Rubrik: Motive und Situationen

Luftbilder – gute Vorbereitung ist alles

2008-03-10 "Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein", sang vor über dreißig Jahren Reinhard Mey und beschrieb damit die Sehnsucht nach der Fliegerei. Heute ist eine Reise im Flugzeug nichts Besonderes mehr. Und doch ist der Mensch noch immer fasziniert vom Anblick der Erde aus großer Höhe. Da liegt es natürlich nahe, diese Eindrücke mit der Kamera dauerhaft festzuhalten. Doch worauf muss man achten, damit diese Faszination nicht verloren geht? In diesem Fototipp geht es um die grundlegenden Vorbereitungen und Überlegungen, bevor man sich auf die Luftbildjagd begibt.  (Sascha Stewen)

Die Piper ist ein gutes Flugzeug für Bildflüge: Langsam, mit guter Rundumsicht, und nur kleine Streben stören den Blick [Foto:Sascha Stewen] Für viele Menschen gehört es zum alljährlichen Urlaubsritual: Zuerst wird das Flugzeug am Flughafen fotografiert, dann ein paar Schnappschüsse während des Fluges und zum Schluss noch ein Bild am Zielort. Fertig ist der Prolog für den anschließenden Fotoabend. Wer jedoch ernsthaft und gezielt Luftbilder erstellen möchte, für den kommt nur ein gut geplanter Bildflug in Frage. Damit dieser erfolgreich durchgeführt werden kann, braucht es einiges an Vorbereitung. Das fängt schon bei der Wahl der Maschine an, mit der dieser Bildflug durchgeführt werden soll. Hier muss man sich im Zweifelsfall bei verschiedenen Anbietern umschauen, um einen gut geeigneten Flugzeugtyp zu finden. Dieser sollte den freien Blick nach draußen ermöglichen, also entweder über ein im Flug zu öffnendes Fenster verfügen, oder über eine demontierbare Tür. Ist keines von beiden möglich, so sollten zumindest die Scheiben besonders gut geputzt sein. Ebenso wichtig ist die Position der Tragflächen. Hochdecker bieten einen freien Blick auf den Erdboden, sofern keine Streben die Sicht stören. Bei Tief- oder Mitteldeckern ist die Lage entscheidend. Es ist zwar möglich, das Flugzeug für die jeweilige Aufnahme auf die Seite zu legen, jedoch kann das bei einem längeren Flug ein ständiges Hin und Her bedeuten. Dies kann – gerade wenn der Blick regelmäßig durch den Sucher führt – leicht zu Unwohlsein führen.

Dunst verschlechtert die Sicht beträchtlich, zudem ist ein starker Farbstich zu sehen [Foto:Sascha Stewen]
Gleiche Ortschaft, jedoch bei deutlich besserem Wetter [Foto:Sascha Stewen]
Zu einem Flugzeug gehört natürlich immer auch ein Pilot, und der sollte so früh wie möglich in die Vorbereitungen mit eingebunden werden. Im Idealfall hat der Flugzeugführer schon Erfahrung mit Bildflügen und weiß, worauf es ankommt, damit die Fotos gelingen. Ist dies nicht der Fall, so ist eine frühzeitige Einweisung in die Materie angebracht. In beiden Fällen muss genau abgesprochen werden, welche Motive angeflogen werden sollen, wie die Route verlaufen sollte, damit das "Ziel" im besten Licht erscheint und wie man im Flugzeug einfach und leicht verständlich kommuniziert. Ebenfalls geklärt werden muss die Flughöhe, die jeweils erreicht werden kann, sowie die Geschwindigkeit. Letztere sollte während des Fotografierens so gering wie möglich sein, ohne die Sicherheit zu gefährden.

Wenn die Rahmenbedingungen des Fluges geklärt sind, gilt es die Ausrüstung zusammen zu stellen. Zwar kann man auch mit Kompaktkameras gute Aufnahmen machen, eine digitale Spiegelreflexkamera erhöht aber die Flexibilität und vergrößert die Chancen gerade bei schlechteren Bedingungen. Um den passenden Brennweitenbereich auszuwählen, muss vorher klar sein, welche Art von Motiven aufgenommen werden soll. Komplette Stadtansichten oder Landschaftsaufnahmen verlangen eher ein Weitwinkel-, Gebäudeportraits hingegen ein Teleobjektiv. Brennweiten unter 24 mm (auf KB bezogen) sind nur für wenige Aufnahmesituationen zu verwenden, zum Beispiel für Cockpitaufnahmen oder Fotos, auf denen größere Teile des Flugzeuges zu sehen sein sollen. Brennweiten oberhalb von 300 mm (auf KB bezogen) scheiden meistens durch die starken Verwacklungen aus, die auch mit einem optischen oder mechanischen Bildstabilisator nur bedingt in den Griff zu bekommen sind. Zwar sind lichtstarke Objektive von Vorteil, wenn es um die Möglichkeiten bei schlechteren Wetterbedingungen geht, jedoch sollte man sich der Enge – gerade in kleineren Maschinen – bewusst sein. Im Idealfall stehen zwei Kameras zur Verfügung, ausgerüstet mit einem Standardzoom und einem Teleobjektiv, die man dann während des Fluges für das jeweilige Motiv passend auswählt, da ein Objektivwechsel gerade bei ausgebauter Tür nicht zu empfehlen ist. Dabei muss der Ausrüstungsumfang klein genug sein, damit man sich, ohne die Sicherheit zu gefährden, im Flugzeug noch soweit bewegen kann, wie es für die Aufnahmen notwendig ist. Hier empfiehlt es sich, schon im Voraus eine Sitzprobe zu machen. Die Speicherkartenkapazität sollte so bemessen sein, dass ein Wechsel im Flugzeug überflüssig wird. Auch auf einen Akkuwechsel an Bord ist nach Möglichkeit zu verzichten. Um Spiegelungen für den Fall zu vermeiden, dass durch eine Scheibe hindurch fotografiert werden soll, eignen sich besonders Gummistreulichtblenden. Mit diesen kann das Objektiv direkt an das Glas angesetzt werden, ohne dass sich Vibrationen oder Stöße unmittelbar auf die Kamera übertragen. Dunkle Kleidung vermeidet zusätzliche Reflexionen.

Auch im Winter bieten Luftaufnahmen faszinierende Ansichten der Erde [Foto: Juliane Wünsch] Neben der Technik spielt bei der Luftbilderstellung die Natur eine entscheidende Rolle. Um die Kosten für den Flug nicht umsonst aufgebracht zu haben, ist eine hohe Flexibilität gefragt, auch beim Piloten. Um gute Aufnahmen zu bekommen, muss die Luft klar sein, gerade (aber nicht ausschließlich) über Städten ist Dunst jedoch ein häufiges Problem. Auch eine lockere Wolkendecke kann – gerade bei Weitwinkelaufnahmen über größere Landstriche – für unschöne Schattenwürfe sorgen. Ein strahlend blauer Himmel hingegen bietet der Sonne gute Möglichkeiten, für Schatten an den Motiven zu sorgen. Das kann genutzt werden, um die Landschaft möglichst plastisch darzustellen. Hierzu eignet sich eine tief stehende Sonne sehr gut, aufgrund der dann langen Schatten. Es kann aber auch zum Nachteil werden, etwa wenn ausgerechnet das zu fotografierende Gebäude im Schatten versinkt. Wenn es dann ernst wird, sollten die Aufnahmen mit einer möglichst kurzen Verschlusszeit erstellt werden. 1/500 oder 1/1.000 Sekunde sind ein guter Richtwert, auch mit Bildstabilisation. Bei Aufnahmen durch die Scheiben des Flugzeugs bietet sich ein manueller Fokus auf Unendlich an, der durch eine möglichst kleine Blende unterstützt wird. Da der Weißabgleich bei Luftaufnahmen häufiger Probleme verursachen kann, ist die Speicherung in einem Rohdatenformat sinnvoll. So sind spätere Korrekturen einfacher und ohne Qualitätsminderung möglich. Ist die Speicherkapazität dann irgendwann erschöpft, oder sind die Akkus leerfotografiert, so kann man sich zurücklehnen und den Rest des Fluges genießen. Dann – auch das wusste Reinhard Mey – wird, "was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein". Vielleicht auch die Fotografie. Guten Flug.

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