Rubrik: Aufnahmeeinstellungen

False Whitebalance – den Weißabgleich geschickt einsetzen

2006-03-13 Die Bildaufteilung, die Blende oder die Verschlusszeit sind nur einige der Werkzeuge, die es dem Fotografen ermöglichen, sein Bild kreativ zu gestalten. Bei der Digitalfotografie kommt zusätzlich noch der Weißabgleich hinzu. Dieser ist ungemein wichtig, da Digital-Fotos ohne den Weißabgleich Farbstiche aufweisen können. Mit verschiedenen Einstellungen des Weißabgleichs lassen sich interessante Stimmungen in Bildern erzeugen. Im folgenden Fototipp wird mit der "False Whitebalance" eine Technik vorgestellt, mit der sich viele alltägliche Motive wirkungsvoll in Szene setzen lassen.  (Tobias Heinze)

Bild 1: Farbtemperatur-Skala des sichtbaren Spektrums [Grafik: MediaNord]Der Weißabgleich einer Digitalkamera verhindert Farbstiche in den aufgenommenen Bildern. Dazu wird – vereinfacht dargestellt – das Licht von der Kamera vermessen, welches das Motiv beleuchtet. Denn Licht ist nicht gleich Licht, es macht einen großen Unterschied, ob es sich beispielsweise um Kunstlicht oder Tageslicht handelt. Je nachdem, welches Licht die Kamera feststellt, müssen bestimmte Farbanteile im Licht stärker oder schwächer bei der Berechnung der Farbwerte im Bild gewichtet werden, um einen Farbstich zu verhindern.

Wie entstehen Farbstiche? Dazu ist es wichtig zu wissen, dass sich die spektrale Zusammensetzung des Lichts, oder einfach gesagt der Anteil an rotem, gelbem und blauem Licht unterscheiden kann. Abhängig von der Lichtquelle entsteht beispielsweise Licht mit einem hohen Rotanteil, oder es enthält mehr bläuliches Licht. Die spektrale Zusammensetzung des Lichts wird mit der Farbtemperatur charakterisiert. Die Einheit der Farbtemperatur ist Kelvin. Licht mit einer Farbtemperatur von 2500 Kelvin (K) hat einen recht hohen Rotanteil und entsteht zum Beispiel in einer normalen Glühbirne. Je höher die Farbtemperatur ist, desto mehr verschiebt sich das Farbspektrum von Rot über Gelb nach Grün bis hin zu Blau. Daher enthält Licht mit einer Farbtemperatur von 7500 K verstärkt blaues Licht, Tageslicht ist auf 5500 K genormt und bietet ein gleichmäßig verteiltes Farbspektrum.

Der Weißabgleich ermittelt nun bei der Aufnahme die Farbtemperatur des vom Motiv reflektierten Lichts. Deshalb verwenden Profis (etwa bei Studioaufnahmen) beim Weißabgleich eine standardisierte 18%ige Graukarte oder doch wenigstens ein Blatt weißes Papier. Ungleichmäßige Farbverteilungen im Licht (je nach Farbtemperatur) werden in der Berechnung der Farbwerte für das Foto ausgeglichen. Bei funktionierendem Weißabgleich kann der Fotograf so unter verschiedensten Lichtsituationen farbneutrale Bilder produzieren. Im Gegensatz zum Bildsensor gleicht das menschliche Gehirn die Unterschiede im Licht eigenständig aus, weshalb Menschen stets ohne Farbstich sehen, egal welche Farbtemperatur das Licht hat.

Bild 2: Die Blüte wurde mit dem Kunstlicht beleuchtet, der Hintergrund zeigt einen deutlichen Blaustich. Hier wurde die Technik übertrieben zur Demonstration angewandt [Foto: Tobias Heinze] Farbstiche im Bild entstehen, wenn die Kamera das Licht falsch einstuft und somit beim Weißabgleich Farbwerte korrigiert, die eigentlich keiner Korrektur bedürften. So entstehen bei Tageslicht zum Beispiel blaustichige Bilder, wenn der Weißabgleich manuell auf Kunstlicht eingestellt ist.

Nach diesen theoretischen Vorbemerkungen jetzt also zum eigentlichen Thema dieses Fototipps, zum bewusst falschen Weißabgleich, auch "False Whitebalance" genannt. Dazu wird eine Digitalkamera benötigt, bei welcher der Weißabgleich manuell verändert werden kann. Bei den meisten Kameras finden sich Weißabgleichseinstellungen zum Beispiel für sonniges und wolkiges Wetter, für Kunstlicht, weißes Leuchtstoffröhrenlicht oder für Blitzlichtaufnahmen. Viele Kameramodelle – vor allem digitale Spiegelreflex- und Bridgekameras – bieten darüber hinaus die Möglichkeit, die Farbtemperatur des Weißabgleichs manuell einzustellen. Für die hier beschriebene Aufnahme-Technik muss der Weißabgleich an der Kamera auf Kunstlicht eingestellt werden. Manuell eingestellt, bringen Farbtemperaturen zwischen 3000 und 4000 K für den Weißabgleich gute Ergebnisse. Um den persönlichen Geschmack zu treffen, sollten verschiedene Einstellungen ausprobiert werden. Bei Kameras, die Bilder im RAW-Format aufzeichnen, empfiehlt es sich, den Weißabgleich später im Bearbeitungsprogramm fein einzustellen. Wird hier die Farbtemperatur des Weißabgleichs geändert, können die Auswirkungen im Bild sofort begutachtet werden; die Aufnahmen sollten aber trotzdem mit Weißabgleich für Kunstlicht gemacht werden. 

Bild 3: Morgens um halb sieben und bei eisiger Kälte entstand dieses Bild. Die Frostkristalle glitzern effektvoll, wenn man die Lichtquelle während der Aufnahme ein wenig bewegt. Dazu ist eine längere Verschlusszeit nötig, mindestens eine 1/10 s [Foto: Tobias Heinze]Es wird eine Kunstlichtquelle benötigt. Diese kann beispielsweise eine batteriebetriebene Videoleuchte (gibt es im Fotofachhandel beim Camcorderzubehör) oder eine Taschenlampe sein. LED-Lampen eignen sich sehr gut, da sie ein "kaltes" Licht (ca. 3500 Kelvin) produzieren und sehr energiesparend arbeiten. Als weiteres Zubehör erleichtern Stativ und Fernauslöser das Arbeiten. In der Theorie soll nun folgendes passieren: Ein Objekt wird mit der Lichtquelle so angestrahlt, dass der Hintergrund möglichst wenig Kunstlicht abbekommt. Das Objekt reflektiert dann also fast nur noch das Kunstlicht, während der Hintergrund normal vom Tageslicht erhellt wird. So kann ein Bild entstehen, für das der Weißabgleich in der Kamera nur teilweise – nämlich nur für das angestrahlte Objekt – stimmt, denn er ist ja auf Kunstlicht eingestellt. Das Foto bekommt dadurch bei richtiger Ausführung einen "unwirklichen Touch". In der Regel entsteht ein Bild, bei dem sich der Vordergrund weich von einem leicht blaustichigen Hintergrund abhebt. Besonders im seichten Morgenlicht und im Schatten sind gute Ergebnisse zu erwarten, da das Tageslicht hier recht schwach ist. Allgemein gilt: Je stärker die Kunstlichtquelle, desto heller darf die Umgebung sein. Und je schwächer das Umgebungslicht, desto mehr sollte auf eine evtl. nötige Belichtungskorrektur geachtet werden, da sonst die Gefahr der Überbelichtung im kunstlichtbeleuchteten Bereich besteht. 

Bei der Motivwahl kommt alles in Frage, was mit der Kunstlichtquelle getrennt vom Hintergrund ausgeleuchtet werden kann. Vor allem im Makrobereich können vielfältige Motivmöglichkeiten entdeckt werden: zum Beispiel Insekten, die auf einem Grashalm sitzen, oder verschiedene Blüten. Im Winter ergeben sich wunderbare Möglichkeiten, zum Beispiel den Morgenfrost in verschiedensten Variationen mit dieser Technik abzulichten. Der seichte Blaustich im Bild vermittelt sanfte Kälte und kann Frostbilder angenehm aufwerten. Es ist wichtig, mit verschiedenen Einstellungen des Weißabgleichs zu experimentieren, so können zufrieden stellende Ergebnisse am schnellsten erzielt werden.

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