Rubrik: Bildgestaltung

Porträt mit Blickkontakt – ja oder nein?

2002-06-17 Es gibt eine Reihe ausgezeichneter Porträtfotografen, die sagen: "Das Modell muss unbedingt in die Kamera schauen!" Es gibt ebenso viele, ebenfalls ausgezeichnete Fotografen, die sagen: "Das Modell darf nie in die Kamera schauen!" Beide können das auch begründen. Aber wer hat nun rechter als der andere?  (Jürgen Rautenberg)

  • Bild Porträt - der Denker [Foto: Jürgen Rauteberg]

    Porträt - der Denker [Foto: Jürgen Rauteberg]

Fotografisch sind diese konträren Standpunkte sekundär. Sie werden wohl eher mit der Psyche – der einmaligen Gefühlsstruktur jedes Menschen und der dadurch bedingten individuellen Arbeitsweise des Fotografen zusammenhängen. Jeder Mensch aber propagiert die Überzeugungen, die seiner Arbeitsweise, also seinem Wesen, entsprechen. Tun Sie selbst anderes?

Gestalterisch haben beide Formen – Blick in die Kamera oder nicht – ihren logischen Sinn. Der kann sich bei Amateur- und Berufs-, bei Porträt- und Werbefotografen allerdings erheblich unterscheiden. Ein Porträt ist ja kein Passbild. Nicht das figürlich Äußere, sondern die Persönlichkeit des Porträtierten soll im Bild sichtbar werden. Nehmen wir ein Beispiel: Menschen, die offen und stets zu Gespräch und Diskussion bereit sind, die auf ihr Gegenüber zugehen, suchen den Kontakt und schauen ihr Visavis an. Nehmen Sie aber einen Grübler, einen eher introvertierten Menschen, dann ist dieser so auf sich selbst, auf seine Gedanken bezogen, dass er seine Umwelt kaum wahrnimmt und auch den Blickkontakt nicht sucht. Und schon haben Sie ein Schema für Ihre nächste Porträtsitzung: Vorwärtsleute = Blick in die Kamera, Grübler = Blick nach "innen", Schwärmer = Blick zum Himmel! Nur, bitte: Zum Dogma darf so etwas nie erklärt werden.

Die Werbung hat eine völlig andere Motivation. Nicht die Schönheit des Models, feminin oder maskulin, bestimmt deren Wirkung, sondern der Absatzerfolg. Wer jemanden von einem Argument oder der Qualität einer Leberwurst überzeugen will, der darf nicht gleichzeitig Löcher in die Luft starren. Ihr Gegenüber glaubt Ihnen nur, wenn Sie ihm die Dinge ins Gesicht sagen. Eine Bestätigung dafür finden Sie in jedem Werbespot, in jeder guten Anzeige. Doch, doch – aus der Werbung können Sie lernen, die Jungs wissen, was sie tun!

  • Bild Porträt - der Andere [Foto: Jürgen Rauteberg]

    Porträt - der Andere [Foto: Jürgen Rauteberg]

Wie Sie ein Porträt anlegen, was Sie an Form, Stimmung oder Aussage hineinlegen wollen, hängt von vielen Überlegungen ab. Wir präsentieren Ihnen zur Erläuterung zwei Bilder ein und desselben Herrn, um Ihnen zu zeigen, wie das Wesen eines Menschen durch gezielten Einsatz fotografischer Hilfsmittel beeinflusst werden kann. Achten Sie auf die Unterschiede. Nicht nur die Blickrichtung variiert. Der Fotograf hat auch Mimik und Haltung, ja sogar die Kleidung verändert, um das Charakteristische der beiden Posen verstärkt herauszuarbeiten. Nehmen wir als Beispiel Licht und Schatten, die Ausleuchtung also. Der "Denker" wird von links seitlich mit kleinem Reflektor hart angestrahlt, das Haar von rechts schwach aufgehellt. Das arbeitet die Gesichtsform heraus und schafft Dramatik. Der schwarze Hintergrund isoliert ihn von der Umwelt. Der Andere – die Festlegung auf einen Beruf überlassen wir Ihnen – steht Ihnen zugewandt im Frontallicht. Die Lippen sind geöffnet, damit er antworten kann, sobald Sie endlich den Mund halten. Die Augen sind auf Sie gerichtet. Kurz: Er will Sie überzeugen!

Es gibt also nicht immer nur den einen richtigen Weg – schon gar nicht bei Fotos. Von Situation zu Situation muss der Fotograf sich fragen: "Welche Gestaltungsmittel setze ich ein, damit meine Botschaft beim Betrachter optimal ankommt?"

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