Rubriken: Aufnahmeeinstellungen, Motive und Situationen

Gesichtserkennung – ein nützlicher Helfer

2009-11-23 Menschen gehören zu den beliebtesten Motiven. Meist sind es Kinder, Familie und Freunde, die abgelichtet werden, aber auch fremde Menschen oder "professionelle" Porträtfotografie gehören zum Repertoire von Hobbyfotografen. Musste man früher viele Fotos aussortieren, weil sie auf den Hintergrund fokussiert oder belichtet waren, ist dies selbst in der "sorglosen Knipserei" heute viel seltener geworden. Der Grund: Eine von ernsthaften Fotografen gerne belächelte Funktion, die Gesichtserkennung, sorgt dafür, dass die Kamera das zu fotografierende Motiv tatsächlich erkennt und sich automatisch darauf einstellen kann. Mit der Rechenpower moderner Digitalkameras ist die Gesichtserkennung nicht mehr weg zu denken und wird um viele "Gimmicks" erweitert.  (Benjamin Kirchheim)

International Consumer Electronic Show CES Las Vegas 2008 – Testaufbau für Gesichtserkennung bei Panasonic [Foto: Daniela Schmid]Noch im November 2004 war die Gesichtserkennung etwas völlig Neues, die DIWA zeichnete damals Fujifilm für diese Innovation aus (siehe weiterführende Links). Fujifilm brauchte aber fast zwei Jahre, bis die Gesichtserkennung auch in ein Produkt fand, es war die FinePix S6500fd im September 2006. Das "fd" im Namen steht dabei für "face detection", englisch für Gesichtserkennung. Nikon war mit der Coolpix 7600 etwas fixer, sie kam im Juni 2005 als erste Kamera mit Gesichtserkennung auf den Markt. Auch Hewlett-Packard war damals (Mai 2004) sehr innovativ, die mit DIWA Gold und Platin ausgezeichnete Photosmart R707 brachte immerhin im Wiedergabemodus eine Gesichtserkennung mit, um automatisch rote Augen zu retuschieren, die bei Blitzaufnahmen entstehen.

Seitdem ist die Gesichtserkennung salonfähig geworden und nicht mehr wegzudenken, jede noch so billige Digitalkamera ist damit ausgestattet, inzwischen sogar teure DSLRs, sofern sie LiveView beherrschen. Auch die Retusche roter Augen beherrschen viele Digitalkameras – teilweise schon während der Bildaufnahme, teilweise erst auf Knopfdruck danach. Und das funktioniert viel effektiver als der lästige Vorblitz, der zur Verkleinerung der Pupille beitragen soll, aber auch alle warnt, dass jetzt "scharf geschossen" wird.

Daneben gibt es auch "Gimmicks", wie etwa die Erkennung und automatische Auslösung, wenn jemand lächelt, das Erkennen geschlossener Augen oder die Unterscheidung, ob man gerade Kinder oder Erwachsene fotografiert. Der neueste Clou ist eine Gesichtswiedererkennung, so dass die Kamera Profile von Personen speichern kann, etwa mit Namen und Geburtsdatum. Auch Software zur Bildverwaltung beherrscht inzwischen solche Funktionen, wie etwa Google Picasa, das hilft beim Auffinden von Porträts oder bestimmten Personen im Bildarchiv.

Das erkannte Gesicht veranlasst die Fujifilm FinePix F200EXR, in den Porträtmodus zu gehen [Foto: MediaNord]Wer genau die Gesichtserkennung erfunden hat, ist so einfach nicht zu ergründen, bereits 1995 wurde in Amerika daran geforscht, auch in Japan (1998) und Deutschland (1999) gibt es entsprechende Veröffentlichungen dazu (siehe weiterführende Links). Ob die Kamerahersteller jeweils eine eigene Gesichtserkennung programmiert oder die Technologie zugekauft haben, ist ein wohl gehütetes Geheimnis. Lag die Fehlerquote 1993 noch bei rund 79 %, sank sie bis zum Jahr 2006 auf unter 1 %.

Die Grundlagentechnologie selbst ist recht simpel: Das Bildanalyseverfahren beruht auf mathematischen Berechnungen. Dabei sind vor allem drei Merkmale wichtig: Ovale Formen, die auf Köpfe hinweisen, die Farben innerhalb der Ovale, bei Köpfen typischerweise Hautfarben, sowie die Augen bzw. deren statistisch vergleichbarer Abstand, aufgrund dessen sie als Augen interpretiert werden können. Große, dunkle Sonnenbrillen können entsprechender Weise zu Problemen führen. Brillen mit ungetönten Gläsern sind auch durchaus eine Herausforderung, die Gesichter werden aber in der Regel trotzdem erkannt. Anfangs waren die Algorithmen noch recht simpel, inzwischen werden Gesichter – egal in welcher Neigung, auch über Kopf – genauso erkannt wie Gesichter im Profil; das kommt ganz auf die Kamera bzw. die darin eingesetzte "Raffinesse" an. Bis zu 32 Gesichter werden erkannt, was auch Gruppenfotos ermöglicht.

Diente die Gesichtserkennung anfangs nur der Scharfstellung, werden inzwischen längst andere Parameter ebenfalls angepasst. Das geht von der korrekten Belichtung, insbesondere bei schwierigem Gegenlicht, über die Farbbalance bis hin zur Wahl einer großen Blendenöffnung, um den Hintergrund unscharf erscheinen zu lassen. Auch der Blitz wird richtig dosiert, rote Augen Sony Party-shot IPT-DS1 mit Cyber-shot DSC-WX1 [Foto: Sony]automatisch korrigiert, und manche Kameras haben sogar einen "Make-up"- oder "Beauty"-Modus, der Gesichtsunreinheiten und Falten wegretuschiert. Einige Kameras legen gar den Bildausschnitt anhand eines erkannten Gesichts fest, bspw. für ein so genanntes Brustporträt, wo Gesicht und ein Teil des Oberkörpers abgebildet werden. Sony hat mit dem Party-shot sogar ein Kamerazubehör auf den Markt gebracht, das die Kamera bewegt, die ihrerseits automatisch nach Motiven mit Gesichtern sucht und eigenständig aufnimmt – inkl. Festlegung des Bildausschnitts und unter Berücksichtigung von Fotoregeln wie dem goldenen Schnitt oder dass eine Person ins Bild hinein und nicht hinaus schauen sollte.

Die Gesichtserkennung kann getrost immer an bleiben, sie erfolgt quasi in Echtzeit und hat auch eine äußerst geringe Fehlerquote. Mit dem Smile-Shutter oder der Blink-Detection muss man dagegen aufpassen, diese Funktionen können einen möglichen Porträt-Schnappschuss auch verhindern, weil die Kamera mit dem Auslösen bis zum Lächeln wartet oder bei geschlossenen Augen das gemachte Foto sofort wieder löscht. Auch eine Motivautomatik kann getrost aktiviert bleiben, sofern man sich als Fotograf nicht bewusst um die Kameraeinstellungen kümmern möchte. Die Erkennung des Porträtmodus gehört unserer Erfahrung nach zu den sichersten überhaupt. Die Gesichtserkennung zählt neben einer Retuschefunktion von roten Augen zu wichtigen Kaufkriterien einer Kamera, wenn man mal vom Preis und der Bildqualität absieht. Jedenfalls dann, wenn man sorgenfrei und ohne technisches Hintergrundwissen einfach seine Liebsten oder Freunde für die Ewigkeit, sofern man bei Digitalfotos davon sprechen kann, festhalten möchte.

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Benjamin Kirchheim

Benjamin Kirchheim, 46, schloss 2007 sein Informatikstudium an der Uni Hamburg mit dem Baccalaureus Scientiae ab. Seit 1998 war er journalistisch für verschiedene Atari-Computermagazine tätig und beschäftigt sich seit 2000 mit der Digitalfotografie. Ab 2004 schrieb er zunächst als freier Autor und Tester für digitalkamera.de, bevor er 2007 als fest angestellter Redakteur in die Lübecker Redaktion kam. Seine Schwerpunkte sind die Kameratests, News zu Kameras und Fototipps.