Rubrik: Bildgestaltung

Wie weit reicht ein Porträt?

2002-07-29 Landläufig wird das Porträt einem "Brustbild" gleichgesetzt. Das muss durchaus nicht sein. Ein Porträt soll schließlich Spiegelbild des Wesens, der Persönlichkeit eines Menschen sein. Dazu kann mehr gehören als Kopf und Schultern, zuweilen der ganze Mensch und ein Stück Umwelt dazu.  (Jürgen Rautenberg)

  • Bild Weberin auf Kreta [Foto: Jürgen Rauteberg]

    Weberin auf Kreta [Foto: Jürgen Rauteberg]

Sie sehen auf solchen Bildern nicht nur den Menschen, sondern erfahren darüber hinaus, wo, wie und wovon er lebt. Sie erleben ihn eingebunden in seine persönliche Welt, im Ausland zudem in eine angestammte Tradition und Lebensform. In solchen Fällen kann ein Porträt schon einmal den ganzen Arbeitsplatz eines Menschen umfassen. Als Fotograf empfinden Sie nicht nur die Impressionen eines anderen Fotografen nach, sehen nicht nur das Abbild, sondern erfahren Mensch und Geschehen mit den eigenen Sinnen. Scheuen Sie nicht die persönliche Bereicherung durch einen Grußwechsel, ein Gespräch oder mehr. Spendieren Sie ein freundliches Kopfnicken, zeigen Sie Interesse an seinem Tun. Das schönste Motiv bringt nichts, wenn Sie Menschen nicht mögen. Drei aus solchen Situationen heraus entstandene Bilder zeigt dieser Fototipp.

Um die Geschichte eines Menschen auf solche Weise zu erzählen, muss die Situation möglichst umfassend, aber konzentriert ins Bild gesetzt werden. Der Mensch soll erkennbar sein, aber auch persönliche Requisiten, das Flair, eventuell sogar Architektur und Landschaft. Die Planung, wie so ein Bild anzulegen ist, benötigt Zeit und Konzentration, Routine verkürzt die Spanne.

  • Bild Lederhändler in Marakesch [Foto: Jürgen Rauteberg]

    Lederhändler in Marakesch [Foto: Jürgen Rauteberg]

Wenn Sie mit Ihrem Modell warm geworden sind, geben Sie deutlich zu verstehen, dass Sie fotografieren möchten. Fotos gegen den Willen der Fotografierten haben meist etwas von Gewalt an sich. Und sie lassen ein Stück Lebendigkeit vermissen. Bilder sprechen stärker, wenn das "Miteinander" spürbar wird.

Ideales Licht führt zum idealen Bild. Ist ein Motiv – wegen des damit verbundenen menschlichen Erlebnisses – besonders wichtig, kann man das Licht schon einmal nehmen, wie es kommt. Große Beachtung verlangt der Bildausschnitt. Zeigt er zuviel Umfeld, gerät das Wesentliche zu klein und verliert an Wirkung. Ist er zu eng, werden eventuell Informationen abgeschnitten, die zum Verständnis der Situation nötig sind. Erfahrene Fotografen berücksichtigen die gestaltende Rolle der Perspektive und wählen Standpunkt und Brennweite entsprechend.

  • Bild Wasserförderung auf Indisch [Foto: Jürgen Rauteberg]

    Wasserförderung auf Indisch [Foto: Jürgen Rauteberg]

Bild 1  Weberin auf Kreta: Das Anschneiden des Webstuhls erlaubte einen engen Bildausschnitt. Der Aufnahme ging ein halbstündiges Gespräch über das Leben in Haus und Dorf voraus, das nicht nur Vertrauen schuf, sondern den eigenen Horizont erweiterte.

Bild 2  Lederhändler in Marakesch: Seine Haltung gestattet Rückschlüsse auf eine uns weniger geläufige Verhaltensweise: "Lass' dir Zeit!" Der Bildausbau ergab sich aus der Situation; der Händler sitzt seitlich und gibt den Blick auf seine Kollektion frei.

Bild 3  Wasserversorgung wie vor tausend Jahren. Die Schöpfanlage (beachten Sie die Montage der tönernen Schöpfgefäße!) in einem indischen Dorf darf nicht weiter angeschnitten werden, weil der Informationsfluss verloren ginge. Deshalb bleibt im Bild wenig Raum für den Menschen. Sein Stellenwert wird deshalb durch die Platzierung in der Bildmitte erhöht. Keine Probleme gab es bei der Fotografier-Erlaubnis, Inder lassen sich gerne fotografieren (was nicht dazu führen sollte, die Würde des Menschen zu verletzen).

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