Rubrik: Motive und Situationen

Die besten Chancen für gute Fotos im Tagesverlauf

2006-02-27 Wer nur knipsen will, der kann es tun, wann immer es ihm notwendig erscheint. Der ambitionierte Fotoamateur allerdings, der mit Licht schreiben, also fotografieren möchte, sollte mit den Hühnern aufstehen, nach der Fotopirsch einen ausgiebigen Mittagsschlaf halten und am späten Nachmittag wieder auf Jagd gehen.  (Günter Hauschild)

Mit den Hühnern sollte er aufstehen, weil in den Morgenstunden ein herrlich warmes und weiches Licht herrscht, das die Fotoobjekte in einer Weise erscheinen lässt, die nicht jeder Mensch kennt, schon gar nicht die so weit verbreiteten Langschläfer. Die Sonne steht tief, ihr Licht muss sich durch verschiedene Dunstglocken über Wäldern, Feldern und Städten hindurcharbeiten, wird von zahlreichen Hindernissen gebrochen, reflektiert oder absorbiert. Von Minute zu Minute steigt die Sonne am Himmel empor, womit sich der Einstrahlungswinkel ändert. Das Licht passiert andere Luftschichten, wird von anderen Hindernissen wieder unterschiedlich gebrochen, reflektiert oder absorbiert, es ändert sich tatsächlich minütlich. Steht die Sonne schließlich in der Mittagszeit hoch am Himmel, gibt es keine Objekte, die das Sonnenlicht beeinflussen. Gradlinig, hart und kalt trifft es die Motive. Alle Einzelheiten der Objekte werden voll ausgeleuchtet, Schatten sind hart und kurz oder fehlen ganz. Bei solchen Lichtverhältnissen sollte sich der Fotograf (möglichst) einem ausgiebigen Mittagsschlaf hingeben und neue Kräfte sammeln für den späten Nachmittag und Abend.

Beide Tageszeiten sind wie der Morgen und doch wiederum ganz anders. Ab dem späten Nachmittag wird das Licht wieder warm und weich. Deutliche und immer länger werdende Schatten entstehen, jede kleine Unebenheit der Objekte tritt sichtbar hervor. Das sind unsere Chancen für ein gutes Foto im Tagesverlauf.

Wenn sich die Voraussetzungen für ein gutes Foto im Tagesverlauf also ständig ändern, wie kann man dann den richtigen Zeitpunkt für ein Foto ermitteln? Das kann man eigentlich nicht. Möglich ist nur das: Verfolgen des Wetterberichtes für den nächsten Tag. Ist dieser günstig, so kontrolliert man vorsorglich die gesamte Fotoausrüstung, bereitet sein Fahrzeug und die entsprechende Kleidung vor, stellt den Wecker auf "vor Sonnenaufgang" und ... schläft gut. Am nächsten Morgen begibt man sich zu dem Ort, an dem man fotografieren will, oder fährt durch das Motivgebiet. Ja nicht geizig sein mit dem Speicherplatz, und von den gewünschten Motiven viele Aufnahmen zu verschiedenen Zeiten machen. Die digitale Fotografie hat ja (auch) den großen Vorteil, dass das einzelne Foto im Vergleich zur analogen so gut wie keine Kosten mehr verursacht. Auch muss man sich Zeit nehmen, viel Zeit. Denn es lohnt sich, länger am Ort des Motivs zu verweilen und zu beobachten, wie es sich mit der Tageszeit verändert. 20 Aufnahmen von einem einzigen Morgen auf einem Deich bei Husum (siehe Bildbeispiele) sind 20 unterschiedliche Bilder von der aufgehenden Sonne über der Stadt mit jeweils eigenem Reiz. So wird man meist erst zu Hause am Computer staunen, welche stimmungsvollen Fotos man erreicht hat. Genauso verfährt man auch am Abend – mit Zeit und Muße entstehen vom Motiv Aufnahmen zu verschiedensten Zeitpunkten. Das erste Bild Sonnenuntergang bei Ebbe etwa entstand nur wenige Minuten vor dem Zweiten vom selben Aufnahmeort und ist doch in seiner Farbstimmung gänzlich anders.

Aber nicht nur dort, wo freie Sicht in der Landschaft herrscht, ist der Zeitpunkt entscheidend, zu dem der Auslöser gedrückt wird – auch in einem Park etwa ist es sehr lohnend zu beobachten, wie sich ein Motiv (siehe die Kastanie in der Herbstsonne) zu einer ganz bestimmten Tageszeit erst am schönsten und eindrucksstärksten präsentiert. Zum guten Bild gehört also nicht nur eine gute Technik, sondern erst Zeit, Ruhe, Geduld und Beobachtungsvermögen führen zum besonderen Ergebnis. Man ist eben nicht einfach gut, sondern man ist nur in einer bestimmten Konstellation gut – das gilt auch und vor allem in der Fotografie.

 

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