufte die belgische Marken-Mutter Agfa-Gevaert NV & Co. KG 2004 an die AgfaPhoto Holding GmbH mit Sitz in Leverkusen. Diese vergab im Jahr 2006 Marken-Lizenzen für eine Reihe von Fotoprodukten (u. a. für Speichermedien, Batterien, digitale Bilderrahmen, Filme, Single-Use-Cameras und Digitalkameras) unter der Marke AgfaPhoto an verschiedene Firmen. Für Digitalkameras wurde eine exklusive Unterlizenz an die Uhinger plawa-feinwerktechnik GmbH & Co. KG vergeben. Mit plawa-Geschäftsführer Michael Roessler sprach digitalkamera.de* über seine Pläne zur Wiederbelebung der Marke mit dem roten Punkt.  (Jan-Gert Hagemeyer, Benjamin Kirchheim, Jan-Markus Rupprecht)

Interview Michael Roessler, Plawa, AgfaPhoto [Foto: MediaNord] digitalkamera.de: Herr Roessler, die Firma und das Münchener Kamerawerk Agfa gibt es nicht mehr. Dennoch ist es eine alte deutsche Traditionsmarke, und Sie versuchen bei plawa-feinwerktechnik, einem Noname in der Fotobranche, diese alte Marke wieder zum Leben zu erwecken. Braucht man dafür vor allem Mut oder gar Chuzpe oder Know-how?

Roessler: Ich glaube alle Drei. Aber plawa als Noname in der Fotobranche – das kann man so nicht stehen lassen. Plawa ist seit 1969 in dem Markt tätig mit Diarahmen, Filmspulen, Diaprojektoren und Filmschneidegeräten. Wir haben seither diese Branche mit begleitet wie andere Marken auch, die heute zu uns gehören. Das trifft auch auf Unomat zu, wo wir gerade die Markenrechte gekauft haben. Namen wie Braun Reflekta oder Dacora etwa haben gleichfalls eine Verbindung zu plawa, daher kommt der frühere Inhaber und Geschäftsführer der plawa, Rudi Mergenthaler. Und die Familie Mergenthaler, die hinter plawa steht, war eigentlich schon immer mit der Fotobranche verbunden. Daher ist der Schritt in eine Marke wie AgfaPhoto nicht weit davon entfernt und stellt etwas dar, was wir uns zutrauen. Mut braucht man auch und vor allem die finanziellen Mittel und das Know-how, um so etwas zu machen, genügend große Mengen einkaufen und verkaufen zu können, Konzepte zu entwickeln und die Produkte absetzen zu können.

digitalkamera.de: Worin liegt denn das spezielle Know-how, das plawa zu der Hoffnung berechtigt, im Markt mit Kameras von 99 bis 199 Euro in Europa und in Deutschland einen Marktanteil von 5 % zu erreichen, wie Sie es in Kürze vorhaben?

Roessler: Was heißt Marktanteil – volumen-, stückzahl- oder wertmäßig? Also, wenn wir von Stückzahlen sprechen, dann gehen wir von 30 Millionen Kameras pro Jahr für Europa aus; dann müssen wir 1,5 Millionen Kameras verkaufen. Der Grund, warum wir meinen, uns dies zutrauen zu können, liegt darin, weil wir die Vertriebskanäle dazu haben. Vertriebskanäle sind das A und O, und wir haben Kunden im Handel, die bereit sind, bei plawa einzukaufen und sich mit dem Wert und dem Bekanntheitsgrad der Marke AgfaPhoto am Markt zu etablieren und eine breite Konsumentenschicht anzusprechen.

digitalkamera.de: Dies ist aber inzwischen eine reine Handelsmarke.

Roessler: Was verstehen Sie unter Handelsmarke?

Agfaphoto Sensorpunkt [Foto: Agfaphoto] digitalkamera.de: Darunter verstehen wir – im Gegensatz zu Herstellermarken – Produkte, die nicht selbst, sondern von unterschiedlichen Produzenten hergestellt und eingekauft und unter einer Handelsmarke in die Vertriebskanäle gebracht werden.

Roessler: Wir treten als Hersteller auf, das heißt, wir haben die Lizenz zur Verwendung der Marke AgfaPhoto in den Bereichen der Produktion und des Vertriebs. Das bedeutet: Wir designen die Kameras hier in Deutschland, wir setzen dabei auf Know-how von früher, und wir lassen produzieren in fernöstlichen Werken. Wir haben einen guten Industrie-Designer in Karl-Heinz Rubner, der schon in den 70er Jahren an der Entwicklung des Agfa Sensor-Auslösers beteiligt war, und wir verwenden das Industriedesign. Dann suchen wir uns Hersteller, von denen wir glauben, sie passen zu uns und können das machen, was wir uns vorstellen. So steht uns die aktuellste verfügbare Technologie zu Gebote, um eben diese Technik in unser Kleid einzupacken. So geben wir der Marke AgfaPhoto wieder ein Gesicht, was wir durch die Einführung des berühmten roten Punktes besonders betonen.

digitalkamera.de: Wenn Sie sagen, Sie machen das Design der Kameras – was heißt das eigentlich? Ist das die gesamte Konstruktion oder ist das nur das äußere Erscheinungsbild?

Roessler: Da gibt’s zwei Wege, die wir gehen. Bei günstigen Kameras werden die Komponenten so angeordnet, dass sie in das Kleid unseres Designkörpers passen. Wenn es um Kameras mit optischen Zooms und größeren Displays geht, für die ein größeres Gerüst notwendig ist, dann gehen wir von der bekannten, verfügbaren elektronischen Technologie und Mechanik aus und bauen dann quasi unser Kameragehäuse darum herum. Also das Industriedesign stammt von uns, und beim Komponentendesign greifen wir darauf zurück, was uns unsere Hersteller aus ihrem Portfolio zur Verfügung stellen.

digitalkamera.de: Was bedeuten heute Konstruktion und Design auf dem Kamerasektor?

Interview Michael Roessler, Plawa, AgfaPhoto [Foto: MediaNord]Roessler: Grundsätzlich benötigt man Know-how für die Komponenten. Welche Chipsätze gibt’s, welche Linsen, welche Blitzlichter oder welche LCDs, welche Baugrößen sind da vorhanden? Das ist vergleichbar mit der industriellen Herstellung etwa von Autos oder Bohrmaschinen. Man nimmt sich eben ein 3D-Gerippe und designt darum die Kamera, das Auto oder die Bohrmaschine. Alles das geschieht heute per CAD (CAD = Computer Aided Design). Wir sind soweit, dass diese CAD-Daten dann im Produktionsschritt an unsere Hersteller und direkt in den Werkzeugbau gehen können. Das ist ein gängiger Produktionsprozess. Deswegen können wir auch sagen: Wir treten als Hersteller auf. Wir sind nicht der Händler, der beim Chinesen etwas einkauft und sich dort nur seinen Stempel aufdrucken lässt. Wir gehen da einen Schritt weiter.

digitalkamera.de: Müssen Sie dafür Chinesisch sprechen können?

Roessler: Nein, das machen wir in Englisch oder in Schwäbisch.

digitalkamera.de: Aber warum geben Sie denn einer solchen Kamera, die ja aus Ihrem Kopf stammt, nicht den Namen plawa?

Roessler: Ich glaube, dass die Bekanntheit von plawa als Konsumentenmarke einfach nicht so da ist. Leute, die sich heute noch mit Diarähmchen beschäftigen, kennen plawa. Aber plawa hat nicht die Bekanntheit, wie sie AgfaPhoto hat. Diese Marke ist seit 100 Jahren als Agfa unterwegs. Deswegen hat es Sinn, diese Marke zu leasen. So kann man die Vorzüge dieser Marke für den Erfolg seines eigenen Unternehmens nutzen.

digitalkamera.de: Wird der deutsche Verbraucher da nicht ein bisschen behumbst?

Roessler: Was heißt hier behumbst?

digitalkamera.de: Auf Hochdeutsch gesagt, ein bisschen betrogen. Das einzige, was an diesen Kameras noch Agfa ist, ist ja eigentlich nur der rote Punkt, die Idee des roten Punktes.

AGFAPHOTO [Foto: Agfaphoto] Roessler: Ich glaube nicht, dass der Konsument betrogen oder in irgendeiner Weise in eine falsche Richtung geführt wird. Wir setzen das Know-how ein, das wir bei plawa haben, das ist das Wissen, was man heute in einer Digitalkamera braucht. Wir setzen einen Designer ein, der schon früher AgfaPhoto-Produkte gestaltet hat, der weiß, um was es bei dieser Marke geht und wofür die Marke gestanden hat, wie wir selbst auch: Sie steht für Einfachheit, für Bedienerfreundlichkeit, für etwas, was jedem Konsumenten gut tut. Das macht das Vertrauen in diese Marke aus. Wir führen den Konsumenten damit ja nicht hinters Licht. Das Gleiche wird in vielen anderen Märkten auch praktiziert. Ich denke, wir arbeiten mit AgfaPhoto sehr ehrlich; wir sagen: Das Design ist Made in Germany und signalisieren das mit unserer neuen Sensor-Linie. Wir stecken unser Herzblut rein, wie wir die Kameras bauen, wir investieren in das Design und in das Marketingkonzept. Wir haben einen guten Service am Start, bei dem Kunden schnelle Hilfe kriegen, der bei uns im Haus sitzt und nicht irgendwo in Indien in irgendeiner Hotline. Das ist vor allem wichtig für das Vertrauen der deutschen Verbraucher.

digitalkamera.de: Sie haben sich nun für das schwierigste Marktsegment entschieden, nämlich preiswerte Kameras zwischen 99 und 199 Euro, in dem der Wettbewerb am härtesten und das Geldverdienen vermutlich am schwersten ist. Welche Attraktion liegt darin für Sie als Unternehmer?

Interview Michael Roessler, Plawa, AgfaPhoto [Foto: MediaNord] Roessler: Ich glaube, da kommt es auf die Vertriebsstärke an. Das heißt, dass wir mit unseren Kunden fair zusammenarbeiten und dass man vernünftige Gewinnspannen bietet, damit man mit unserer Marke auch Geld verdienen kann. Das müssen wir sicherstellen. Natürlich unterliegen auch wir dem brutalen Verdrängungswettbewerb, bei dem einem Kameras und Preise um die Ohren gehauen werden. Das ist eine Zeiterscheinung, in der wir einfach mit drinstecken.

digitalkamera.de: Sind Sie insofern vergleichbar mit anderen deutschen Traditionsmarken, die ähnliche oder vielleicht sogar gleiche Wege gehen, etwa Rollei, Minox, Voigtländer und ähnliche? Oder gibt es da große Unterschiede?

Roessler: Der wesentliche Unterschied zu denen ist, dass wir schon einen Schritt weiter sind. Wir kümmern uns tiefer um die Kameras, indem wir sie in unser eigenes Markengesicht verpacken. Das ist einfach eine Verpflichtung, die wir uns selber als Ziel gesetzt haben.

digitalkamera.de: Geht Ihr Design so weit, dass auch die Bedienung berücksichtigt wird? Haben die Kameras von AgfaPhoto also eine einheitliche Benutzeroberfläche?

Roessler: Schauen Sie sich im Kameramarkt mal um. Es gibt einige Kameras, die ein sehr ähnliches Design haben. Bei vielen Kameras ist bekannt, dass sie aus ein und demselben Werk kommen. Unser Designer Karl-Heinz Rubner hat früher etliche Designvorschläge und Konzepte für diese Kameras entworfen. Er hat damals auch für Altek in Taiwan designed. Das ist jetzt auch das Überraschende: Ein Deutscher, der für uns designed, von dem wir wissen, er hat früher für andere taiwanesische Werke Kameras entworfen. Da ist bis auf die Komponentenebene ein unheimlich hohes Know-how vorhanden, das wir natürlich mit nutzen. Außerdem wohnt Herr Rubner zwölf Kilometer weg von uns, das ist ein Katzensprung.

digitalkamera.de: Wie oft sind Sie eigentlich bei Ihrem Hersteller in China?

Roessler: Etwa alle sechs bis acht Wochen im Jahr. Das muss schon sein, selbst wenn wir täglich am Telefon hängen oder uns per E-mail oder Internet Videoconferencing verständigen. Der persönliche Kontakt ist das A und O.

digitalkamera.de: Es gibt in Deutschland ein verbreitetes Misstrauen gegenüber "Billigkameras aus Fernost". Das reicht von Fachjournalisten bis zu den Konsumenten. Was können Sie Gutes darüber sagen?

Roessler: Dann sollten die Konsumenten mal jedes Produkt, nicht nur Kameras, in die Hand nehmen und nachsehen, wo es gebaut worden ist. Und dann werden sie feststellen, dass über die Hälfte davon aus Asien kommt. Alles, was mit Technologie zu tun hat, kommt aus Asien. Und damit kann man negative und auch positive Erfahrungen machen. Das geht von Made in Japan bis Vietnam, von Malaysia bis China oder Taiwan oder Korea. Die führenden Herstellerwerke dort sind genauso ISO-zertifiziert wie bei uns, da kümmert sich der TÜV um die Kameraproduktion und macht Abnahmen für uns. Pfusch können sie sich gar nicht erlauben. Komponenten wie Sensoren, Linsen oder Chipsätze durchlaufen Reinräume mit Absaugvorrichtungen, bevor sie ins Fertigungsgebäude kommen. Das geht oftmals viel strukturierter und sauberer vonstatten als in Deutschland. Die Software, die da verbaut wird, kommt häufig aus den USA. Viel Know-how in den Komponenten stammt wiederum aus Deutschland. Es gibt eigentlich keinen Grund für die Annahme, dass Kameras aus Fernost schlecht seien.

digitalkamera.de: Warum sind eigentlich so führende und technologisch best ausgestattete Hersteller so publizitätsscheu? Sie lassen kaum Journalisten in ihre Werke, sind wenig auskunftsfreudig. Ist das eine ostasiatische Mentalität, die wir erst lernen müssen?

Agfaphoto Sensor 830s [Foto: Agfaphoto] Roessler: Ich kann nicht für alle sprechen. Aber ich glaube nicht, dass das eine typische ostasiatische Mentalität ist. Ich denke, dass Asiaten – ob nun Chinesen, Japaner oder Koreaner – stolz sind, wenn sie eine gute Leistung oder ein gutes Produkt vorzuweisen haben. Alles basiert auf Vertrauen, gute Geschäfte ebenso wie die Auskunftsfreudigkeit. Wir von plawa bzw. AgfaPhoto sind daran interessiert, das Geschehen etwas transparenter zu machen, um auch in der Öffentlichkeit zu zeigen, dass wir mit seriösen Unternehmen zusammenarbeiten.

digitalkamera.de: Es gibt da aber einen Unterschied zwischen AgfaPhoto und den großen Marken. Nämlich den, dass Sie als Firma plawa nur die Lizenz an der Kameramarke haben. Andere Firmen kommen ebenfalls mit dieser Marke, etwa mit digitalen Bilderrahmen oder anderem Zubehör, aber es gibt keinen gemeinsamen Auftritt – vom Katalog bis zur Messe oder Presseveranstaltung. Für den Fachhändler und den Verbraucher kommt alles aus unterschiedlichen Kanälen.

Roessler: Es ist noch keine Stärke von AgfaPhoto, alles unter einem Hut zu haben. Aber seit der photokina Ende September werden Sie, der Fachhandel und die Verbraucher merken, dass sich die Marke AgfaPhoto neu positioniert. Der Lizenzgeber AgfaPhoto als Holding investiert sehr viel in die Marke und in deren Auftritt – wie die Marke kommuniziert werden soll, wie die Marke sich "anfühlen" soll, eher technisch cool oder familiär, und für was die Marke stehen soll. Und wenn das grundlegend gefunden worden ist, dann gibt es auch gemeinsame Auftritte für Kameras, für digitale Bilderrahmen, für Speichermedien, Tinten und Papiere und noch andere Sortimente unter dieser Marke. Dazu gehört auch, dass wir den Fotofachhandel über eine gemeinsame Handelsvertreter-Organisation betreuen werden.

digitalkamera.de: Das bedeutet, die AgfaPhoto-Holding spielt eine zentrale Rolle.

Roessler: Die zentrale Rolle von AgfaPhoto ist das Brand-Management. Das bedeutet, die Marke zu führen, die Richtung vorzugeben bei allen Lizenznehmern. Dann gibt’s ein Brand-Manual, und nach dem müssen wir einheitlich arbeiten. In der Pressearbeit ebenso wie bei Anzeigenkampagnen und allem, was mit Werbung zu tun hat. Etwa so, wie Canon auf Adventure "macht", wie Kodak auf Familiär oder Samsung auf Stylisch und Technik. Wir müssen mit AgfaPhoto auf andere Weise unsere Heimat finden.

digitalkamera.de: Wie würden Sie denn ihre Kameras bezeichnen, wenn die anderen schon familiär oder technisch sind?

Roessler: Natürlich sind Kameras der Marke AgfaPhoto ein technisches Produkt, es steht für zuverlässige Qualität, für Bedienerfreundlichkeit und für guten Service, der danach kommt. Genau das Konzept, das Agfa jahrelang eingehalten und damit Vertrauen bei den Konsumenten aufgebaut hat. Klassisches Beispiel dafür war die Pocket 4000: Jeder kennt noch diese Ritsch-Ratsch-Klick-Kameras, und jeder verbindet mit dem Ding eine gute Kindheit. Selbst unter 15- bis 20-Jährigen ist die Marke Agfa damit noch bekannt. Daran wollen wir anknüpfen mit unseren Digitalkameras. Den Brückenschlag gilt es zu finden.

digitalkamera.de: Und diese Marktnische sehen Sie noch von keinem anderen besetzt?

Roessler: Doch. Aber blicken wir einmal auf die Automobilindustrie. Was machen Fiat mit dem Fiat 500 oder Austin bzw. heute Mini mit dem Mini Cooper vom Design her? Die verwenden die guten Attribute von früher – "Mensch, der Cinquecento, das war einfach diese Knutschkugel von früher, die haben sie jetzt wieder neu aufgesetzt" – und das Gleiche transportieren wir jetzt etwa mit dem roten Sensorpunkt in die heutige Welt. Natürlich werden wir keine Pocket 4000 machen, also keine Ritsch-Ratsch-Klick als Digitalkamera.

digitalkamera.de: Haben Sie damit Ihre bisher gesteckten Ziele erreicht?

Roessler: Ja. Wir haben die ersten Kameras nach der Aquisition der Lizenz im Oktober 2006 in den Markt gebracht. Wir sind jetzt schon im siebenstelligen Bereich, was unseren Kameraabsatz angeht. Das heißt mehr als eine Million Stück in Europa bei einer super guten Defektrate von unter 1 %.

digitalkamera.de: Sie haben es bei plawa vorher auch schon mit anderen Kamera-Marken versucht, etwa mit Polaroid.

Roessler: Polaroid haben wir lediglich als Distributor, also als Großhändler, vertrieben. Das bedeutete: Wir haben eingekauft und verkauft und haben das genutzt, was uns der Hersteller bzw. der Lizenzinhaber damals zur Verfügung gestellt hat.

Digitalkamera Polaroid X530 [Foto: Polaroid] digitalkamera.de: Aus der Zeit wird vielen noch die Polaroid x530 mit Foveon-Sensor im Gedächtnis sein.

Roessler: Die ist nicht wirklich auf den Markt gekommen. Die Problematik bei der x530 war einfach, dass die Kamera nicht das gehalten hat, was sie versprach. Insbesondere, was das Rauschverhalten anbetrifft. Deswegen haben wir sie nicht in den Markt eingeführt.

digitalkamera.de: Können Sie sich den aktuellen Foveon-Sensor in einer AgfaPhoto-Kamera vorstellen?

Roessler: Der Foveon-Sensor ist heute schon sehr gut, insbesondere, wenn man sich anschaut, was man mit den RAW-Dateien alles machen kann, wie man dabei die Bilder oder die Lichtstimmungen verändern kann, weil eben alle Farben auf einem Pixel aufgezeichnet werden. Ich habe schon damals hinter dieser Technologie gestanden. Bloß konnte es damals der Kamerahersteller nicht umsetzen. Das Ziel war ja, in der Kamera auch JPEGs generieren zu können. Aber eben die JPEG-Dateien haben einfach nicht die Qualität gebracht, die vom Sensorhersteller versprochen worden war. Niedriges Rauschverhalten etwa war einfach nicht umsetzbar, nicht in diesem Hardware- und Softwaregerippe. Am Chip hat es nicht gelegen.

digitalkamera.de: Wir sind kurz nach der photokina 2008. Was haben Sie dort gezeigt?

Roessler: Dort fand man AgfaPhoto zweimal. Einmal unter AgfaPhoto in Halle 5, da waren wir mit einem großen Stand der AgfaPhoto-Holding mit all ihren Lizenznehmern und dem gesamten Portfolio. Plawa selbst hatte einen Stand in der Halle 3, wo wir die die Wiederbelebung der Marke Unomat zeigen konnten, mit Ladegeräten, Akkus, Stativen, Videoleuchten und digitalen Bilderrahmen. Das ist eine tolle Ergänzung für uns, denn wir haben durch den Erwerb der Marke Unomat einen weiteren Schritt in den traditionellen Fotobereich gemacht. Und wir haben damit auch einen Riesen-Pool neuer Kunden dazu gewonnen, weltweit.

plawa [Foto: Plawa] digitalkamera.de: Sie haben bereits über eine Million AgfaPhoto-Kameras an die Kunden gebracht. Welchen Weg gehen die damit eigentlich – direkt vom Hersteller zu Ihren Distributoren oder haben Sie selber ein Lager?

Roessler: Zu unserer Logistik gehören verschiedene Läger. Wir beliefern einerseits den deutschen Fotofachhandel und auch verschiedene Distributoren in Europa aus unserem Lager in Uhingen. Andererseits machen wir Verkäufe direkt von Hong Kong, aber auch aus Hamburg, Frankfurt oder Bremerhaven. Jeweils also möglichst in Kundennähe, um Frachtkosten zu sparen. Und für unsere internationalen Kunden ist es daher sinnvoll, diese direkt ab Lager Hong Kong zu beliefern, sonst würden wir uns Wettbewerbsnachteile einhandeln.

digitalkamera.de: Gibt es außer Europa noch andere Länder, die Sie bedienen?

Roessler: Unsere Lizenzgebiete sind Europa, Nord- und Mittel-Amerika, Teile Südamerikas, Australien, Neuseeland, China u.v.m., und wir erhielten kürzlich Zusagen von Handelsriesen wie Walmart in den USA. Wir sind in Verhandlungen und kurz vor Abschlüssen mit brasilianischen Herstellern, um auch in Südamerika zu produzieren. Wir werden aus Australien genauso angesprochen wie aus Hong Kong. Unser nächster Schritt wird China sein. Auch in Russland liegen bereits Verträge bereit, die nur noch unterschrieben werden müssen. Hauptmarkt ist für uns aber sicherlich Europa.

digitalkamera.de: Hat die internationale Nachfrage immer noch etwas mit dem alten Charme der Marke Agfa zu tun?

Agfaphoto Sensor 830s [Foto: Agfaphoto] Roessler: Ganz klar. Es gibt so gut wie kein Land auf der Welt, wo der Name nicht positiv mit deutscher Qualität verbunden wird. Den Job haben das alte Agfa-Marketing und der Agfa-Vertrieb richtig gut gemacht. Von der Werthaltigkeit der Marke profitieren heute natürlich denjenigen, die eine Lizenz unter dieser Marke haben.

digitalkamera.de: Nachdem sich in Deutschland technologisch nicht mehr viel abspielt auf dem Gebiet der digitalen Fotografie, können Sie sich vorstellen, dass Ihr Modell hier eine neue, umgekehrte Entwicklung einleiten könnte?

Roessler: Die deutsche Industrie wird sich insgesamt auf das Know-how konzentrieren, dieses bei sich entwickeln und das Produzieren woanders machen lassen. Das gilt für alle Industrien. Wenn man sich solche Kooperationen in unserer Branche so anschaut, ist das schon eine gute Situation. Know-how fließt in den anderen Bereich hinein, beide nutzen es, und beide sind Gewinner bei dieser ganzen Geschichte. Und ich glaube, das ist es, was zählt.

digitalkamera.de: Ein gutes Schlusswort. Vielen Dank für dieses Gespräch.

*(Das Gespräch führten die digitalkamera.de-Redakteure Jan-Gert Hagemeyer, Benjamin Kirchheim und Jan-Markus Rupprecht)

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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.

 

Jan-Markus Rupprecht

Jan-Markus Rupprecht, 59, fotografiert mit Digitalkameras seit 1995, zunächst beruflich für die Technische Dokumentation. Aus Begeisterung für die damals neue Technik gründete er 1997 digitalkamera.de, das Online-Portal zur Digitalfotografie, von dem er bis heute Chefredakteur und Herausgeber ist. 2013 startete er digitalEyes.de als weiteres Online-Magazin, das den Bogen der digitalen Bildaufzeichnung noch weiter spannt.