Weg mit dem Spiegel!

Spiegellose Systemkameras sd Quattro und sd Quattro H von Sigma

2016-02-23, aktualisiert 2016-06-27 Sigma klaut den SD-DSLRs quasi den Spiegel und stellt mit den beiden Modellen sd Quattro und sd Quattro H seine ersten beiden spiegellosen Systemkameras vor. Die beiden DSLMs unterscheiden sich lediglich in ihrer Sensorgröße, denn die sd Quattro besitzt einen APS-C-Sensor, die sd Quattro einen größeren APS-H-Sensor. Dabei kommt jeweils die Foveon-Sensortechnologie mit mehreren übereinanderliegenden Farbschichten zum Einsatz.  (Benjamin Kirchheim)

Sigma kaufte bereits 2008 den Bildsensorhersteller Foveon mit seiner einzigartigen Sensortechnologie. Ein Foveon-Sensor macht sich die Eigenschaft zu Nutze, dass Licht unterschiedlicher Wellenlänge eine unterschiedliche Eindringtiefe in Silizium besitzt. Dadurch werden, anders als bei einem herkömmlichen Sensor, die Farbwerte eines Pixels untereinander ausgelesen und nicht mithilfe der andersfarbigen Nachbarpixel interpoliert. Im Interpolieren ist Sigma bei den Quattro-Sensoren dann aber doch ein großer Meister und es fällt schwer, die physikalische Auflösung zu definieren. Sigma spricht bei der sd Quattro von effektiv 29 Megapixeln. Diese teilen sich auf 19,6 Megapixel in der obersten, blauempfindlichen Schicht, 4,9 Megapixel in der mittleren, grünempfindlichen Schicht und 4,9 Megapixel in der untersten, rotempfindlichen auf. Die Raw-Dateien der Kamera haben 19,6 Megapixel, während Sigma von einem Äquivalent von 39 Megapixeln zu herkömmlichen Sensoren spricht. Dieses Äquivalent lässt sich als interpolierte Auflösung auch tatsächlich von der Kamera als JPEG speichern. Ob die Sigma nun also 19,6, 29 oder doch 39 Megapixel auflöst, ist eine durchaus streitbare Frage.

In der sd Quattro H kommt übrigens erstmals ein APS-H-Sensor mit Foveon-Technologie zum Einsatz. APS-H war ein zuletzt vor einigen Jahren von Canon in digitalen Sport-Spiegelreflexkameras verwendetes Format, da damals die Vollformatsensoren noch nicht schnell genug waren. Der APS-H-Sensor ist mit 26,6 mal 17,9 Millimetern etwas größer als der APS-C-Sensor mit seinen rund 23,5 mal 15,5 Millimetern. Entsprechend besitzt die sd Quattro H eine höhere Auflösung von 25,6 Megapixeln im Raw-Format, die auf 44,8 physikalischen Megapixeln beruhen, die einem Bayer-Sensor mit 51,2 Megapixeln entsprechen sollen. Einhergehend mit der unterschiedlichen Auflösung ergeben sich auch leichte Unterschiede bei den Serienbildraten und der Puffergröße. 3,6 Bilder pro Sekunde für bis zu 14 Raw-Aufnahmen sind es bei der sd Quattro, 3,8 Bilder pro Sekunde für zehn Aufnahmen sind es bei der sd Quattro H.

Das Gehäuse der beiden spiegellosen Systemkameras ist hingegen identisch. Es besteht aus einer Magnesiumlegierung und ist gegen Staub und Spritzwasser geschützt. Außerdem sorgt ein optisches Glas hinter dem Bajonett für den Schutz des Bildsensors vor Staub. Beim Design der Kamera hat Sigma sich wieder etwas einfallen lassen, wo manch einer allerdings mit dem Kopf schütteln würde. Im unteren Teil macht das Gehäuse beim Handgriff nämlich einen Knick nach oben, sodass der Handgriff weniger hoch ausfällt. Dabei wird bei Kameras immer kritisiert, wenn der kleine Finger nicht mehr mit an den Handgriff passt. Bei der sd Quattro wird er also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Luft hängen, was Sigma mit einem gerade designten Gehäuse hätte verhindern können. Potentielle Käufer müssen aber nicht verzagen, denn der optionale Multifunktionsgriff PG-41 behebt diesen ungeschickten Designkniff.

Für die beiden spiegellosen sd Quattro Systemkameras hat Sigma nicht etwa ein geringes Auflagemaß mit einem neuen Bajonett realisiert, sondern verbaut einfach das von den DSLRs bekannte SA-Bajonett samt entsprechendem, nur noch mit Luft gefülltem Tubus, um den nötigen Abstand zwischen Sensor und Bajonett herzustellen. Kompaktheit darf man von dieser spiegellosen Systemkamera also nicht erwarten. Die Sigma misst immerhin 14,7 mal 9,5 mal 9,1 Zentimeter und wiegt stattliche 625 Gramm zuzüglich Akku und SD-Speicherkarte. Das erinnert ein wenig an die Pentax K-01 aus dem Jahr 2012 (nicht zu verwechseln mit der kürzlich vorgestellten Vollformat-DSLR K-1). Die K-01 verwendete als spiegellose Systemkamera das Pentax-K-Bajonett der DSLRs, entsprechend gab es viele Objektive, aber kompakter als eine DSLR war das System kaum. Es gab kein Nachfolgemodell, womit der Versuch als gescheitert angesehen werden kann. Das dürfte aber auch am langsamen Kontrastautofokus mit dem lauten Stangen-AF der Objektive zusammengehangen haben, der nur noch von der Langsamkeit der Canon EOS M übertroffen wurde.

Hier greift Sigma immerhin auf modernere Technologie zurück, was auf vernünftige Autofokusgeschwindigkeiten hoffen lässt. Denn auf dem Bildsensor sind Phasen-AF-Messpunkte integriert. Sie sollen für die nötige Geschwindigkeit sorgen, der Kontrast-AF hingegen für die Genauigkeit. Auf eine solche Hybridtechnologie greifen aktuell auch viele andere Hersteller erfolgreich zurück. Die Empfindlichkeit des Autofokus liegt bei -1 bis 18 EV. Wer manuell fokussieren möchte, kann auf die Fokus-Peaking-Funktion zurückgreifen, die Kontrastkanten farbig hervorhebt. Alle Objektive der Art-, Contemporary- und Spots-Serie mit SA-Anschluss sollen mit der sd Quattro kompatibel sein, das dürften aktuell immerhin 15 Objektive sein – so viele jedenfalls listet Sigma beim Sony-E-Mount-Adapter auf, der ebenfalls mit allen neueren SD-Objektiven kompatibel sein soll.

In der sd Quattro kommt der leistungsfähige Bildprozessor Dual True III zum Einsatz. Die sd Quattro kann Bilder sowohl in Raw (14 Bit) als auch in JPEG speichern, wobei die Raws auch nachträglich noch in ein JPEG konvertiert werden können. Dabei lassen sich Belichtungskorrektur, Weißabgleich, Farbeinstellung und Seitenverhältnis vom Benutzer anpassen. Im speziellen Belichtungsmodus Super-Fine-Detail nimmt die Kamera vom Stativ aus sieben unterschiedliche Belichtungen auf und speichert diese im speziellen Dateiformat X3l. Die Dateien können von der mitgelieferten Software Sigma Photo Pro in ein Bild mit besonders geringem Rauschen und hoher Dynamik verarbeiten lassen. Insbesondere Studioaufnahmen sollen davon laut Sigma profitieren.

Auf der Rückseite bietet die sd Quattro gleich zwei Displays nebeneinander. Neben dem normalen Farbbildschirm mit 1,62 Millionen Bildpunkten Auflösung und einer Diagonalen von 7,5 Zentimetern ist ein LD-Display angeordnet, das über wichtige Aufnahmeeinstellungen informiert. Beide Displays verfügen über eine gemeinsame Scheibe an der Gehäuserückseite. Zusätzlich bietet die dp Quattro einen elektronischen Sucher mit 2,36 Millionen Bildpunkten Auflösung und einer 0,73-fachen kleinbildäquivalenten Vergrößerung (sensorbezogen 1,09-fach). Der Augabstand ist mit 21 Millimetern relativ groß, außerdem gibt es eine Dioptrienkorrektur von -4 bis +2. Sowohl im Sucher als auch auf dem Bildschirm lässt sich eine elektronische Wasserwaage für die korrekte Ausrichtung der Kamera mit geradem Horizont und ohne stürzende Linien einblenden.

Zur Belichtung stehen neben der Programmautomatik samt Programmshift auch die Halbautomatiken Zeitautomatik und Blendenautomatik sowie eine komplett manuelle Belichtung zur Verfügung. Die ISO-Empfindlichkeit lässt sich im Bereich von ISO 100 bis ISO 6.400 regeln. Sigma betont das einfach zu handhabende, weiter entwickelte Bedienkonzept, das unter anderem mit einem Quick-Set-Menü arbeitet. Wer möchte, kann sich mit dem Lock-Schieber vor unachtsamer Betätigung der Tasten schützen, wobei sich definieren lässt, welche Taste damit funktionslos geschaltet werden. Nur vor versehentlichen Videoaufnahmen braucht sich der Fotograf nicht zu schützen, denn trotz hochauflösendem Livebild kann die sd Quattro keine Videos aufzeichnen.

Ab Juli 2016 soll die Sigma sd Quattro zu einem Preis von kann 800 Euro erhältlich sein, das Set mit dem Objektiv Sigma Art 30 mm F1,4 DC HSM soll knapp 1.050 Euro kosten. Lieferdatum und Preis der Sigma sd Quattro H stehen hingegen derzeit noch nicht fest. Als Zubehör soll es neben dem knapp 250 Euro teuren Batteriegriff PG-41 auch ein Fernauslösekabel geben, das in den USB-3.0-Ausgang gesteckt wird. Ein Studiobetrieb wird mit dem Netzteil SAC-7 erleichtert, womit der Wechsel des Lithium-Ionen-Akkus entfällt. Auch über einen Blitzschuh verfügt die Sigma.


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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.