Rubrik: Motive und Situationen

Unterwasser-Fotografie – Teil 4 Bildgestaltung

2008-08-25 Unterwasser-Fotografie ist Landschafts-Fotografie, ist Wildlife-Fotografie – und doch ganz anders. Anders, weil Landschaften sich in der Regel wenig bewegen. Eine Unterwasser-Landschaft bewegt sich (relativ zum Fotografen) pausenlos. Anders, weil der Löwe im Nationalpark meist immer am selben Platz schläft, wo er vom offenen Land Rover aus sicherer Entfernung mit einem 300er Tele "erlegt" werden kann – während der Hai meist unerwartet aus dem Blau auftaucht und genauso schnell wieder verschwindet. Derlei spezielle Umstände beeinflussen so ziemlich alle Parameter, die der Fotograf bestimmen kann: Brennweite, Verschlusszeit, Schärfentief, ISO-Wert. Ein kontrollierter Bild-Aufbau ist unter Wasser bei weitem nicht in dem Umfang möglich wie bei normaler Fotografie. Wohl aber ist es möglich, sich und die Ausrüstung vor dem Tauchgang so vorzubereiten, dass im entscheidenden Moment gute Fotos gelingen können.  (Christian Fischer)

Ein leichtes Weitwinkel von 38 mm wird unter Wasser zur Standard-Brennweite - auch bei Nahaufnahmen wie von diesem Drachenkopf [Foto: ScubaPhotoFactory]Das beginnt mit der Wahl der Brennweite. In der Regel ist Unterwasser-Fotografie Weitwinkel-Fotografie. Das hat drei Gründe: Erstens wird durch die Lichtbrechung die Brennweite ohnehin um ein Drittel verlängert – ein 24-Millimeter-Objektiv wirkt unter Wasser wie ein 32er. Zweitens sind vor allem per Weltwinkel Fischschwärme, Riffe und Wracks sinnvoll abzubilden. Drittens wird die Gefahr des Verwackelns bei längeren Brennweiten unter Wasser noch verstärkt. Eine Anfangsbrennweite von 28 mm ist für Kompaktkameras daher empfehlenswert, 24 mm noch besser (stets bezogen auf Kleinbild-Norm). Besitzer von Modellen mit Wechsel-Optik – also Spiegelreflex-Kameras oder dem künftigen Micro-FourThirds-Standard – schrauben in der Regel ein Weitwinkel-Zoom auf, das bei ca. 20 Millimetern beginnt.

Damit – oder auch einem Fisheye, dessen tonnenförmige Verzerrung bei Unterwasser-Motiven kaum auffällt – lassen sich Riffe eindrucksvoll abbilden. Die Blickrichtung verläuft dabei am besten von unten schräg nach oben, so dass sich die Formationen gegen die vom Sonnenlicht erhellte Wasseroberfläche abzeichnen. Ob lehrbuchmäßig Fauna die Flora ergänzt (also Fische, Schwärme oder auch andere Taucher einen Vordergrund bilden) ist der Freiheit des Künstlers überlassen. Große Korallen sind ebenfalls beherrschende Bildmotive – hier verläuft die Blickrichtung naturgemäß eher umgekehrt, also nach unten, was eine längere Belichtung oder externe Lichtquelle (siehe Teil 3 dieser Serie unter weiterführende Links) bedingt.

Der in einiger Entfernung stehende Barrakuda wird mit 50 mm Brennweite bildfüllend eingefangen [Foto: ScubaPhotoFactory]Die typische Ansicht von Einzelfischen dagegen ist meist die von hinten, obwohl es natürlich – hier in Übereinstimmung mit der klassischen Wildlife-Fotografie – eine von (seitlich) vorne sein sollte. Doch die meisten Fische sind scheu wie Rehe und drehen bei Annäherung menschlicher Eindringlinge ab. Vor allem, wenn die sich wild rudernd und unter kräftigen Luftblasen-Emissionen auf das Motiv stürzen. Ruhige Bewegung, noch besser gar keine, sichert die besten Plätze im Unterwasser-Theater.

Stimmen alle Umstände – vom ausreichend vorhandenen Licht bis zur Ruhe des eigenen Standortes – kann sogar der Einsatz längerer Brennweiten funktionieren. 100, 150 Millimeter (entsprechend Kleinbild) sind durchaus auch mit gutem Ergebnis einsetzbar, wenn etwa ein Barrakuda still in der Strömung steht. Das sind Ausnahme-Situationen, auf die der Nutzer von Kompakt-Kameras oder Standard-Zooms mit weitem Brennweitenumfang problemlos reagieren kann. Das sonst so passende Weitwinkel-Zoom hilft hier nicht weiter. Noch vor dem Tauchgang muss sich der DSLR-Nutzer also dazu durchringen, das Weitwinkel durch das Tele zu ersetzen.

Nah dran im Makro-Modus: Die farbenprächtige Muschel wirkt im Ausschnitt präsenter als in einer Gesamtaufnahme [Foto: ScubaPhotoFactory]Dem gleichen Problem sieht er sich bei Makro-Aufnahmen gegenüber. Extreme Nahaufnahmen lassen sich mit Kompakt-Kameras – auch aufgrund ihres kleinen Chips – mühelos und spontan anfertigen, der stolze Besitzer einer teuren Ausrüstung mit Wechseloptiken muss sich im Voraus entscheiden. Dafür wird er aber fast sicher mit guten Bildern belohnt: Klein-Lebewesen finden sich unter Wasser in großer Zahl, in manchen Regionen geben farbenprächtige Nacktschnecken oder Muscheln die lohnendsten Motive überhaupt ab.

Weitwinkel extrem, dann auf Format 1:2 geschnitten: Ein 16-mm-Fisheye porträtiert die Schildkröte vor ihrem Riff [Foto: ScubaPhotoFactory]Hier ist ein Blitz, am besten im Ring-Format, eine große Hilfe. Bei großen Fischen, Riffen, Wracks kann man eher mit dem verfügbaren Licht arbeiten (siehe Teil 3 dieser Serie). Bei manueller Einstellung ist die erhöhte Verwacklungs-Gefahr zu beachten: 1/60 Sekunde, die an Land auch ohne Bildstabilisator oder Stativ noch scharfe Bilder liefert, ist im bewegten Meer in aller Regel schon zu lang. ISO 200 mit offener Blende bringt kurze Verschlusszeiten auch in 20 Meter Tiefe – und dazu eine klar definierte Schärfentiefe. Andererseits arbeitet der Autofokus in der Regel langsamer und weniger zuverlässig als an Land, was eine kleinere Blende abmildern könnte. Hier muss jeder durch einige Versuche herausfinden, welche Arbeitsweise ihm die besten Ergebnisse beschert.

Experimentieren sollte man auch mal mit der Belichtungsreihen-Automatik. Anders als bei Analog-Film setzt etwa ein 2-GBytes-Chip während des Tauchgangs kaum Mengenlimits. Eine solche Methode mag mancher als "Try and Error" bezeichnen. Ein sorgfältiger Bildaufbau aber ist bei den – vor dem Tauchgang ja oft unbekannten – Unterwassser-Landschaften nur in wenigen Fällen möglich. Am ehesten noch an Wracks. Doch sobald Leben ins Spiel kommt, sollte sich auch ein Fotograf ruhig mal treiben lassen. Überraschende und gelungene Aufnahmen sind ihm garantiert.

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