Erste konventionelle DSLR mit Videofunktion

Fotografieren und Filmen mit Nikons neuer GPS-tauglicher D90

2008-08-27 Dass der Namen gebende Schwingspiegel einer Spiegelreflexkamera nicht gleich aus dem Kameragehäuse heraus verbannt werden muss, um DSLRs eine Videofunktion zu erschließen, beweist Nikons neue D90. Zwar bleibt das jüngste digitale Spiegelreflexkameramodell des traditionsreichen Kameraherstellers in erster Linie eine digitale Fotokamera und wartet auch in dieser Funktion mit einigen Neuerungen auf, aber als Camcorder-Alternative macht sie auch eine gute Figur. Hier die ausführliche Vorstellung samt einigen – nicht im offiziellen Bildmaterial enthaltenen – Bildschirmfotos.  (Yvan Boeres)

Nikon D90 [Foto: Nikon] Im Vergleich zu den meisten Camcordern besitzt die D90 den Vorteil, dass man das Objektiv wechseln kann und dass ihr Bildsensor um einige Nummern größer ist als die der Videokameras. Das erlaubt zum Einen den Einsatz von Speziallinsen wie Fisheye- oder Makro-Objektiven und verspricht zum Anderen eine bessere Bildqualität. Allerdings sind die Camcorder-Tage noch nicht endgültig gezählt, denn beim Filmen mit der D90 gibt es zwei bis drei wesentliche Einschränkungen: So ist der Filmspaß auf eine maximale Aufnahmezeit von fünf Minuten (im HD-Modus) bzw. eine Datenmenge von zwei Gigabytes begrenzt (es reicht, dass einer der beiden Fälle eintritt, damit die Aufnahme aufhört), und die Schärfe muss manuell eingestellt werden. Auch nehmen fast alle Camcorder den Ton in Stereo auf und/oder bieten eine Anschlussmöglichkeit für ein externes (Richt-)Mikrofon an, während das eingebaute Mikrofon der D90 den Ton in Mono aufnimmt. Gestartet wird die Videoaufnahme, sobald man im LiveView-Modus auf der Kamera-Rückseite die OK-Taste in der Mitte des Steuertastenfeldes drückt. Je nachdem, welche der drei Qualitätsstufen man zuvor im Kameramenü eingestellt hat, filmt die D90 mit einer Auflösung von 1.280 x 720 Bildpunkten (HD-720p-Nikon D90 [Foto: Nikon]Modus), 640 x 424 Bildpunkten oder 320 x 216 Bildpunkten – und das alles bei einer Bildwiederholrate von maximal 24 Bildern pro Sekunde. Während der Videoaufnahme sorgt die Matrix- bzw.  Mehrfeldmessung der Kamera für die richtige Belichtung; kreative Akzente kann man durch Auf- und Abblenden (eine Steuerung der Schärfentiefe ist beim Filmen bis Blende 8 möglich), durch Anwenden der auch im Videomodus zur Verfügung stehenden Picture-Control-Sets, d. h. der Bildparameter-Einstellungen (Farbsättigung, Scharfzeichnung, Bildkontrast etc.), und/oder Eingabe einer Belichtungskorrektur.

Noch ein paar weitere Anmerkungen zum als D-Movie bezeichneten Videomodus, bevor wir zu den Aspekten fotografischer Natur übergehen: Beim Filmen funktioniert auch der optische Bildstabilisator mancher Nikon-Objektive (VR-System), die Videos werden im etwas betagten Motion-JPEG-Format aufgezeichnet (als AVI-Datei), durch die Auto-ISO-Funktion wird die Empfindlichkeit automatisch angepasst, grundlegende Videonachbearbeitungsfunktionen (Index, Schnitt) hat die D90 leider nicht eingebaut, und die Belichtungsmesswertspeicherung (AE-L) lässt sich auch während des Filmens verwenden. Betätigt man während der Filmaufnahme den Auslöser, wird zwar augenblicklich ein Foto aufgenommen, aber die Filmaufnahme wird dadurch auch ohne Fortsetzungsmöglichkeit unterbrochen. Um die Filme auch gleich Nikon D90 [Foto: Nikon]in angemessener Qualität auf einem HD-tauglichen Fernseher, Beamer o. ä. vorzuführen, ist die D90 mit einer HDMI-Schnittstelle (HDMI mini) ausgestattet. Diese kann selbstverständlich auch zum Vorführen von Fotos benutzt werden. Wer noch einen älteren Fernseher ohne HDMI-Anschluss besitzt, kann die Fotos und Videos in geringerer Qualität über den – ebenso vorhandenen – Videoausgang (für ein so genanntes Komponentenkabel) ausgeben.

Als Fotokamera tritt die D90 die Nachfolge der D80 an, die sie mittel- bis langfristig ablösen soll. Neu sind u. a. der Bildsensor (12,3 Megapixel effektiv), der Expeed-Prozessor, das eingebaute Sensorreinigungssystem (laut Nikon musste man aber aus Platzgründen auf das von der D60 her bekannte Airflow-System verzichten), der etwas größere (3" bzw. 7,6 cm) und deutlich höher auflösende (920.000 Pixel) Kamerabildschirm sowie der LiveView-Modus. Eigentlich müsste man sogar von "LiveView-Modi" reden, da es bei der D90 drei Betriebsarten für die per Knopfdruck (LV-Taste) aktivierte Bildvorschau in Echtzeit gibt: einen Porträt-AF-Modus (die Kamera bzw. integrierte Gesichtserkennungsfunktion erkennt bis zu fünf einzelne Gesichter und stellt automatisch auf das nächstgelegene Gesicht scharf), einen Weitwinkel-AF-Modus mit frei auf dem Bildschirm positionierbarer großer Messfeldmarkierung (erweiterter Flächen-AF) und einen Normal-AF-Modus mit ebenfalls frei auf dem Bildschirm positionierbarer Messfeldmarkierung in gewohnter Größe (Flächen-AF). Im LiveView-Modus wird sich zur automatischen Nikon D90 [Foto: Nikon]Scharfstellung selbstverständlich der Kontrastvergleichsmethode bedient, d. h. es wird über den Bildsensor (23,6 x 15,8 mm großer DX-Sensor) scharf gestellt – wobei der Messvorgang laut Nikon in Bezug auf die Scharfstellgeschwindigkeit optimiert wurde. Wie wir auf der Pressekonferenz zur D90 selbst verifizieren konnten, bietet auch die jüngste Nikon-DSLR keine Belichtungsvorschau im LiveView-Modus an.

Im konventionellen DSLR-Modus (also mit Spiegelschlag und ohne Echtzeit-Bildvorschau) macht die D90 nach wie vor vom schnellen Phasendetektionsverfahren über das MultiCAM-1000-Autofokusmodul Gebrauch. So ändert sich im Vergleich zur D80 nichts an der Anzahl und Anordnung der AF-Messfelder (acht waagerechte Zeilensensoren, zwei senkrechte Zeilensensoren und ein mittlerer Kreuzsensor für insgesamt 11 AF-Messfelder); allerdings sind die entsprechenden Messfeldmarkierungen im Sucher kleiner bzw. diskreter geworden. Diese leuchten in gewohnter Weise an der/den Nikon D90 – Info-LCD mit maximalen Anzeigen [Foto: Nikon]Stelle(n) rot auf, wo die Kamera scharf stellt; bei der Messfeldsteuerung kann man selbst eins von den elf Messfeldern auswählen (Einzelfeld-AF), die Kamera das Messfeld auswählen lassen (automatische Messfeldsteuerung), den Autofokus bei sich bewegenden Motiven die Scharfstellung nachführen lassen (dynamischer AF) und den Autofokus das Motiv regelrecht "verfolgen" lassen (3D-Tracking mit intelligenter Vorausberechnung der  Bewegungsrichtung und -geschwindigkeit). Bei der Motivverfolgung wird der Autofokus der D90 – wie bei den großen Schwestern D300, D700 und D3 – aktiv vom Belichtungsmesssystem der Kamera Nikon D90 – Suchereinblick [Foto: Nikon]unterstützt. Die Belichtungsmesszelle arbeitet zwar mit einer etwas gröberen Auflösung als bei den o. g. Schwestermodellen (420 Pixel vs. 1.005 Pixel), ist aber durch einen vorgesetzten "Strahlenteiler" neuerdings nicht mehr nur in der Lage, die grobe Farbverteilung im anvisierten Bild bei der Belichtungsmessung mit zu berücksichtigen (= Colormatrixmessung), sondern nun auch die Umrisse von Personen/Gesichtern und Gegenständen in groben Zügen zu erkennen und den Autofokus sowie die Belichtungsmessung mit dieser Information zu versorgen. Autofokus und Belichtungsmessung arbeiten also bei den neuesten Nikon-DSLRs noch viel enger zusammen als bisher.

Eine geringfügig bessere Bildfeldabdeckung bietet der optische Sucher der D90 gegenüber dem der D80. Bei gleichem Augenabstand bzw. gleicher Austrittspupille von 19,5 mm steigt die Abdeckung von 95 Prozent Nikon D90 Messfeld-Platzierung [Foto: Yvan Boeres]auf 96 Prozent; gemeinsam haben die D80 und D90 das hochwertige Glasprisma im Sucherkasten sowie die in der Suchermattscheibe eingebettete Flüssigkristallschicht zur Einblendung eines Gitternetzes. Die D90 ist auch schneller als ihre Vorgängerin: die Einschaltzeit wurde von 0,18 auf 0,15 Sekunden reduziert, die Auslöseverzögerung wurde von 0,80 auf 0,65 Millisekunden verkürzt, und die Bildfrequenz im Serienbildmodus steigt von 3 auf 4,5 Bilder pro Sekunde. Wie schon angedeutet, wurden die AF-Leistung, die Belichtungsmessung und der automatische Weißabgleich verbessert (nicht zuletzt durch die Motiverkennungsfähigkeiten der Belichtungsmesszelle); dank Strom sparendem Design und effizienter Energieverwaltung kommt die D90 bei gleichem Akku (EN-EL3e-Lithiumionenakku mit 7,4V und 1.500 mAh) auf zirka 950 Aufnahmen pro voller Akkuladung, während die D80 da "nur" 600 Aufnahmen schaffen soll. Der Verschluss der D90 (30 bis 1/4.000 s, max. Blitzsynchronzeit von 1/200 s) ist auf 100.000 Auslösungen getestet.

Nikon D90 – Bildbearbeitungsmenü [Foto: Yvan Boeres]Natürlich bietet die D90 alle Funktionen und Einstellungen der D80 an – plus solche Neuheiten wie die automatische Korrektur chromatischer Aberrationen (nur automatisch), die Vignettierungskorrektur (ein-/ausschaltbar), die Verzeichnungskorrektur (automatisch und manuell) und die Lichter schonende Schattenaufhellung in Echtzeit (Active D-Lighting mit neuer Extra-High-Einstellungsstufe). Zu den weiteren Neuheiten gehören u. a. noch die zum Teil von der D60 übernommenen digitalen Effektfilter (Sternfilter, Skylight-Filter, Warmton-Filter, Fisheye-Effekt etc.), eine Bildbegradigungsfunktion zur automatischen oder manuellen Korrektur stürzender Linien (die natürlich kein Nikon D90 – Verzeichnungskorrektur [Foto: Yvan Boeres]vollwertiger Ersatz für ein Tilt-Shift-Objektiv bzw. Nikon-Objektiv der PC-Serie ist), die erweiterte Histogramm-Funktion (jetzt kann auch ein Histogramm für einen ausgewählten Bildausschnitt angezeigt werden), die erweiterten Bildwiedergabefunktionen (Miniaturübersicht mit 72 Einzelbildern, Bildanzeige in chronologischer Reihenfolge bzw. im Kalender-Layout, PictMotion-Diaschau mit wählbaren Bildübergangseffekten und Hintergrundmelodien, elektronische Bildlupe mit bis zu 27-facher Vergrößerung, automatisches Hereinzoomen auf Gesichtspartien dank Gesichtserkennung) sowie die Möglichkeit, RAW/NEF-Rohdatenbilder noch in der Kamera in JPEG-  Aufnahmen umzuwandeln. Bei allen eingebauten Bildnachbearbeitungsfunktionen bleibt das ursprünglich geschossene Bild als Originalaufnahme erhalten und wird das nachbearbeitete Bild als Kopie des Originals abgespeichert.

Nikon D90 – Status-Anzeige [Foto: Yvan Boeres]Der eingebaute Miniaturblitz der D90 weist laut Herstellerangaben eine Leistung von LZ17 (bei ISO 200) auf, deckt einen Bildwinkel entsprechend einem 18mm-Objektiv (KB-äquivalent) ab, funktioniert im erweiterten iTTL-Modus und kann im drahtlosen iTTL-Betrieb nicht nur als Steuerblitz verwendet werden, sondern kann in dieser Funktion sogar zwei unabhängige "entfesselte" Blitzgruppen steuern. Natürlich kann auch auf altgewohnte Weise ein externes Systemblitzgerät auf dem (iTTL-)Blitzschuh der Kamera montiert werden, wobei dieser auch zur Aufnahme des optional erhältlichen GPS-Miniaturempfängers GP-1 dient. Die Positionsdaten werden dann den Bilddateien angehängt und können so eindeutig den einzelnen Bildern zugeordnet werden. Der GP-1-Empfänger soll laut Nikon auch mit anderen Nikon-DSLRs kompatibel sein. Zu guter Letzt sei noch darauf hingewiesen, dass die D90 dank ihres eingebauten Mikrofons auch Nikon D90 – Systemmenü-GPS [Foto: Yvan Boeres] Sprachnotizen aufzeichnen kann (und diese über den ebenfalls eingebauten Lautsprecher auch unterwegs wiedergeben kann), dass die Objektivdaten von der Kamera verwertet werden (so kann die D90 z. B. erkennen, ob der Bildstabilisator eingeschaltet ist oder nicht und so dürfte es nun auch mit Superweitwinkel-Objektiven keine Unter-/Überbelichtungsphänomene mehr wegen verhältnismäßig hohem Himmels-Anteil geben), dass der Empfindlichkeitsstufenbereich der D90 sich von entspr. ISO 200 bis 3.200 erstreckt (nach unten auf ISO 100 und nach oben auf ISO 6.400 erweiterbar) und dass der ursprünglich für die D80 bestimmte Batterie-/Hochformatgriff MB-D80 auch mit der D90 kompatibel bleibt. Die D90 behält die kompakten Ausmaße (ca. 132 x 103 x 77 mm bei ca. 620 g ohne Objektiv) ihrer Vorgängerin bei und kommt am 19. September 2008 wahlweise ohne Objektiv (UVP: knapp 970 EUR) oder mit dem neuen AF-S DX 18-105/3.5 - 5.6 G ED VR (UVP Setpreis: knapp 1.190 EUR) auf den Markt.

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